Samstag, 15. Dezember 2018

Der Azhar-Koran I

Da offensichtlich zwischen 1976-85 wenige Deutsche im Nahen Osten Korandrucke erwarben,

und seither wenige bei Mus­limen in die Schub­laden ge­schaut haben,

findet man den Muṣḥaf al-Azhar aš-Šarīf nicht im Netz.
Dabei hat die Staats­drucke­rei ihn da­mals in allen nur er­denk­lichen Größen und Ein­bän­den her­ge­stellt.
Ich besitze ihn nur in zwei Aus­gaben: klein mit Plastik­ein­band, mittel­groß mit Hart­pappe­deckeln.
Fortsetzung folgt.

Freitag, 14. Dezember 2018

Kabul 1352/1934

Bobzin schreibt, der Gizeh-Koran habe eine Welle von Korandrucken ausgelöst, was schlicht falsch ist.
So wie die Erfindung des Steindrucks um 1813 die erste Welle von Korandrucken zur Folge hatte, so mag Offset eine zweite Welle ausgelöst haben -- aber diese Welle ist reine Behauptung. Bobzin liefert weder Zahlen zu Koran­ausgaben, noch zu -auflagen.
Aber éinen Druck hat Gizeh24 wohl bewirkt. Der afghanische König Imānu-llāh Ḫān besorgte die nötige Ausrüstung.
Unter seinem Nachfolger erschien 1352/1934 ein Druck mit vielen Indices. Der "indische" Text wurde gesetzt und dann wurden Druck­platten gemacht --
genau wie ein Jahrzehnt davor in Bulaq + Gizeh.
In diesen beiden Zeilen sieht man deutlich, dass die Formen gesetzt (nicht hand­geschrieben) sind. Und an dem hoch­gesetz­ten End-yāʾ und an der nach­träg­lich hoch ein­gesetz­ten nicht-kufi­schen Versende, an dem nicht zu stoppen ist, sieht man, dass danach mani-puliert wurde, was so bei einem Typendruck nicht geht.




Der Text der ersten Seiten ist hand­geschrieben.
Wie in indischen maṣāhif üblich beginnen alle 30igstel oben auf einer rechten Seie und sind hervorgehoben.
Beginn von Surat qāf.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Pausenzeichen in Indien

Heute werden in Arabien fünf Pausen­zeichen benutzt.
In Indien gibt es deutlich mehr.
Und vor 100 jahren waren noch mehr Zeichen in Gebrauch,
die teils auch im afghanischen Druck und im osmanischen Reich benutzt wurden.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Mushaf Qatar ‒ kāḏiba

Den Gizeh-Koran mit seinen fast 900 Seiten kauften nur Orientalisten.
Der einfache Ägypter zog die 522 Seiten (erst von Muṣṭafā Naẓīf Qadir­ġalī, seit 1975 von Muḥammad Saʿd Ibrāhīm al-Ḥaddād ge­schrie­ben) vor, nach 1976 auch den genau­so kom­pakten (ge­setzten) Azhar-Koran.
1977 begann ʿUṯmān Ṭahas Siegeszug: den 1952er Text der Amīrīyya im Stile der Amīrīyya auf den 604 Seiten der Aus­gaben von Kayış­zâde Hâfız Osman: Hand­schrift so genau wie Type, noch liga­tur­ärmer als Type: ruhiges Schrift­bild, leicht zu lesen.
Das Sechstel der Muslime, das zwischen Nil und Tigris lebt (und deren Dia­spora), haben heute Aus­gaben dieses Typuses.
Die folgen alle der Ortho­gra­phie der Amī­rīy­ya-Aus­gabe von 1952, die etwa 900 mal vom "Stan­dard­koran" von 1924 ab­weicht ‒ zwar nur drei Stel­len mit ande­rem rasm, mal ein an­ders sit­zen­des Ham­za, grund­sätz­lich andere Suren­über­gänge (näm­lich mit der Bas­mala) und Suren­titel­käst­chen (näm­lich ohne Angaben zur Offen­barungs­reihen­folge), sowie sehr viele andere Pausen.


Logo der Mushaf Qatar App.

