Samstag, 8. Dezember 2018
der 1924er, Gizeh
Der Gizeh-Koran
‒ ist kein Azhar-Koran
‒ hat keine Welle von Korandrucken ausgelöst,
weil es endlich einen festen, autorisierten Text gab
‒ wurde nicht umgehend der von Sunniten und Schiʿiten akzeptierte Koran
‒ trug nicht wesentlich zur Verbreitung der Lesung Ḥafṣ bei,
er wurde weder 1923 noch am 10.7.1924 veröffentlicht.
Doch er vertrieb die grottenschlechte Gustav-Flügel-Ausgabe aus deutschen Studierstuben,
‒ hatte ein Nachwort namentlich genannter Herausgeber,
‒ gab darin seine Quellen an,
‒ übernahm ‒ außer der kufischen Zählung,
und den Pausenzeichen, die auf östlichen Quellen fußten
‒ den maghrebinischen rasm (weitgehend nach Abū Dāʾūd Ibn Naǧāḥ)
‒ die maghrebischen kleinen Ersatzvokale zur Längung
‒ die maghrebischen Unterteilung der Dreißigstel (jedoch ohne Achtel-ḥizb)
‒ die maghrebischen Grundlinienhamzae vor Alif am Wortanfang (ءادم statt اٰدم).
‒ die maghrebischen Falschschreibung von /allāh/ als /allah/
‒ die maghrebische Schreibung am Surenende, die davon ausgeht, dass unmittelbar danach die nächste Sure gesprochen wird (und zwar ohne Basmala): tanwin wird entsprechen modifiziert.
‒ die maghrebischen Unterscheidung in drei Sorten tanwin (übereinander, nacheinander, mit mīm)
‒ die maghrebischen Abwesenheit von nūn quṭni.
‒ die maghrebischen Nicht-Schreibung der Vokalkürzung
Neu war die Differenzierung des maghrebischen Sukūn in drei Zeichen:
‒ das ǧazm in Form eines ǧīms ohne Schwanz und ohne Punkt für Vokallosigkeit,
‒ den Kreis für „immer zu überlesendes Zeichen“,
‒ die Null für „hier zu überlesendes Zeichen“.
‒ plus der Abwesenheit jedes Zeichen für Nicht-zu-Sprechend, da assimiliert.
Ferner Wortabstand,
Grundlinienorientierung und
exakte Platzierung von Punkten und Strichen.
Offset brachte gegenüber Typendruck das Höher-Setzen von kasras:
Statt unter den Buchstaben sind sie unter dem Kernbuchstaben: auf Höhe der Unterlinien (م ) und Schwänzen (ح ع س ص ـهـ ل ي ).
Dazu wird ein Bürstenabzug der gesetzten Seite gemacht. Dann werden die kasras rausgeschnitten und etwas höher geklebt:
so tief wie م oder in den Schwanz von ح ع .
Er war auch nicht der erste "innermuslimische Korandruck".
Neuwirth mag sich mit dem Koran auskennen, von Korandrucken hat sie null Ahnung,
denn seit 1830 gab es viele, seit 1875 sehr, sehr viel Korandrucke von Muslimen
und schon an den sechs St.Petersburger Drucken von 1787-98 waren Muslime stark beteiligt.
Ein Typendruck war es auch nicht, sondern ‒ wie alle außer Venedig, Hamburg, Padua, Leipzig,
St.Petersburg, Kazan, zweien in Tehrān (mit den gleichen Typen), zweien in Hooghli, zweien in Calcutta und einem in Kanpur
‒ Flachdruck, wenn auch nicht mehr mit Steinplatte, sondern Metallplatte.
Es war auch nicht der erste, der von sich sagte, „den rasm al-ʿUṯmānī“ wiederzugeben.
Zwei Titelseiten von Lucknow-Drucken von 1870 und 1877.
1895 erschien in Būlāq ein Koran im ʿuṯmānischen rasm, was vielleicht „unvokalisiert“ bedeutete.
