Freitag, 28. Dezember 2018

Unicode ‒ tanwīn

Unicode ist ein Consor­tium von Micro­soft, Xerox, Apple, Adobe und anderen. Es gibt einen Standard für alle möglichen Zeichen in der elek­troni­schen Daten­ver­arbei­tung heraus.
Der Standard wird mit der Interna­tional Standard Organi­sation in Genf ab­gestimmt.
Von Anfang an waren nicht nur die arabi­schen Zeichen, die für Zeitungen und gewöhn­liche Bücher nötig waren, sondern auch die meisten für den Gizeh-Koran er­forder­lichen kodiert.
Auf Betreiben von Pakistanis und Iranern sind inzwischen ein paar Zeichen dazu­gekommen.
Obwohl die ägyptische Firma Harf 1996 und seit­her mehrere tür­kische Firmen Fonts her­stel­len, welche die in der Türkei erforder­lichen Zeichen ent­hal­ten, sind diese nicht in Uni­code kodiert, von in Afrika verwen­deten Zeichen zu schwei­gen.
Türkische, marokkanische, maureta­nische, senega­lesische Firmen bedienen sich des­halb mit Bil­dern oder mit eigen­mächtig beleg­ten Zeichen (propriätere Lösungen).
Doch als erstes will ich mich nicht mit den fehlen­den afrika­nischen und türki­schen Zeichen be­fassen (die teils auch sonst ver­wendet werden),
sondern mit den tanwīn-Zeichen, die irgendwie da sind.

Zwei Vorbemerkungen:
Zu unterscheiden ist die Eingabe (über Tastatur), die Kodie­rung (im Daten­strom) und die Aus­gabe (vom Drucker).
Genau genommen kümmert sich Uni­code nur um die Zeichen­kodie­rung.
In der Praxis wirkt das jedoch sowohl auf die Ein­gabe, wie auf das Rendering.
Es gilt festzu­stellen, dass Unicode Zeichen grund­sätz­lich nach ihrem seman­ti­schen Wert – nicht nach ihrer Ge­stalt – definiert:
also ARABIC SIGN TAKHAL­LUS nicht „Small Initial-Sīn above“, ARABIC LET­TER KASHMIRI YEH nicht „Yeh with small 5 be­low“.
Entsprechend gab es von Anfang an ARABIC FATHATAN, DAMMATAN bzw. KASRATAN und nicht „Two Fatha-Strokes above“, „Two Damma above“ bzw. „Two Kasra-Strokes below“.
Nun gibt es aber in Mag und Q24 jedes der drei Zeichen (die fatḥa+nūn, ḍamma+nūn, kasra+nūn, also /an/, /un/, /in/ sind) in drei Varian­ten, je nach­dem vor welchen Buch­staben sie stehen. Da hier strenge Regeln gelten, muss man die Varian­ten nicht gra­phisch dif­feren­zieren (und Türken, Perser, Inder und Indo­nesier tun dies auch nicht), aber Magh­rebiner und moderne Araber tun es.