Mit einer Ausnahme:
Muṣḥaf Qaṭar weicht an einer Stelle ab.
Sure 56, Vers 2, kāḏiba
Der Gizeh-Koran schreibt es mit alif, wie Türken, Inder und Perser.
ʿUṯmān Ṭaha, Syrien, Dubai, Oman, Baḥrain, sie alle schrei­ben es mit alif.
Qaṭar aber schreibt es ‒ so wie man in Marokko, im Senegal und Medina (Warš) schreibt ‒ mit Ersatz­alif.
Dürfen die das?

Aber sicher. An der Klang­gestalt (kāḏiba), am Sinn ändert sich nichts.
Und sie haben nicht nur die Maghre­biner auf ihrer Seite, sondern auch das Manu­skript, das Tayyar Altı­kulaҫ (IRCICA) kurz vorher her­aus­ge­ge­ben hat: der dem dritten Kalifen zuge­schrie­bene ägypti­sche muṣḥaf, der sich heute im Topkapi Palast­museum befindet.
Der Koran ist in erster Linie mündlich (über­liefert).
Man schreibt ihn wie man will.
Zur Zeit demon­striert das das dem iranischen Revolu­tions­führer unterstellte Zentrum zum Druck und zur Ver­breitung des Koran:
Sie wollen eine möglichst wenig verwirrende Schreibung.
Wenn sie für die von ihnen bevorzugte Schrei­bung ein Vorbild oder eine Autori­tät finden, dann ist's gut,
Aber 17 Wörter schreiben sie nach ihren Vor­stellungen, ohne dafür ein gutes Vor­bild zu haben -- und sind stolz darauf.
Diese 17 finden Sie in meinem Amazon-Buch "Kein Stadard", wobei ich ent­deckt habe, dass sie an weiteren Stellen plene schreiben, obwohl das die rasm-Autori­täten nicht erlauben und auch nicht in den vom Zentrum genannten guten Vorlagen vorkommt, sondern höchstens in "schlechten" osmani­schen oder persi­schen Ausgaben.
Sie folgen Qaṭar bei kāḏiba nicht, obwohl es Parallelstellen gibt, wo sie Ersatzalif haben,
obwohl normales Alif einfacher ist als Ersatzalif.
Ich wage die Behauptung: Hätten sie ihre Aus­gabe nach dem Bruch zwischen Saʿudi-Ara­bien und Qaṭar heraus­ge­geben, hätten sie sich der Schrei­bung des muṣḥaf Qaṭar ange­schlos­sen.



Ledriges Logo des Mushaf Qatar.