Kitāb Tāj at-tafāsīr li-kalām al-malik al-kabīr taʼlīf Muḥammad ʿUṯmān ibn as-Saiyid
Muḥammad Abī Bakr ibn as-Saiyid ʻAbdAllāh al-Mīrġanī al-Maḥǧūb al-Makkī.
Wa-bi-hāmišihi al-Qurʼān al-Maǧīd marsūman bi’r-rasm al-ʿUṯmānī.
Bis auf die Folge IsoHamza+Alif, die 1890 und 1924 aus dem Maghreb übernommen wurde (alif+madda ging ja nicht, da madda zur Längung schon vergeben war) ist hier schon alles so wie 1924.
Der Text der KFA ist übrigens keine Rekonstruktion, was Bergsträßer Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād einfach geglaubt hat: Er folgt nicht genau
Abū Dāʾūd Sulaiman Ibn Naǧāḥ al-Andalusī (gest. 496/1103)
und auch nicht Abu ʿAbdallah Muḥammad ibn Muḥammad al-Ḫarrāz (gest. 718/1318),
sondern (außer an etwa 100 Stellen) den gängigen Warš-Ausgaben.
Auch die Übernahme vieler marokkanischer Besonderheiten (siehe oben),
die teils 1952 revidiert wurden, plus dem Fallen-Lassen von asiatischen Zeichen ‒ plus der Tatsache, dass das Nachwort zu Beidem schweigt ‒ ist ein klares Zeichen dafür,
dass al-Ḥusainī al-Ḥaddād al-Mālikī eine Warš-Ausgabe adaptierte
‒ d.h. deren Schreibung (ent-waršet) übernahm, nicht ihr layout.
Alle ägyptischen Leser kannten die Lesungen Warš und Qālun.
Als Malikī kannte al-Ḥusainī al-Ḥaddād vermutlich Warš-Ausgaben
noch besser als die meisten.
Es gab den angeblich 1924 etablierten Text nicht nur im Maghreb und
in Kairiner Warš-Drucken, sondern auch schon in Būlāq gesetzt im Jahrhundert davor.
Nun zum Erscheinungsdatum.
Man findet 1919, 1923, 1924 und 1926 in Bibliotheken und bei Gelehrten.
Nach heutigen bibliothekarischen Regeln gilt 1924, weil das steht im Erstdruck
Es stimmt aber nicht. Es steht nämlich in dem Werke selbst, dass sein Druck am 10.7.1924 abgeschlossen worden sei. Das kann aber nur bedeuten, dass an diesem Tag der Druck des qurʾānische Textes abgeschlossen worden war. Die Widmung für den König, die Nachricht über den Abschluss des Druckes kann erst danach gesetzt worden sein; sie und das gesamte Nachwort wurden erst danach gedruckt, und das Werk ‒ ohne Titelseite, ohne Gebet zum Abschluss ‒ wurde erst danach ‒ wohl wieder in Būlāq, wo schon gesetzt und montiert worden war ‒ gebunden ‒ und das war erst 1925, es sei denn man hat erstmal zehn Exemplare gebunden und die dann "veröffentlicht", was nicht wahrscheinlich ist.
Weil in Wikipedia Fuʾāds Königsmonogramm als das seines Sohnes ausgegeben wird,
hier seins (wenn auch völlig belanglos):
Freitag, 7. Dezember 2018
Impressum
Angaben nach §5 TMG:
Arno Schmitt
Gustav-Müller-Str. 10
10829 Berlin
Kontakt:
arnoas@live.de
Verantwortlich für den Inhalt nach §55(2) RStV:
Arno Schmitt
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Arno Schmitt
Indien1800 Langvokale
Gabriel Said Reynolds und andere sagen, alle Korane seien gleich: Buchstabe für Buchstabe.
