Orientalisten behaupten gerne, dass die KFA in Ägypten immens populär gewesen sei
und in der gesamten islamischen Welt verbreitet.
Beides ist völliger Unsinn.
Trotzdem ist sie wichtig und wirkt bis heute.
Bis 1924 war die osmanische Schreibung (مالك العالمين الكيتاب) dominant ‒ wobei es
durchaus auch defektive Schreibung gab. Danach breitet sich die defektive aus ‒
"plene"-Schreibung hielt sich bis in die 1960er Jahre, heute
findet man sie nur noch vereinzelt als Basistext zu ausführlichen Kommentaren.
Dass die "plene" Schreibung nicht
wirklich plene ist, entnehme man
den letzten Teil dieses posts.
Die Ausgaben der Amīriyya (827 Seiten zu zwölf Zeilen, kein Titelblatt, kein Titel auf
dem Einband, separate Paginierung für die "Zugaben") waren nur bei Orientalisten beliebt.
Ägypter bevorzugten die 1308/1891 von Muṣṭafa Naẓīf auf 522 zu
15 Zeilen geschriebene Fassung, die es jetzt an die neue Schreibung angepasst gab.
Hier zwei halbe Seiten aus dem 522er,
links nach den afro-arabischen Regeln Q52, rechts im Original: osmanisch:
Hier von zwei Verlagen Anpassungen von MNQ an die Orthographie der KFA:
In den 1960ern ließ der Widerwille gegen gesetzten Text nach.
Durch (Schul-)bücher und Zeitungen war man daran gewöhnt.
Und während einige Leser für den Abstand zwischen den Zeilen
und zwischen den Wörtern dankbar waren, verlangten viele
kompaktere Ausgaben. So zerschnitten Verleger die Filme des Original
und klebten es auf dem Lichttisch neu zusammen: mehr und längere Zeilen:
Hier Seiten zu 15, 14 und (den originalen) 12 Zeilen (aber "privatem") Rahmen:
1960 gab es in Taschkend einen Reprint der 1952er:
Mitte der 1970er stellte die Amīriyya den Druck der KFA ein,
brachte statt dessen den Muṣḥaf al-Azhar aš-Šarīf in diversen
Formaten und Ausstattungen heraus.
1983 gab es noch einmal das Original: aus Cambridge und Stuttgart
: Wie beim Original ohne Titel auf dem Einband. Nach dem farbigen Schmuckseiten folgen die drei Ausgaben dem von 1952.
Wo einst Fuʾād erwähnt wurde gibt es ein graphisches Element.
In Wirklichkeit in Farbe:
Leider wurde die Erklärungen neu – schlechter als in Kairo –
gesetzt. Hier der Anfang im Vergleich:
Und die Ḫātima hat gar keine Unterschriften:
Wer sich vor 2016, als der 1924er Druck ins Netz gestellt wurde,
ein Bild von der Erstausgabe machen wollte, und nicht gerade in Berlin saß,
wo die Preußische Staatsbiblithek ein Exemplar besaß, oder in München an
Gotthelf Bergsträßers gelangen konnte, hatte vielleicht die Möglichkeit den
1955er Pekinger Nachdruck zu erwerben ‒ auf dem gleichen Papier wie 1924, aber
mit Titelblatt und mit sinierten graphischen Elementen.
1975 gab es in Qaṭar einen Nachdruck der 1952 Fassung
aber mit der "Ḫātima" von 1924:
Genau genommen handelt es sich nicht um einen Nachdruck,
sondern um eine modifizierte/ geänderte/ verfälsche/ verbesserte Fassung:
Die qatarische Fassung hat nicht nur ein Titelblatt
und eine neue Bestätigung der Richtigkeit, eine fünfseitige duʿa,
was es im Original nicht gibt;
es fehlen auch die sieben Seiten über die Unterschiede zwischen 1924 und 1952,
es sind auch auch die Ausnahmen beim Veröffentlichkeitsort verschwunden.
Die Madina-Ausgaben haben den Veröffentlichkeitsort aus
dem SurenTitelKasten ganz verbannt,
Qaṭar behält den HauptVeröfftlichkeitsOrt bei,
lässt aber die Ausnahmen weg ‒ was doch komisch ist.
Außerdem sind die PausenZeichen nicht nachgedruckt.
Samstag, 26. Juni 2021
Donnerstag, 24. Juni 2021
Casablanca-Habous Anouk Cohen
Anouk Cohen hat in einem der Buchläden (mit Verlag) im Habous-Viertel von Casablanca teilnehmend beobachtet und darüber an die zehn Artikel und ein Buch veröffentlicht.
Interessant ‒ leider voller Fehler.