Obwohl Unicode im allgemeinen Q52 wieder­gibt, gab es anfangs nur die „normale“ Variante, später kamen OPEN FATHA­TAN, OPEN DAMMA­TAN und OPEN KASRA­TAN hinzu, womit, immer noch die dritte graphi­sche Vari­ante fehlt: Iqlāb (Austausch von nūn durch mīm); der Uni­code work around, dass man fatḥa + small mīm, ḍamma + small mīm bzw. kasra + small mīm below nimmt, ist un­logisch, da es sich um fatḥa­tain plus Iqlāb (und nicht um fatḥa plus Iqlāb) han­delt.
Übrigens hatte sich der King Fahd Glorius Quran Printing Complex (dt. KFK) mindestens zweimal an Unicode gewandt mit der Bitte, den sau­blöden Namen OPEN durch "Successive" zu ersetzen, weil sie auf Arabisch تتابع heißen und DER ein­deutige Unter­schied zum normalen (ge­stapel­ten, über-ein-andere-en) das Nach-Einander ist. Ohne je einen Grund zu geben, blieben die Herren bei ihrem ver­rückten Namen. Dass die Saʿudis auch noch eine gra­phi­sche Änderung woll­ten ‒ dass bei SUC­CES­SIVE FATHA­TAN der zweite (linke) Strich über dem ersten ansetzt ‒, haben sie nicht an­ge­nommen, was kein Problem ist, da das Bild in Uni­code offi­ziell nur ein Bei­spiel, nur eine mögliche Reali­sation des Zei­chens/char ist. (Dass manche Font­ge­stalter das nicht recht wissen und das von Uni­code ver­öffent­liche Bild treu-doof nach­ahmen, braucht sie nicht zu bekümmern.)
Oben so wie der KFK es all die Jahre FALSCH ge­schrieben hat. Unten wie es heute allein richtig ist.
Nochmals ganz langsam, für fatḥa­tan stell­ver­tretend auch für die andern bei­den gesagt:
anders als fatḥa und ge­rades/lan­ges fatḥa ist fatḥatan kein reines Laut­zeichen (a, ā), sondern ein Kasus- und Unbe­stimmt-Zeichen
in DEN DREI Gestalten gleicher­maßen.

Bei Indern Türken Persern wird es immer gleich geschrie­ben, obwohl es anders klingt
und in Bombay, Delhi, China und Indo­nesien gab es die Möglichkeit, das vor آ ع ح خ ه zu hörende nūn   extra zu markieren
‒ was zusammen mit dem "normalen" fatḥatan   dem Übereinander-fatḥatan in Afrika entspricht,
‒ wie NUR fatḥtan dem Nach-einander-Tanwīn in Afrika entspricht.
Es ist also falsch, wenn Unicode dekre­tiert, dass es nur zwei fatḥatain gebe, dass das dritte (das fatḥatain vor bāʾ) ein fatḥa plus klein-mīm sei.


Zwar hätte man auf die Kodierung von fatḥa­tain ganz ver­zich­ten können und bei der Eingabe und bei der Daten­speiche­rung
a) fatḥa + klein-nūn für das normale, bei der Aus­gabe ge­stapelte Zwei-Fathas und gestapelte fatḥa­tain + klein-nūn anbie­ten können (je nach Tradition oder Gusto)
b) fatḥa + fatḥa für das offene, bei der Aus­gabe versetzt auf­einander­folgende und
c) fatḥa + klein-mīm (oben) für tamwim (das in Indien als fatḥa­tain plus klein-mīm ausge­geben wird) nehmen können.
Zwei Varian­ten mit extra Kodie­rungen und die dritte völlig falsch in den Daten­speicher schrei­ben zu müssen ‒ so, dass man in Texten nicht einfach nach Fatha­tain suchen kann und bei der Suche nach Fatha falsche Treffer hat ‒ das geht nicht. Übrigens gab es seit 2005 eine Gruppe von IT-Spezia­listen, die man hätte zu Rate ziehen können.
Leider blieb man unter sich
Und jemand, der sowohl was von Arabisch versteht als von ara­bi­scher Kalli­gra­phie, Thomas Milo, konnte nichts bewirken.
Vermutlich redete man zu oft anein­ander vorbei. Vermutlich (!) hätte Milo lieber eine Tiefen­struktur enkodiert, die die Unicodistas gar nicht verstanden.

Bei Chinesisch, Japanisch, Koranisch hat man prinzi‒piel gleiche, gleich bedeutende Zeichen EINmal kodiert und die unterschied­lichen Ausgabe erfolgt über "locale".
So hätte man auch EIN "feh"/fāʾ definieren können, das normaler­weise einen Punkte OBEN hat, beim "locale" "maghreb" einen Punkt darunter,
ein "noon"/nūn, das normalerweise immer einen Punkt darüber hat, bei "maghreb" aber in Iso- und End-Position keinen (weil dann die Form aussage­kräftig genug ist).
Man hat aber die Zeichen nach der Form uni-kodiert ‒ leider mit grotesken Auswüchsen, wie ich in "Kein Standard" dargelegt habe, und wohl auch irgendwann hier ausführen werden.