Dienstag, 11. Dezember 2018

frei mixbar

Koranskripte und -drucke kann man nach zig Kriterien einteilen:
‒ ist alles in éinem Duktus geschrieben?
‒ sind die Suren in éinem Duktus geschreiben (also nur Titel, Basmala, Margi­nalien, Kusto­den in anderen)?
‒ sind die Suren in Nasḫī, Maghrebi, Sudani, Thuluth ... ge­schrieben?
‒ dürfen Verse auf zwei Seiten geteilt stehen?
‒ sind sieben Siebtel und zwei Hälften angezeigt?
‒ dürfen 30igstel irgendwo auf der Seite anfangen?
‒ wo genau sind die Grenzen der 30. 60. 120. 240.?
‒ sind rukuʿāt im Text / am Rand markiert?
‒ gibt es Randnoten?
‒ sind saǧadāt und/oder sakatāt auch am Rand ange­zeigt?
‒ stehen Name und/oder Nr. der Sure in der Kopfzeile?
‒ stehen Name und/oder Nr. der 30igstel in der Kopf­zeile?
‒ Stehen 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 Zeilen auf einer Seite?
‒ werden im Titelkasten die Anzahl der Verse in der Sure
   ‒ die davor geoffenbarte Sure und die danach an­ge­geben?
‒ werden die Zeilen durch Striche getrennt?
‒ wie werden Langvokale angegeben?
‒ wird die Kürzung von Vokalen notiert?
‒ wird ʾā (hamza+Alif) ءا oder اٰ geschrieben?
‒ wird bei Alif-waṣl angegeben, mit welchem Vokal einzusetzen ist, falls denn ein­ge­setzt wird?
‒ gibt es nūn qutni/ ṣila-nūn?‒ ein kaṣra zwischen tanwīn und alif-waṣl, das in Indien "mini-nūn", auf Arabisch Verbindungs-nūn heißt.
‒ nach welchem System sind die Vers­enden mar­kiert?
‒ sind diese mit Zahlen versehen?
‒ welche Pausen­zeichen gibt es?
‒ wer legt die Pausen fest?
‒ geht man am Suren­ende davon aus, dass gleich die nächste Sure gelesen wird?
   ‒ mit oder ohne der Basmala?
‒ wird die Assimiltion von vokal­losem nūn ange­zeigt?
‒ wird die Emphase bei normaler­weise nicht empha­tischen Buch­staben an­ge­zeigt?
‒ gibt es ein mittiges u-Hamza?
‒ gibt es ein, zwei oder drei madd-Zeichen?
‒ welcher rasm-Autorität oder welchem Manuskript folgt man dabei?
‒ welcher Lesart, Überlieferung, Weg folgt man?
Theoretisch sind alle diese Dinge unab­hängig von­ein­ander.
Das kriegen sogar Exper­ten nicht in ihren Schädel, schrei­ben dann, dass man bei Qālūn so und so schreibe, ob­wohl das nichts mit Qālūn zu tun hat, sondern mit ad-Dānī; sie werfen das wegen der berühm­ten liby­schen (von Abū Bakr as-Sāsī al-Maġribī geschriebenen) Ausgabe in einen Topf. Hier eine Zusammen­stel­lung: sechs man Ḥafṣ oben, drei mal Qālūn unten, da­zwischen Warš, bei allen Über­lie­ferungen gibt es insān mal so, mal so ge­schrie­ben; Über­lie­fe­rung und rasm-Autori­tät sind unab­hängig von ein­ander (auch wenn Warš fast immer à la Ibn Naǧāḥ ge­schrieben wird).
In der Praxis sind die meisten Texte in Sudānī in der Über­liefe­rung Warš, fol­gen meist Ibn Na­ǧāḥ, haben drei waṣl-Zeichen, drei hamza-Zeichen, kein nun quṭnī, kein rukuʿ-Zeichen, haben kleine Ersatz­buch­sta­ben zur Län­gung, haben keine Lang­vokal­zeichen ...
Es gibt aber Aus­nahmen:
So gibt das Zen­trum in Tehran (مرکز طبع و نشر قرآن کریم Markoz Ṭabʿ-o Našr) Drucke mit seinem Privat-rasm in indischen Stil, in persi­schen (Nairizī) und arabischen Stil (Uṯmān Ṭaha) heraus.
Und in Tunis sind zwei Aus­ga­ben von Ḥafṣ im maghre­bi­nischen Duktus faksimiliert worden.
Von Zuhair Bāš Mamlūk ge­schrie­bene Doppel­seite: die Lesart Ḥafṣ im maghribinischen Stil:

Hier eine Stelle aus dem Skript auf 60 Seiten mit der Stelle aus Surat ar-Rūm, wo dreimal das ḍād mit fatḥa (schwarz) oder ḍamma (rot) gelesen werden kann.

Das ist Ḥafṣ auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht ‒ Ḥafṣ hat kein festes Aussehen von Zubair ibn ʿAbdallah al-Ḥanafī für ḥanafi­tische Osmanen in Tunis geschreiben.

Montag, 10. Dezember 2018

Wortabstand

Die Schrift sprang nicht fix und fertig aus dem Ei.
Latein hatte erst nur Groß­buch­staben und wurde ohne Punkt und Komma continuier­lich ge­schrie­ben.
Später gab es Mitte-Punkte zur Markie­rung der Wort­grenzen.
Um 800 schrieb man Kleinbuchstaben.
Klein- und Großbuchstaben auf der gleichen Seite.
Später wurde das systematisiert: Satzanfänge, Namen, (Sub­stan­tive,) Wichtiges wurde durch Groß­buch­staben hervor­ge­hoben.















Alle wissen, dass Arabisch erst keine Diakritika und keine Vokal­zeichen hatte,
aber es hatte auch keinen Wort­abstand.
Die Grenze markierte man durch spezielle Buch­staben: End­buch­staben (Iso-Form, falls davor kein ver­binden­der Buch­stabe stand).
Da das häufige wau keinen End-Buchstaben hatte, und Alif sehr oft am Anfang stand)
‒ und es nie Alif + Alif IM Wort gibt,
setzte man nach wau am Wortende ein stummtes Alif;
damit war die Sache klar:
die Wortgrenze verläuft zwischen den zwei Alifs.