Asiaten haben drei Kurzvokalzeichen und drei Langvokalzeichen (und Sukūn/Ǧazm). Doch nach den heutigen IPak-Regeln benutzt man bei ū und ī die Kurzvokalzeichen, FALLS der passende Vokalbuchstabe folgt. Bei Lang-/ā/ benutzten Perser und Osmanen/Türken immer das Langvokalzeichen, Inder benutzen es heute nur, wenn kein Alif folgt (also wau, [punktloses] yāʾ oder gar kein Vokal); kommt danach ein Alif, bekommt der Konsonant davor nur ein Fatḥa. Bei Lang-/ī/ benutzten Perser und Osmanen immer das Lang-ī-Zeichen (egal ob yāʾ folgt oder nicht); Inder verfahren heute ähnlich wie bei /ā/: folgt kein yāʾ, steht das Lang-ī-Zeichen: vor yāʾ aber steht (nur) Kasra und das yāʾ bekommt ein ǧazm. (nach IPak sind zeichenlose Buchsaben stumm!) Bei Lang-ū setzen die Osmanen "madd" unter ein wau; bei dem gelängten Personalpronomen -hū bleibt die Längung unnotiert. Inder und Indonesier benutzen das Lang-ū-Zeichen, aber das Kurz-u-Zeichen vor wau. Und jetzt kommt meine Beobachtung aus der Vordruckzeit. Um 1800 benutzten Inder immer das Lang-ū-Zeichen, folgendes wau blieb ohne jedes Zeichen: war also stumm (beim Lesen zu ignorieren) ‒ wenn es zweiter Teil des Diphtongs /au/ ist, bekam und bekommt es ein Ǧazm, ist also zu spechen. Immer das Lang-ī-Zeichen. Immer das Lang-ā-Zeichen. Anders gesagt: 1800 gab es zwei Systeme, Langvokale zu notieren: das maghrebinische, das immer zwei Teile, ein Vokalzeichen (fatḥa, kasra, ḍamma, imāla-Punkt) und einen Längungsvokal (zum rasm gehörend oder Ergänzung), umfasst. Sowie ein indisches System, das ganz auf Langvokalzeichen beruhte, in dem die im rasm vorhandenen Vokalbuchstaben komplett ignoriert wurden. Das maghrebinische System gilt heute in Afrika und Arabien. Das indische System gilt in der Türkei, in Persien und Indien (und Indonesien) in abgeschwächten Formen. In Indien (und Indonesien) gilt IPak, wo Lang-ā vor (punktlosem) yāʾ weiter benutzt wird, vor alif aber durch Kurz-a + fatḥa ersetzt wurde (hier folgt man dem afrikanischen System), und über ī-yāʾ und ū-wau ǧazm steht + davor kasra und ḍamma um Langvokale auszudrücken (also ähnlich wie in Afrika). Das alte indische System gilt nur noch, wo kein Vokalbuchstabe folgt.Wie verbreitet dies klare indische System war, weiß ich nicht. Eine Handschrift aus Kaschmir verfuhr wie die meisten persischen maṣāḥif.