Sonntag, 23. Dezember 2018

Mushaf Qatar ‒ romantische Reaktionäre

Die meisten deutschen Arabisten finden den muṣḥaf Qaṭar besser als den sa­udi­schen, al-Banki einen größeren Kalli­gra­phen als ʿUṯmān Ṭāhā.

Ich sehe das anders.
Vor 200 Jahren schrieb ein gefragter Kalli­graph drei maṣā­ḥif im Jahr, UT braucht drei Jahre für einen. Warum?
Die Anforde­rungen an ein künst­lerisches Unikat sind andere als an eine Vorlage, die zig mil­lionen­fach re­pro­duziert wird.
Wenn früher ein Buch­stabe miss­glückt war, wenn zwei Punkte ver­ruscht waren, dann machte das gar nichts.
Nur ganz wenige konnten lesen und die waren meist ge­bildet, kannten oft den Koran aus­wendig und wie im Kon­zert manch­mal ein Ton daneben geht, während man im Studio die Stelle wieder­holt, bis alles stimmt, so liefert UT maschi­nen­genaue Arbeit, während al-Banki seine Künstler­natur auslebt.

Vergleich gleicher hamzae von Beiden; einer ist genau, der andere schreibt mit Schwung.



Marokko .. Muṣḥaf al-Muḥammadī

Marokko hat zum 25. Thronjubiläum Hasans II und zur Thron­besteigung Muhammads VI Korane in Farbe heraus­gebracht. Ich habe kein Im­pressum gefunden.
Vermutlich findet sich hier der Grund:

Die Druckerei befand sich nicht im König­reich, sondern in Kairo. Al-Muǧallad al-ʿArabi (Druckereien geben sich bei solchen Projek­ten manch­mal ad hoc einen Zweit­namen) stellte ihn her.
Doch spätestens seit der dritten Auflage wird er in einer nach dem Zweiten Welt­krieg in Muham­media gegründe­ten Drucke­rei, die in den 1960ern vom Religions­minste­rium über­nommenen Druckerei, al-Maṭbaʿ al-Faḍāla, her­gestellt.
(al-Faḍāla war bis 1959 der Name der Stadt, die zu Ehren des letzten Herr­schers unter französi­schem "Schutz", dem ersten der unab­hängi­gen Könige, um­benannt wurde.)



Montag, 17. Dezember 2018

Der Azhar-Koran II

Dass der Azhar-Koran noch weniger Ligaturen hat als der Gizeh-Druck haben Sie schon gesehen.
Hier ein paar Seiten, die zeigen wieviel Seiten er hat.

dass er das übliche Nachwort hat,

dass alles mit rechten Dingen zuging

und wie die Druckerei seinerzeit hieß.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Mustafa Nazif Kadırğalı

Einerseits habe ich versprochen zu den zwei für den Koran­druck bedeutesten türki­schen Kalli­graphen zurück­zukommen.
Andererseits poste ich seit zwei Wochen ohne jedoch Re­aktion.
Deshalb heute etwas Abwegiges.
Mustafa Nazif war bis zu seinem Tod 1913 Chef­kalli­graph der osmani­schen Marine

und da er nach einem Hafen in Fatih benannt ist, dem wichtigen Neuen Hafen Byzanz',
nahm ich an, dass sich dort sein Arbeits­platz befand.
Und für alle, die Osmanisch lesen, hier ein Ausschnitt aus einem Stadtplan Stambuls von 1918,
den mir Tom Brosnahan von TurkeyTravel­Planner.com geschickt hat.
Doch das Marineministerium war in Beyoğlu und ob das Schreib­büro in Kadirġa war, weiß ich nicht.
Geboren soll er 1262/1846 in Russe/Русе/Rusçuk/Rust­schuk im osmanischen Bul­garien sein, wohin die krim­tartari­sche Familie geflohen war; 29.3.1331/ 8.3.1913 ist er in Istanbul gestorben, in Beşiktaş begraben. Was er mit Kadirġa, heute der Nord­osten von Şehsuvar Bey Mahal­lesi, zu tun hat, weiß ich nicht.
Hier etwas, was ich im Park von Kadirġa geknipst habe?

