Samstag, 8. Dezember 2018
der 1924er, Gizeh
Der Gizeh-Koran
‒ ist kein Azhar-Koran
‒ hat keine Welle von Korandrucken ausgelöst,
weil es endlich einen festen, autorisierten Text gab
‒ wurde nicht umgehend der von Sunniten und Schiʿiten akzeptierte Koran
‒ trug nicht wesentlich zur Verbreitung der Lesung Ḥafṣ bei,
er wurde weder 1923 noch am 10.7.1924 veröffentlicht.
Doch er vertrieb die grottenschlechte Gustav-Flügel-Ausgabe aus deutschen Studierstuben,
‒ hatte ein Nachwort namentlich genannter Herausgeber,
‒ gab darin seine Quellen an,
‒ übernahm ‒ außer der kufischen Zählung,
und den Pausenzeichen, die auf östlichen Quellen fußten
‒ den maghrebinischen rasm (weitgehend nach Abū Dāʾūd Ibn Naǧāḥ)
‒ die maghrebischen kleinen Ersatzvokale zur Längung
‒ die maghrebischen Unterteilung der Dreißigstel (jedoch ohne Achtel-ḥizb)
‒ die maghrebischen Grundlinienhamzae vor Alif am Wortanfang (ءادم statt اٰدم).
‒ die maghrebischen Falschschreibung von /allāh/ als /allah/
‒ die maghrebische Schreibung am Surenende, die davon ausgeht, dass unmittelbar danach die nächste Sure gesprochen wird (und zwar ohne Basmala): tanwin wird entsprechen modifiziert.
‒ die maghrebischen Unterscheidung in drei Sorten tanwin (übereinander, nacheinander, mit mīm)
‒ die maghrebischen Abwesenheit von nūn quṭni.
‒ die maghrebischen Nicht-Schreibung der Vokalkürzung
‒ das maghrebisch (und indische) Herunterziehen des hmaza-Zeichens durch kasra
nach G24 zieht kasra das Hamza runter, während es im Osmanischen und Persischen oben bleibt.
Neu war die Differenzierung des maghrebischen Sukūn in drei Zeichen:
‒ das ǧazm in Form eines ǧīms ohne Schwanz und ohne Punkt für Vokallosigkeit,
‒ den Kreis für „immer zu überlesendes Zeichen“,
‒ die Null für „hier zu überlesendes Zeichen“.
‒ plus der Abwesenheit jedes Zeichen für Nicht-zu-Sprechend, da assimiliert.
Ferner Wortabstand,
Grundlinienorientierung und
exakte Platzierung von Punkten und Strichen.
Offset brachte gegenüber Typendruck das Höher-Setzen von kasras:
Statt unter den Buchstaben sind sie unter dem Kernbuchstaben: auf Höhe der Unterlinien (م ) und Schwänzen (ح ع س ص ـهـ ل ي ).
Dazu wird ein Bürstenabzug der gesetzten Seite gemacht. Dann werden die kasras rausgeschnitten und etwas höher geklebt:
so tief wie م oder in den Schwanz von ح ع .
Er war auch nicht der erste "innermuslimische Korandruck".
Neuwirth mag sich mit dem Koran auskennen, von Korandrucken hat sie null Ahnung,
denn seit 1830 gab es viele, seit 1875 sehr, sehr viel Korandrucke von Muslimen
und schon an den sechs St.Petersburger Drucken von 1787-98 waren Muslime stark beteiligt.
Ein Typendruck war es auch nicht, sondern ‒ wie alle außer Venedig, Hamburg, Padua, Leipzig,
St.Petersburg, Kazan, zweien in Tehrān (mit den gleichen Typen), zweien in Hooghli, zweien in Calcutta und einem in Kanpur
‒ Flachdruck, wenn auch nicht mehr mit Steinplatte, sondern Metallplatte.
Es war auch nicht der erste, der von sich sagte, „den rasm al-ʿUṯmānī“ wiederzugeben.
Zwei Titelseiten von Lucknow-Drucken von 1870 und 1877.
1895 erschien in Būlāq ein Koran im ʿuṯmānischen rasm, was vielleicht „unvokalisiert“ bedeutete.
Kitāb Tāj at-tafāsīr li-kalām al-malik al-kabīr taʼlīf Muḥammad ʿUṯmān ibn as-Saiyid
Muḥammad Abī Bakr ibn as-Saiyid ʻAbdAllāh al-Mīrġanī al-Maḥǧūb al-Makkī.
Wa-bi-hāmišihi al-Qurʼān al-Maǧīd marsūman bi’r-rasm al-ʿUṯmānī.