the various editions of the Qur’an printed today (with only extra-ordinary exceptions) are identical, word for word, letter for letter."Introduction" to The Qur'ān in its Historical Context, Abingdon: Routledge 2008, p.1Was für ein Unsinn. Es gibt wohl tausend verschiedene Arten, Korane zu schreiben oder zu setzen. Dass heißt nicht, dass die Korane Unterschiedliches besagten. Das tun sie nicht. Dafür sind sie ähnlich genug. Die Unterschiede, die der genau gleiche Text, bei der Auslegung erlaubt, sind bestimmt 100x bedeutender, als alle Unterschiede zwischen verschiedenen Drucken. Viele Unterschiede sind rein orthographisch (so wie Folxheršaft und Volksherrschaft, night und nite, le roi und le rwa), andere verändern zwar den Sinn eines Wortes, ja eines Satzes, ändern aber nicht wirklich den Abschnitt. Mir geht es überhaupt nicht um Widersprüche im Koran, um inhaltliche Unterschiede zwischen einem bestimmten und einem anderen, mir geht es nur um Unterschiede der Orthographie (also der Schreibung der Worte und der Regeln). Mir geht es auch nicht um die Unterschiede zwischen den sieben/zehn kanonischen Lesern, den vierzehn/zwanzig Übermittlern, den hunderten Tradenten. Diese betreffen in erster Linie die Lautgestalt (auch mal ein "min" oder "wa", ein alif oder eine Konsonatenverdopplung mehr oder weniger); die Varianten sagen nur, ob man einen Vokal fünffach oder dreifach längt, ob man zwischen zwei Suren die Basmala wiederholt oder vor einer bestimmten ein Takbir spricht. Um all dies geht es mir nicht. Mir geht es um die Unterschiede zwischen osmanischen und marokkanischen, persischen und indischen Koranen ‒ und darum, worin sich der amtliche ägyptische Koran von 1924 von denen davor unterscheidet. Denn darüber zirkuliert viel Unsinn. Korane unterscheiden sich auf hundert Weisen. Dies werde ich nicht systematisch darstellen. Etwa Lesart, Schreibstil, Zeilen je Seite, ob Verse auf zwei Seiten verteilt sein dürfen, ob 30.tel auf einer neuen Seite anfangen müssen, ob rukuʿat im Text und am Rand angezeigt werden, ob die Verse Nummern und ob die Seiten Kustoden haben, ob es ein, drei, vier, fünf, sechs ... oder sechszehn Pausenzeichen gibt. All dies kann vorkommen, wird aber nicht durchdekliniert werden. Den Augenmerk richte ich auf zwei Punkte: die Schreibung der Wörter, sozusagen das koranische Vokabular ‒ wobei aber (anders als im Duden) das gleiche Wort nicht an allen Stellen gleich zu schreiben ist; die Regeln, wie Vokallänge, -kürze und Diphtonge, wie Assimilation von Konsonanten notiert werden. Besonders interessieren mich die Drucke. Es gibt zwei Hauptschreibweisen/Regeln: afrikanisch (maghrebinisch, arabisch) und asiatisch (indopakistanisch, indonesich, persisch, osmanisch): Für lange Vokale brauchen Afrikaner immer zwei Zeichen: ein Vokalzeichen und einen passenden längenden Vokalbuchstaben; steht der nicht im rasm, wird er klein ergänzt (oder ein eigentlich unpassender wird durch ein Wandelalif passend gemacht).