Wer weiß, was das ist?
Bitte posten Sie die Antwort als Kommentar.
Zur Belohnung gibt es dann Bilder aus den masahif von MNQ, die seiner­zeit ‒ ganz wie später ʿUṯmān Ṭaha ‒ in vielen Formaten gedruckt wurden.
Sonst halt nicht.

Was war neu an der KFA?

Und weil viele glauben, die KFA habe nicht nur die Ästhetik verändert (Grundlinie, Wort­abstand, wenig Liga­turen),
sondern habe den Text etabliert,
hier Seite 3 mit einem osmanischen Text, dem von Būlāq 1313/1895, einer Warš-Ausgabe, der Kairiner Litho­graphie von 1308/1890 (muṣḥaf al-Muḫal­lalā­tī) und dem des Gizeh-Drucks.

Am Nil nichts Neues. Die Position des Hamzas ‒ die nicht zum rasm gehören ‒ ist so wie im Maghreb schon "immer".

Verglichen mit einem der 106 von an-Nūrī geschrie­benen maṣā­ḥif (erste Zeile) fehlen alifs.

In den ersten Jahr­zehnten wurden in Kairo maṣāḥif von Muṣṭafā Naẓīf Qadir­ġalī (Kadir­ğali), von Ḥāfiẓ ʿUṯmān, dem Älteren (1642–1698) und von Haǧǧ Ḥāfiẓ ʿUṯmān Qayiš­Zāde an-Nûrî al-Bur­durī (Hac Hattat Kayış­zade Hafis Osman Nuri Efendi Burdur­lu) nach­gedruckt.
Wenige waren in Kairo geschrie­bene, von denen der muṣḥaf von Riḍwān bin Muḥammad ibn Sulaimān al-Muḫal­lalā­tī (1250‒1311h) der wichtig­ste ist.
Und der folgte nicht dem osmanischen Standard, sein rasm folgte ad-Dānī, die Schrei­bung der Lang­vokale war maghribi­nisch, die Vers­enden alle sieben Systeme wurde mit­geteilt ...

Samstag, 15. Dezember 2018

Der Azhar-Koran I

Da offensichtlich zwischen 1976-85 wenige Deutsche im Nahen Osten Korandrucke erwarben,

und seither wenige bei Mus­limen in die Schub­laden ge­schaut haben,

findet man den Muṣḥaf al-Azhar aš-Šarīf nicht im Netz.
Dabei hat die Staats­drucke­rei ihn da­mals in allen nur er­denk­lichen Größen und Ein­bän­den her­ge­stellt.
Ich besitze ihn nur in zwei Aus­gaben: klein mit Plastik­ein­band, mittel­groß mit Hart­pappe­deckeln.
Fortsetzung folgt.

Freitag, 14. Dezember 2018

Kabul 1352/1934

Bobzin schreibt, der Gizeh-Koran habe eine Welle von Korandrucken ausgelöst, was schlicht falsch ist.
So wie die Erfindung des Steindrucks um 1813 die erste Welle von Korandrucken zur Folge hatte, so mag Offset eine zweite Welle ausgelöst haben -- aber diese Welle ist reine Behauptung. Bobzin liefert weder Zahlen zu Koran­ausgaben, noch zu -auflagen.
Aber éinen Druck hat Gizeh24 wohl bewirkt. Der afghanische König Imānu-llāh Ḫān besorgte die nötige Ausrüstung.
Unter seinem Nachfolger erschien 1352/1934 ein Druck mit vielen Indices. Der "indische" Text wurde gesetzt und dann wurden Druck­platten gemacht --
genau wie ein Jahrzehnt davor in Bulaq + Gizeh.
In diesen beiden Zeilen sieht man deutlich, dass die Formen gesetzt (nicht hand­geschrieben) sind. Und an dem hoch­gesetz­ten End-yāʾ und an der nach­träg­lich hoch ein­gesetz­ten nicht-kufi­schen Versende, an dem nicht zu stoppen ist, sieht man, dass danach mani-puliert wurde, was so bei einem Typendruck nicht geht.