Und so wie fett-a und kursiv-a keine extra Buch­staben sind,
Groß-A aber doch,
so sind maghrebi-ع, diwani-ع, thuluth-ع keine extra Buchstaben, ـعEnd aber doch.
Alle Experten plappern nach, was man den Kindern im ersten Schuljahr beibringt:
arabische Buchstaben haben vier Formen.
Stimmt aber nicht: Wie bei uns für den /a/-Laut einen normalen und einen Anfangs-/Substantiv-Buch­staben gibt,
so gibt es im Arabischen für /b/ einen normale und einen End-Buch­staben.
Formen gibt es fast so viele, wie es Buch­staben dahinter und davor geben kann.

Die Schreibmaschine zeigt wie es wirklich ist:
10x eine From
16x zwei Formen.
Aber Unicode war so dumm wie die Erstklässler:
Sie legten als internationalen Standard fest:
Arabische Buchstaben haben vier Formen!

Sonntag, 9. Dezember 2018

Vokalkürzung

Bei Langvokalen und bei der Assimila­tion von Kon­sonan­ten sind Afrikaner und Araber genau.
Doch bei der Vokalkürzung ‒ dem kurz-Sprechen von lang-Ge­schrie­benem ‒ sind sie über­heb­lich nach­lässig.
Das ist bei den Machern des Gizeh-Korans und bei Dar al-Maʿrifa beson­ders ärger­lich:
Wenn man schon Zeichen für abso­lu­te Stumm­heit (den Kreis), für Stumm­heit, wenn nicht davor eine Pause ein­ge­halten wird (das waṣl-Zeichen) und für Stumm­heit, wenn danach keine Pause kommt (die Null) ein­führt ‒ was an sich löb­lich ist ‒, dann ist es eine Unver­schämt­heit, fest­zulegen, dass letz­te­res Zeichen nur ver­wendet ist, wenn die Sache nicht selbst­ver­stänlich ist.
Ich will das am Schluss des siebten Verses der dritten Sure ver­deut­lich, dem Vers, den ich in meinem Bilder­buch "Kein Standard" zig mal ‒ mit jeweils anderen Pausen(­zeichen) ‒ zitiere, zeigen:


Um das Bild g r o ß zu sehen, klicken Sie ‒ wie in allen blogger.com-Blogs ‒ auf das Mini-Bild und dann mit rechts auf das rößere Bild, dann "Grafik in neuem Tab öffnen", dann in den neuen Tab und (falls zu sehen) auf Plus, et voilà.
Es geht um das vorletzte Wort:
In der ersten (indischen) Zeile sehen sie nach „ʾilā“ ulu mit zwei kurzen /u/, ge­schrie­ben mit ḍamma und NICHTS über beiden wau, die also beide beim Lesen zu igno­rie­ren sind.
Darunter UT, Muḫalla­lātī und Alger 1931 mit einem Kreis über dem ersten wau und über dem alif nach dem zweiten wau (und waṣl über dem zwei­ten alif),
doch über dem zweiten wau fehlt die Null, weil nach den zwei stummen Alifs zwei Kon­sonan­ten, nämlich lām und hamza, kommen, steht das wau in einer ge­schlos­senen Silbe, ist "also" (ha ha ha) kurz.
Auch im osma­nischen mushaf steht zwar unter dem ersten wau qaṣr, nicht aber unter dem zu kürzen­den zweiten wau.
So verfährt auch Dar al-Maʿri­fa: Lässt das zweite wau schwarz.
In Indonesien jedoch sind zwei wau und zwei alif himmel­blau = stumm.
In meiner taǧwīd-Fassung sind alle Buch­staben, die absolut stumm sind (die alifs tra­gen ja ‒ nach heutigem Ver­ständ­nis nur die hamzāṭ, sind als alifs stumm), nur in Um­ris­sen zu sehen. Das zweite wau aber ist grau, weil im Kontext ge­kürzt.
Die Ausgabe von Dar al-Riyaḍa (mit den Drei­ecken über den Buch­staben) ver­fährt wie die indo­ne­si­schen,
die türkische taǧwīd-Aus­gabe hat eben­falls vier graue Buch­staben ‒ die Ovale über den lāms ent­sprechen ǧazm = bedeuten Vokal­losig­keit.

Iran VI (1886)