Asiaten haben drei Kurzvokalzeichen und drei Langvokalzeichen (und Sukūn/Ǧazm). Doch nach den heutigen IPak-Regeln benutzt man bei ū und ī die Kurzvokalzeichen, FALLS der passende Vokalbuchstabe folgt. Bei Lang-/ā/ benutzten Perser und Osmanen/Türken immer das Langvokalzeichen, Inder benutzen es heute nur, wenn kein Alif folgt (also wau, [punktloses] yāʾ oder gar kein Vokal); kommt danach ein Alif, bekommt der Konsonant davor nur ein Fatḥa. Bei Lang-/ī/ benutzten Perser und Osmanen immer das Lang-ī-Zeichen (egal ob yāʾ folgt oder nicht); Inder verfahren heute ähnlich wie bei /ā/: folgt kein yāʾ, steht das Lang-ī-Zeichen: vor yāʾ aber steht (nur) Kasra und das yāʾ bekommt ein ǧazm. (nach IPak sind zeichenlose Buchsaben stumm!) Bei Lang-ū setzen die Osmanen "madd" unter ein wau; bei dem gelängten Personalpronomen -hū bleibt die Längung unnotiert. Inder und Indonesier benutzen das Lang-ū-Zeichen, aber das Kurz-u-Zeichen vor wau. Und jetzt kommt meine Beobachtung aus der Vordruckzeit. Um 1800 benutzten Inder immer das Lang-ū-Zeichen, folgendes wau blieb ohne jedes Zeichen: war also stumm (beim Lesen zu ignorieren) ‒ wenn es zweiter Teil des Diphtongs /au/ ist, bekam und bekommt es ein Ǧazm, ist also zu spechen. Immer das Lang-ī-Zeichen. Immer das Lang-ā-Zeichen. Anders gesagt: 1800 gab es zwei Systeme, Langvokale zu notieren: das maghrebinische, das immer zwei Teile, ein Vokalzeichen (fatḥa, kasra, ḍamma, imāla-Punkt) und einen Längungsvokal (zum rasm gehörend oder Ergänzung), umfasst. Sowie ein indisches System, das ganz auf Langvokalzeichen beruhte, in dem die im rasm vorhandenen Vokalbuchstaben komplett ignoriert wurden. Das maghrebinische System gilt heute in Afrika und Arabien. Das indische System gilt in der Türkei, in Persien und Indien (und Indonesien) in abgeschwächten Formen. In Indien (und Indonesien) gilt IPak, wo Lang-ā vor (punktlosem) yāʾ weiter benutzt wird, vor alif aber durch Kurz-a + fatḥa ersetzt wurde (hier folgt man dem afrikanischen System), und über ī-yāʾ und ū-wau ǧazm steht + davor kasra und ḍamma um Langvokale auszudrücken (also ähnlich wie in Afrika). Das alte indische System gilt nur noch, wo kein Vokalbuchstabe folgt.Wie verbreitet dies klare indische System war, weiß ich nicht. Eine Handschrift aus Kaschmir verfuhr wie die meisten persischen maṣāḥif.
Donnerstag, 6. Dezember 2018
Die König-Fuʾād-Ausgabe
Gerade habe ich bei Amazon eine Abhandlung über Korandrucke veröffentlicht:
Dazu und daraus will ich hier bloggen.
Im Lauf der Zeit werde ich wohl alles aus dem Buch bringen ‒ aber langsam...
Seit 1972 in einem zugemauerten Dachboden der Großen Moschee von Ṣanʿāʾ Tausende sehr alter Koranfragmente entdeckt wurden, genauer seit 2004 Sergio Noga Noseda hochaufgelöste Farbphotographien herstellen durfte, seit Wissenschaftler erkannt haben, dass Blätter, die in bis zu sieben verschiedenen Sammlungen aufbewahrt werden, zusammen gehören und man diese ‒ dank online- bzw. Druck-Publikationen ‒ studieren kann, seit man Tausende in Stein geritzte Kurztexte aus Syrien, Jordanien und Sa'udi-Arabien (immer besser) lesen kann, ist die Erforschung der arabischen Sprache und Schrift der Jahrhunderte unmittelbar vor und nach Muḥammad der aufregendste Teil der Islamkunde.
Seit der Zerstörung der Zwillingstürme in Manhattan sind Überlegungen über den Islam als spätantike Zivilisation und/oder mit Judentum und Christentum verwandte Religion besonders beliebt.
Leider äußern sich die ExpertInnen auf diesen interessanten Gebieten auch zu einem Thema, das sie nicht studiert haben ‒ weil nicht interessant genug ‒ und schreiben dazu fast nur Unsinn.
Auf dem Gebiet der gedruckten Koran-Ausgaben muss aufgeräumt werden. Und das will ich hier tun.
Viele deutsche Orientalisten bezeichnenden den amtlichen ägyptischen Koran von 1924/5 als „den Standardkoran“, andere nennen ihn „Azharkoran“.