Der Text der ersten Seiten ist hand­geschrieben.
Wie in indischen maṣāhif üblich beginnen alle 30igstel oben auf einer rechten Seie und sind hervorgehoben.
Beginn von Surat qāf.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Pausenzeichen in Indien

Heute werden in Arabien fünf Pausen­zeichen benutzt.
In Indien gibt es deutlich mehr.
Und vor 100 jahren waren noch mehr Zeichen in Gebrauch,
die teils auch im afghanischen Druck und im osmanischen Reich benutzt wurden.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Mushaf Qatar ‒ kāḏiba

Den Gizeh-Koran mit seinen fast 900 Seiten kauften nur Orientalisten.
Der einfache Ägypter zog die 522 Seiten (erst von Muṣṭafā Naẓīf Qadir­ġalī, seit 1975 von Muḥammad Saʿd Ibrāhīm al-Ḥaddād ge­schrie­ben) vor, nach 1976 auch den genau­so kom­pakten (ge­setzten) Azhar-Koran.
1977 begann ʿUṯmān Ṭahas Siegeszug: den 1952er Text der Amīrīyya im Stile der Amīrīyya auf den 604 Seiten der Aus­gaben von Kayış­zâde Hâfız Osman: Hand­schrift so genau wie Type, noch liga­tur­ärmer als Type: ruhiges Schrift­bild, leicht zu lesen.
Das Sechstel der Muslime, das zwischen Nil und Tigris lebt (und deren Dia­spora), haben heute Aus­gaben dieses Typuses.
Die folgen alle der Ortho­gra­phie der Amī­rīy­ya-Aus­gabe von 1952, die etwa 900 mal vom "Stan­dard­koran" von 1924 ab­weicht ‒ zwar nur drei Stel­len mit ande­rem rasm, mal ein an­ders sit­zen­des Ham­za, grund­sätz­lich andere Suren­über­gänge (näm­lich mit der Bas­mala) und Suren­titel­käst­chen (näm­lich ohne Angaben zur Offen­barungs­reihen­folge), sowie sehr viele andere Pausen.


Logo der Mushaf Qatar App.

Mit einer Ausnahme:
Muṣḥaf Qaṭar weicht an einer Stelle ab.
Sure 56, Vers 2, kāḏiba
Der Gizeh-Koran schreibt es mit alif, wie Türken, Inder und Perser.
ʿUṯmān Ṭaha, Syrien, Dubai, Oman, Baḥrain, sie alle schrei­ben es mit alif.
Qaṭar aber schreibt es ‒ so wie man in Marokko, im Senegal und Medina (Warš) schreibt ‒ mit Ersatz­alif.
Dürfen die das?

Aber sicher. An der Klang­gestalt (kāḏiba), am Sinn ändert sich nichts.
Und sie haben nicht nur die Maghre­biner auf ihrer Seite, sondern auch das Manu­skript, das Tayyar Altı­kulaҫ (IRCICA) kurz vorher her­aus­ge­ge­ben hat: der dem dritten Kalifen zuge­schrie­bene ägypti­sche muṣḥaf, der sich heute im Topkapi Palast­museum befindet.
Der Koran ist in erster Linie mündlich (über­liefert).
Man schreibt ihn wie man will.
Zur Zeit demon­striert das das dem iranischen Revolu­tions­führer unterstellte Zentrum zum Druck und zur Ver­breitung des Koran:
Sie wollen eine möglichst wenig verwirrende Schreibung.
Wenn sie für die von ihnen bevorzugte Schrei­bung ein Vorbild oder eine Autori­tät finden, dann ist's gut,
Aber 17 Wörter schreiben sie nach ihren Vor­stellungen, ohne dafür ein gutes Vor­bild zu haben -- und sind stolz darauf.
Diese 17 finden Sie in meinem Amazon-Buch "Kein Stadard", wobei ich ent­deckt habe, dass sie an weiteren Stellen plene schreiben, obwohl das die rasm-Autori­täten nicht erlauben und auch nicht in den vom Zentrum genannten guten Vorlagen vorkommt, sondern höchstens in "schlechten" osmani­schen oder persi­schen Ausgaben.
Sie folgen Qaṭar bei kāḏiba nicht, obwohl es Parallelstellen gibt, wo sie Ersatzalif haben,
obwohl normales Alif einfacher ist als Ersatzalif.
Ich wage die Behauptung: Hätten sie ihre Aus­gabe nach dem Bruch zwischen Saʿudi-Ara­bien und Qaṭar heraus­ge­geben, hätten sie sich der Schrei­bung des muṣḥaf Qaṭar ange­schlos­sen.



