Es gibt Leute, die glauben ein bestimmter muṣḥaf stamme vom Khalifen ʿUṯmān,
obwohl er in einem Schreibstil/Duktus geschrieben ist, von dem Experten meinen, dass er erst hundert Jahre später aufkam.
Es gibt Leute, die glauben ein bestimmter muṣḥaf stamme vom Khalifen ʿAlī,
obwohl er in einer Orthographie geschrieben ist, die frühesten hundert Jahre später aufkam (sich noch später durchgesetzt hat).
So einfältig, so leichtgläubig sind Experten nicht.
Trotzdem gibt es welche, die "feststellen",
eine Handschrift sei im ʿuthmanischen rasm geschrieben,
obwohl wir von keiner Handschrift wissen,
dass sie eines der maṣāḥif al-amṣār sei,
oder eine genaue Abschrift davon,
obwohl wir keine Bericht über sie von Zeitgenossen haben,
obwohl wir nicht wissen, welchen rasm die Standardhandschriften hatten.
Was wir haben sind Schriften ÜBER alten Handschriften,
welche Gelehrte, die nie in Kufa, Basra, Damaskus, weder in Bahrain noch im Jemen gewesen sind,
Jahrhunderte später geschrieben haben.
Da sich damals schon sieben, zehn, vierzehn kanonische Lesarten etablierten hatten,
die nicht nur als grammatikalisch korrekt galten,
nicht nur vielfach überliefert (die ersten zehn) oder wenigstens anerkannt waren,
sondern angeblich auch mit "dem ʿuṭmānischen rasm" übereinstimmten,
die aber an etwa 40 Stellen Abweichungen hatten, die nicht durch Zusatzzeichen (Diakritika, Vokalzeichen,
Verdopplungszeichen, hamza-Zeichen) sondern zusätzliche bzw. fehlende Buchstaben geschrieben wurden,
hat man flugs aus dem EINEN ʿuṯmānischen muṣḥaf deren Fünfe gemacht.
((Sorum wird es wohl gewesen sein:
  Die verschiedenen Leser haben nicht unterschiedlich gelesen,
  weil sie verschiedene maṣāḥif benutzten,
  sondern man ging von verschiedenen maṣāḥif aus,
  weil sie unterschiedlich lasen
  -- ad-Dāni lebte 120 Jahre nach Ibn Muǧāhid.
  Marijn van Putten beweist, dass ich falsch liege!!))
"Der ʿuṭmānische rasm" ist ein Glaubensfakt.
Den ʿuṯmānischen rasm kennen wir (noch) nicht,
(Nachtrag: Marijn van Putten ist dabei einen Text zu publizieren,
wie er in den frühen Manuskripten steht.)
er stimmt sicher nicht mit "dem ʿuṭmānischen rasm" überein.
Dies nicht auseinanderzuhalten, ist unwissenschaftlich.
Es geht auch nicht an, bei der Orthographie der frühen Handschriften
matres lectionis "schwache Buchstaben" zu nennen, weil alif, wau und yāʾ
in einem ganz anderen Zusammenhang (bei der Wortbildung) so genannt werden.
Genausowenig darf man alif als hamza, als Wortende-Anzeiger und als a/ā-Platzhalter
in einen Topf werfen.
Differenziert denken!
Differenziert sprechen!
Und sollte ich nicht genau sein,
dann kritisiere man es bitte!
Und ich bin bereit, mich belehren zu lassen.
Zum Glück sind einige Forscher dabei, sich die alten
Handschriften genau anzuschauen. Marijn van Putten
stellt nicht nur fest, dass die ältesten Handschriften
anders geschrieben wurde, als die von ad-Dānī herangezogenen,
sondern auch, dass sie so gelesen wurden, wie sie geschrieben wurden --
also nicht mit durchgehend mit Kasusendungen und tanwīn.