Über die König-Fuʾād-Ausgabe, den Gizeh-Koran, den Vermessungsamt-Druck (المصحف الشريف لطبعة مصلحة المساحة المصرية), dem 12-Zeiler (مصحف 12 سطر), zirkulieren viele falsche Ideen. Einige glauben, eine Handschrift vor Augen zu haben, Andreas Ismail Mohr und Prof. Dr. Murks nennen sie „Typendruck“. Dabei macht das Nachwort ‒ von 1926 bis 1951 noch deutlicher als 1924/5 und seit 1952 ‒ alles klar. Die von Ägyptens šaiḫ al-maqāriʾ Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād (1282/1865‒1357/ 22.1.1939) ‒ nicht zu verwechseln mit dem Kalligraphen Muḥammad ibn Saʿd ibn Ibrāhīm al-Ḥaddād (1919‒2011) ‒ geschriebene Textvorlage wurde in Būlāq mit fünf Etagen je Zeile gesetzt (Pausenzeichen; fatḥa, damma, sukūn; Buchstaben [bei Grundlinien-hamza inkl. des Vokalzeichens]; kasra; Abstand). Daraus wurden im Vermessungsamt ‒ wo man mit dem Drucken von Landkarten schon Offset-Erfahrung hatte ‒ Druckplatten. Dort wurde auch gedruckt.
Typendruck ist ein Hochdruckverfahren. Die Typen hinterlassen auf dem Papier kleine Vertiefungen: drücken die Druckerschwärze in das Papier. Offset ist ein Flachdruck-Verfahren, bei dem das Papier die Farbe aufsaugt; Vertiefungen kann man nicht finden. Mit den Augen sah Mohr, dass es nicht handgeschrieben war. Dass man aber Typendrucke nur mit dem Tastsinn (nicht dem Gesicht) erkennen kann, weiß er nicht. Und Prof. Dr. Murks auch nicht. „Das ist doch Unsinn, statt aufwändig zu setzen und das EINmal zu drucken, kann man doch besser einen Kalligraphen schreiben lassen.“ Das verkennt den technoiden Genauigkeitssinn der Herausgeber von 1924. Bis heute gibt es außer ʿUṯmān Ṭaha (UT) niemanden, der so genau ist wie der Setzkasten oder der Computer. Zwei Beispiele zu Veranschaulichung.
Während bei UT klar yanhā zu lesen ist, steht in der wunderschönen osmanischen Handschrift naihā; während die drei Vokalzeichen (fatḥa, sukūn, Lang-ā) klar in der richtigen Reihenfolge stehen (es geht ja nicht anders, sie stehen ja alle oben), steht nūn (vielleicht) vor yāʾ (kommt der nūn-Punkt vor den yāʾ-Punkten). Übrigens haben die beiden „Zahn“-Buchstaben bei UT einen Zahn oder Stachel, aber keinen im Hof-Osmanischen! Während es bei UT zwischen heh (ich benutze den Unicode-Namen zur deutlichen Unterscheidung von ḥāʾ) und alif maqṣūra klar nichts gibt, könnte da im osmanischen durchaus ein Zahn sein: Man brauchte nur zwei Punkte darüberzusetzen und es wäre hetā oder so. Zweites Beispiel: wa-malāʾikatihī Während im amtlichen Koran (unten) und bei UT (in der Mitte) VOR dem Zahn über der Grundlinie ein Ersatzalif-mit-madda schwebt, schwebt im Muṣḥaf Qaṭar (oben) unter der Grundlinie ein hamza-kasra NACH Wandel-Alif mit madda, das den yāʾ-Zahn in ein (dehnendes) Alif wandelt. Das ist nicht schlimm (Klang und rasm sind ja gleich), ist aber eine andere Orthographie und darf nach der Vorstellung von Menschen, die im Koran kein Ungefähr dulden, nicht sein. Nun die ganze Seite 3 im Vergleich. Gizeh-Druck und UT: die Amiriya ist kalligraphischer als UT, was man an den Beispielen am rechten Rand erkennt. Alles in allem folgt UT der Vorgabe. Grundlinie und klares von rechts nach links. Nur beim Abstand zwischen Wörtern ist er weniger modern als die Amiriyya (weshalb Dar al-Maʿrifa den Abstand vergrößert hat).