Ledriges Logo des Mushaf Qatar.

Dienstag, 11. Dezember 2018

frei mixbar

Koranskripte und -drucke kann man nach zig Kriterien einteilen:
‒ ist alles in éinem Duktus geschrieben?
‒ sind die Suren in éinem Duktus geschreiben (also nur Titel, Basmala, Margi­nalien, Kusto­den in anderen)?
‒ sind die Suren in Nasḫī, Maghrebi, Sudani, Thuluth ... ge­schrieben?
‒ dürfen Verse auf zwei Seiten geteilt stehen?
‒ sind sieben Siebtel und zwei Hälften angezeigt?
‒ dürfen 30igstel irgendwo auf der Seite anfangen?
‒ wo genau sind die Grenzen der 30. 60. 120. 240.?
‒ sind rukuʿāt im Text / am Rand markiert?
‒ gibt es Randnoten?
‒ sind saǧadāt und/oder sakatāt auch am Rand ange­zeigt?
‒ stehen Name und/oder Nr. der Sure in der Kopfzeile?
‒ stehen Name und/oder Nr. der 30igstel in der Kopf­zeile?
‒ Stehen 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 Zeilen auf einer Seite?
‒ werden im Titelkasten die Anzahl der Verse in der Sure
   ‒ die davor geoffenbarte Sure und die danach an­ge­geben?
‒ werden die Zeilen durch Striche getrennt?
‒ wie werden Langvokale angegeben?
‒ wird die Kürzung von Vokalen notiert?
‒ wird ʾā (hamza+Alif) ءا oder اٰ geschrieben?
‒ wird bei Alif-waṣl angegeben, mit welchem Vokal einzusetzen ist, falls denn ein­ge­setzt wird?
‒ gibt es nūn qutni/ ṣila-nūn?‒ ein kaṣra zwischen tanwīn und alif-waṣl, das in Indien "mini-nūn", auf Arabisch Verbindungs-nūn heißt.
‒ nach welchem System sind die Vers­enden mar­kiert?
‒ sind diese mit Zahlen versehen?
‒ welche Pausen­zeichen gibt es?
‒ wer legt die Pausen fest?
‒ geht man am Suren­ende davon aus, dass gleich die nächste Sure gelesen wird?
   ‒ mit oder ohne der Basmala?
‒ wird die Assimiltion von vokal­losem nūn ange­zeigt?
‒ wird die Emphase bei normaler­weise nicht empha­tischen Buch­staben an­ge­zeigt?
‒ gibt es ein mittiges u-Hamza?
‒ gibt es ein, zwei oder drei madd-Zeichen?
‒ welcher rasm-Autorität oder welchem Manuskript folgt man dabei?
‒ welcher Lesart, Überlieferung, Weg folgt man?
Theoretisch sind alle diese Dinge unab­hängig von­ein­ander.
Das kriegen sogar Exper­ten nicht in ihren Schädel, schrei­ben dann, dass man bei Qālūn so und so schreibe, ob­wohl das nichts mit Qālūn zu tun hat, sondern mit ad-Dānī; sie werfen das wegen der berühm­ten liby­schen (von Abū Bakr as-Sāsī al-Maġribī geschriebenen) Ausgabe in einen Topf. Hier eine Zusammen­stel­lung: sechs man Ḥafṣ oben, drei mal Qālūn unten, da­zwischen Warš, bei allen Über­lie­ferungen gibt es insān mal so, mal so ge­schrie­ben; Über­lie­fe­rung und rasm-Autori­tät sind unab­hängig von ein­ander (auch wenn Warš fast immer à la Ibn Naǧāḥ ge­schrieben wird).
In der Praxis sind die meisten Texte in Sudānī in der Über­liefe­rung Warš, fol­gen meist Ibn Na­ǧāḥ, haben drei waṣl-Zeichen, drei hamza-Zeichen, kein nun quṭnī, kein rukuʿ-Zeichen, haben kleine Ersatz­buch­sta­ben zur Län­gung, haben keine Lang­vokal­zeichen ...
Es gibt aber Aus­nahmen:
So gibt das Zen­trum in Tehran (مرکز طبع و نشر قرآن کریم Markoz Ṭabʿ-o Našr) Drucke mit seinem Privat-rasm in indischen Stil, in persi­schen (Nairizī) und arabischen Stil (Uṯmān Ṭaha) heraus.
Und in Tunis sind zwei Aus­ga­ben von Ḥafṣ im maghre­bi­nischen Duktus faksimiliert worden.
Von Zuhair Bāš Mamlūk ge­schrie­bene Doppel­seite: die Lesart Ḥafṣ im maghribinischen Stil:

Hier eine Stelle aus dem Skript auf 60 Seiten mit der Stelle aus Surat ar-Rūm, wo dreimal das ḍād mit fatḥa (schwarz) oder ḍamma (rot) gelesen werden kann.

Das ist Ḥafṣ auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht ‒ Ḥafṣ hat kein festes Aussehen von Zubair ibn ʿAbdallah al-Ḥanafī für ḥanafi­tische Osmanen in Tunis geschreiben.

Montag, 10. Dezember 2018

Wortabstand

Die Schrift sprang nicht fix und fertig aus dem Ei.
Latein hatte erst nur Groß­buch­staben und wurde ohne Punkt und Komma continuier­lich ge­schrie­ben.
Später gab es Mitte-Punkte zur Markie­rung der Wort­grenzen.
Um 800 schrieb man Kleinbuchstaben.
Klein- und Großbuchstaben auf der gleichen Seite.
Später wurde das systematisiert: Satzanfänge, Namen, (Sub­stan­tive,) Wichtiges wurde durch Groß­buch­staben hervor­ge­hoben.















Alle wissen, dass Arabisch erst keine Diakritika und keine Vokal­zeichen hatte,
aber es hatte auch keinen Wort­abstand.
Die Grenze markierte man durch spezielle Buch­staben: End­buch­staben (Iso-Form, falls davor kein ver­binden­der Buch­stabe stand).
Da das häufige wau keinen End-Buchstaben hatte, und Alif sehr oft am Anfang stand)
‒ und es nie Alif + Alif IM Wort gibt,
setzte man nach wau am Wortende ein stummtes Alif;
damit war die Sache klar:
die Wortgrenze verläuft zwischen den zwei Alifs.

Und so wie fett-a und kursiv-a keine extra Buch­staben sind,
Groß-A aber doch,
so sind maghrebi-ع, diwani-ع, thuluth-ع keine extra Buchstaben, ـعEnd aber doch.
Alle Experten plappern nach, was man den Kindern im ersten Schuljahr beibringt:
arabische Buchstaben haben vier Formen.
Stimmt aber nicht: Wie bei uns für den /a/-Laut einen normalen und einen Anfangs-/Substantiv-Buch­staben gibt,
so gibt es im Arabischen für /b/ einen normale und einen End-Buch­staben.
Formen gibt es fast so viele, wie es Buch­staben dahinter und davor geben kann.

Die Schreibmaschine zeigt wie es wirklich ist:
10x eine From
16x zwei Formen.
Aber Unicode war so dumm wie die Erstklässler:
Sie legten als internationalen Standard fest:
Arabische Buchstaben haben vier Formen!

Iran VI (1886)