Bis auf die Folge IsoHamza+Alif, die 1890 und 1924 aus dem Maghreb übernommen wurde (alif+madda ging ja nicht, da madda zur Längung schon vergeben war) ist hier schon alles so wie 1924.
Der Text der KFA ist übrigens keine Rekonstruktion, was Bergsträßer Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād einfach geglaubt hat: Er folgt nicht genau
Abū Dāʾūd Sulaiman Ibn Naǧāḥ al-Andalusī (gest. 496/1103)
und auch nicht Abu ʿAbdallah Muḥammad ibn Muḥammad al-Ḫarrāz (gest. 718/1318),
sondern (außer an etwa 100 Stellen) den gängigen Warš-Ausgaben.
Auch die Übernahme vieler marokkanischer Besonderheiten (siehe oben),
die teils 1952 revidiert wurden, plus dem Fallen-Lassen von asiatischen Zeichen ‒ plus der Tatsache, dass das Nachwort zu Beidem schweigt ‒ ist ein klares Zeichen dafür,
dass al-Ḥusainī al-Ḥaddād al-Mālikī eine Warš-Ausgabe adaptierte
‒ d.h. deren Schreibung (ent-waršet) übernahm, nicht ihr layout.
Alle ägyptischen Leser kannten die Lesungen Warš und Qālun.
Als Malikī kannte al-Ḥusainī al-Ḥaddād vermutlich Warš-Ausgaben
noch besser als die meisten.
Es gab den angeblich 1924 etablierten Text nicht nur im Maghreb und
in Kairiner Warš-Drucken, sondern auch schon in Būlāq gesetzt im Jahrhundert davor.
Nun zum Erscheinungsdatum.
Man findet 1919, 1923, 1924 und 1926 in Bibliotheken und bei Gelehrten.
Nach heutigen bibliothekarischen Regeln gilt 1924, weil das steht im Erstdruck
Es stimmt aber nicht. Es steht nämlich in dem Werke selbst, dass sein Druck am 10.7.1924 abgeschlossen worden sei. Das kann aber nur bedeuten, dass an diesem Tag der Druck des qurʾānische Textes abgeschlossen worden war. Die Widmung für den König, die Nachricht über den Abschluss des Druckes kann erst danach gesetzt worden sein; sie und das gesamte Nachwort wurden erst danach gedruckt, und das Werk ‒ ohne Titelseite, ohne Gebet zum Abschluss ‒ wurde erst danach ‒ wohl wieder in Būlāq, wo schon gesetzt und montiert worden war ‒ gebunden ‒ und das war erst 1925, es sei denn man hat erstmal zehn Exemplare gebunden und die dann "veröffentlicht", was nicht wahrscheinlich ist.
Weil in Wikipedia Fuʾāds Königsmonogramm als das seines Sohnes ausgegeben wird,
hier seins (wenn auch völlig belanglos):
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Muṣṭafā Naẓīf Kadırğalı مصطفى نظيف الشهير بقدروغلى hat weder 106 1/2 maṣāḥif geschrieben, wie sein Zeitgenosse Hafez Osman, der Jüngere ‒...
Schade, dass Du nicht sagst, wer die -- Deiner Ansicht nach -- falschen Aussagen gemacht hat. Wie kann es sein, dass wenn der Koranexperte Bobzin sagt, es sei ein Azhar-Koran, er habe eine Welle von Drucken ausgelöst, weil endlich ein fester Text gegeben war ... Wie kann es sein, dass das schlicht nicht stimmt?
AntwortenLöschenEs stimmt halt nicht. Bergsträßer nennt ihn "den amtlichen". Der Hauptherausgeber war Ägyptens oberster Rezitator, die drei anderen Herausgeber kamen vom Erziehungsministerium bzw. der Pädagogischen Hochschule. Jahre später haben der Chefkorrekurleser der Staatsdruckerei und ein Azhar-Scheikh die Richtigkeit bestätigt. -- Auch, dass es vorher keinen festen Text gegeben habe, ist Unsinn -- oder dass es danach *einen* festen gegeben habe.
LöschenAlso ich finde das nicht so erstaunlich. Bobzin ist (ausweislich seines Lebenslaufs und seiner Veröffentlichungsliste) ein Experte für Koranforschung, aber das bedeutet nicht, dass er auch ein Experte für Korandrucke ist. Das ist nun mal ein Spezialgebiet, und die Koranforschung hat so viele Zweige, dass keiner in allen Zweigen firm sein kann.
LöschenUnd das schöne Buch „Kein Standard – Druckausgaben des Koran“ wurde ja erst vor Kurzem veröffentlicht, weshalb er dort nicht nachlesen konnte.