Dazu und daraus will ich hier bloggen.
Im Lauf der Zeit werde ich wohl alles aus dem Buch bringen ‒ aber langsam...
Seit 1972 in einem zugemauerten Dachboden der Großen Moschee von Ṣanʿāʾ Tausende sehr alter Koranfragmente entdeckt wurden, genauer seit 2004 Sergio Noga Noseda hochaufgelöste Farbphotographien herstellen durfte, seit Wissenschaftler erkannt haben, dass Blätter, die in bis zu sieben verschiedenen Sammlungen aufbewahrt werden, zusammen gehören und man diese ‒ dank online- bzw. Druck-Publikationen ‒ studieren kann, seit man Tausende in Stein geritzte Kurztexte aus Syrien, Jordanien und Sa'udi-Arabien (immer besser) lesen kann, ist die Erforschung der arabischen Sprache und Schrift der Jahrhunderte unmittelbar vor und nach Muḥammad der aufregendste Teil der Islamkunde.
Seit der Zerstörung der Zwillingstürme in Manhattan sind Überlegungen über den Islam als spätantike Zivilisation und/oder mit Judentum und Christentum verwandte Religion besonders beliebt.
Leider äußern sich die ExpertInnen auf diesen interessanten Gebieten auch zu einem Thema, das sie nicht studiert haben ‒ weil nicht interessant genug ‒ und schreiben dazu fast nur Unsinn.
Auf dem Gebiet der gedruckten Koran-Ausgaben muss aufgeräumt werden. Und das will ich hier tun.
Viele deutsche Orientalisten bezeichnenden den amtlichen ägyptischen Koran von 1924/5 als „den Standardkoran“, andere nennen ihn „Azharkoran“.
Über die König-Fuʾād-Ausgabe, den Gizeh-Koran, den Vermessungsamt-Druck (المصحف الشريف لطبعة مصلحة المساحة المصرية), dem 12-Zeiler (مصحف 12 سطر), zirkulieren viele falsche Ideen. Einige glauben, eine Handschrift vor Augen zu haben, Andreas Ismail Mohr und Prof. Dr. Murks nennen sie „Typendruck“. Dabei macht das Nachwort ‒ von 1926 bis 1951 noch deutlicher als 1924/5 und seit 1952 ‒ alles klar. Die von Ägyptens šaiḫ al-maqāriʾ Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād (1282/1865‒1357/ 22.1.1939) ‒ nicht zu verwechseln mit dem Kalligraphen Muḥammad ibn Saʿd ibn Ibrāhīm al-Ḥaddād (1919‒2011) ‒ geschriebene Textvorlage wurde in Būlāq mit fünf Etagen je Zeile gesetzt (Pausenzeichen; fatḥa, damma, sukūn; Buchstaben [bei Grundlinien-hamza inkl. des Vokalzeichens]; kasra; Abstand). Daraus wurden im Vermessungsamt ‒ wo man mit dem Drucken von Landkarten schon Offset-Erfahrung hatte ‒ Druckplatten. Dort wurde auch gedruckt.
Typendruck ist ein Hochdruckverfahren. Die Typen hinterlassen auf dem Papier kleine Vertiefungen: drücken die Druckerschwärze in das Papier. Offset ist ein Flachdruck-Verfahren, bei dem das Papier die Farbe aufsaugt; Vertiefungen kann man nicht finden. Mit den Augen sah Mohr, dass es nicht handgeschrieben war. Dass man aber Typendrucke nur mit dem Tastsinn (nicht dem Gesicht) erkennen kann, weiß er nicht. Und Prof. Dr. Murks auch nicht. „Das ist doch Unsinn, statt aufwändig zu setzen und das EINmal zu drucken, kann man doch besser einen Kalligraphen schreiben lassen.“ Das verkennt den technoiden Genauigkeitssinn der Herausgeber von 1924. Bis heute gibt es außer ʿUṯmān Ṭaha (UT) niemanden, der so genau ist wie der Setzkasten oder der Computer. Zwei Beispiele zu Veranschaulichung.
Während bei UT klar yanhā zu lesen ist, steht in der wunderschönen osmanischen Handschrift naihā; während die drei Vokalzeichen (fatḥa, sukūn, Lang-ā) klar in der richtigen Reihenfolge stehen (es geht ja nicht anders, sie stehen ja alle oben), steht nūn (vielleicht) vor yāʾ (kommt der nūn-Punkt vor den yāʾ-Punkten). Übrigens haben die beiden „Zahn“-Buchstaben bei UT einen Zahn oder Stachel, aber keinen im Hof-Osmanischen! Während es bei UT zwischen heh (ich benutze den Unicode-Namen zur deutlichen Unterscheidung von ḥāʾ) und alif maqṣūra klar nichts gibt, könnte da im osmanischen durchaus ein Zahn sein: Man brauchte nur zwei Punkte darüberzusetzen und es wäre hetā oder so. Zweites Beispiel: wa-malāʾikatihī Während im amtlichen Koran (unten) und bei UT (in der Mitte) VOR dem Zahn über der Grundlinie ein Ersatzalif-mit-madda schwebt, schwebt im Muṣḥaf Qaṭar (oben) unter der Grundlinie ein hamza-kasra NACH Wandel-Alif mit madda, das den yāʾ-Zahn in ein (dehnendes) Alif wandelt. Das ist nicht schlimm (Klang und rasm sind ja gleich), ist aber eine andere Orthographie und darf nach der Vorstellung von Menschen, die im Koran kein Ungefähr dulden, nicht sein. Nun die ganze Seite 3 im Vergleich. Gizeh-Druck und UT: die Amiriya ist kalligraphischer als UT, was man an den Beispielen am rechten Rand erkennt. Alles in allem folgt UT der Vorgabe. Grundlinie und klares von rechts nach links. Nur beim Abstand zwischen Wörtern ist er weniger modern als die Amiriyya (weshalb Dar al-Maʿrifa den Abstand vergrößert hat).
Ebenfalls von Seite 3 Vergleich von Muṣḥaf Qaṭar und UT. Im ersten und letzten Beispiel setzt Abū ʿUmar ʿUbaidah Muḥammad Saliḥ al-Banki die yāʾ-Punkte nicht GENAU unter den Zahn (im ersten Fall wegen des nahen nūn, im zweiten Fall aus Nachlässigkeit). Drei Fälle zeigen Zahn-Buchstaben ohne Zahn. Und ein Knuddel-mīm, was dessen Vokalzeichen (für moderne Leser) falsch sitzen lässt: das mīm steht rechts vom lām, das mīm-Vokalzeichen steht aber links, weil das mīm nach dem lām zu sprechen ist. Es steht also zu Recht „falsch“.
Bevor ich aufhöre (für Heute): ein Stadtplan von Kairo 1920, auf dem ich die Amīriyya und das Grundbuchamt mit Pfeilen in Nil gekennzeichnet habe, außerdem Midan Tahrir und die Stelle, wo neuerdings die Regierungsdruckerei ist. Ferner das Erziehungsministerium und die Nāṣirīya, wo drei der Herausgeber tätig waren.
Alles rechts des Nils plus den Inseln ist Kairo, alles links davon (Imbaba, Doqqi, Gizeh) gehört nicht nur nicht zur Stadt Kairo, sondern liegt in einer anderen Provinz.
Wichtig: Setzerei und Offset-Werkstatt waren mit Auto, Straßenbahn und Boot gut verbunden. Die montierten Seiten hatten keinen weiten Weg.
Die beiden arabischen Texte sind die Druckvermerke von 1924 und 1952, beide aus den Exemplaren der Preußischen Staatsbibliothek, die fünf Ausgaben besitzt.
Und hier die allerletzte (unpagnierte) Seite des Urdruck.
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