C’est en 1923 au Caire à Al-Azhar ... qu’apparaît sous l’égide du roi Fouad Ier, le premier Coran imprimé en caractères mobiles. Ce Coran dit « Coran du Caire » est rapidement devenu l’équivalent d’une édition « officielle », largement diffusée à travers le monde musulman‒ es gab schon vorher Typendrucke des Koran (Venedig, Hamburg, Padua, St.Petersburg, Kazan, Täbriz, Leipzig, Calcutta)
"L’économie du Livre saint dans le Maroc contemporain" in Les Cahiers du C.A.P. Créations Arts Patrimoine, Publications de la Sorbonne, 2015. ffhal-01631945
‒ ‒ das von ihr vorher erwähnte Holland ist Unfug; es ist keine vollständige Ausgabe des Korans, sondern ein paar Verse für den Arabischunterricht.
‒ die König-Fuʾād-Ausgabe war KEIN Typendruck
‒ ‒ es wäre auch nicht der erste
‒ es war nicht 1923
‒ es war nicht an der Azhar, sondern bei der Staatsdruckerei (dem Katasteramt und dem Erziehungsministerium)
‒ nur Dummköpfe nennen die König-Fuʾād-Ausgabe "KairoKoran" ‒ schon weil es wohl tausend verschiedene Kairodrucke des Korans gibt
‒ ja, er war in Ägypten "amtlich", aber im Rest Ostarbiens erst um 2000, und bei 4/5 der Muslime ist er es nicht: Inder, Indonesier, Türken, Perser verwenden ihn nicht.
‒ ‒ genau genommen, benutzen ihn nur Orientalisten. Heute haben jedoch Ostaraber Ausgaben, die seinem Text, seinen Pausenzeichen, seiner Verszählung weitgehend folgen ‒ eigentlich der Ausgabe von 1952, der zwar nur an drei Stellen einen anderen rasm hat, aber völlig andere Pausen und andere Übergänge zwischen den Suren (indische Ausgaben berücksichtigen das Lesen der nächsten Sure nicht, die 1924er Ausgabe nimmt an, dass nach dem letzten Wort der einen Sure, das erste Wort der nächsten kommt. Maghrebinische Ausgaben sowie die Ausgaben nach 1952 nehmen an, dass die Basmala kommt).
‒ ‒ es gibt kaum Exemplare der Erstausgabe, die bibliographisch 1342/1924 erschien, in Wirklichkeit aber erst (fertig gebunden) 1925. Die Staatsdruckerei hat sie nie unverändert nachgedruckt, niemand hat sie unverändert reprinted. Erst seit 2016 findet man sie im Netz. (bei CC ohne die Seiten zum König, zu den Prinzipien der Ausgabe, der Erklärung der Zeichen, den Namen der Herausgeber, dem Index, dem Druckhinweis)
la lithographie ... reprodui[t] le tracé effectué à l’encre ou au crayon sur une pierre calcaire ou une plaque métalliqueist ‒ offensichtlich ‒ falsch: nur Steindruck ist Steindruck; Metallplatten benutzt man bei Offset.
La [manière la] plus économique consiste à scanner les pages d’un CoranNoch billiger ist es, den Text der Seiten (ohne Titelei, ohne Rahmen) kostenlos herunterzuladen. (Achtung: der Link löst den Download der Vektoren aus.)
Il existe même des modèles de Coran divisés en plusieurs livres — généralement six composés chacun de cinq hizb — rangés dans une valise.Anouk hat es nicht mit dem Rechnen. 6x5 = 30, also in Marokko nur den halben Muṣḥaf.
Le Coran peut se décomposer en quatre, six, douze ou trente livres. Il n’y a pas d’autres divisions possibles. Celles adoptées renvoient à des méthodes didactiques d’apprentissage du CoranEntschuldigung: Selbstverständlich gibt es andere Ausgaben, etwa zwei und sieben, auch 15 Bände.
"Le Coran et ses multiples formes (Casablanca, Maroc)" in Terrain 59, 9.2012
Es geht auch nicht um Lehr-/Lern-Einheiten, sondern um Gebetseinheiten: man liest/betet den Koran in einem Monat/30 Tagen, oder schneller (also 30/x), oder in einer Woche. So unterhaltsam Cohens Berichte als Buchhändler-Praktikantin sind, so uninformiert = so ungenau sind ihre Ausführungen zum Muṣḥaf an sich:
Hafs et Warsh sont l’appellation donnée à deux des sept lectures coraniques (qirâ’a).Tatsächlich sind Warš (frz. Warch) und Ḥafṣ keine der sieben Lesarten (qirāʾāt), sondern zwei der vierzehn Übermittlungen (riwāyāt).
conforme à la lecture de Warsh ou à la lecture de Hafs — dont les variantes concernent « ... des emplacements de pauses dans la récitation ou de fins de versets ainsi que des détails de prononciation »Pausen und Versenden haben genaugenommen NICHTS mit den Lesarten zu tun — außer dass bestimmte Versendensysteme MEIST mit bestimmten Lesarten kombiniert sind.
Alors que les modèles de Coran Hafs sont le plus souvent reproduits en caractères mobiles suivant la calligraphie naskhi, les modèles de Coran Warsh présentent majoritairement une écriture manuscrite en calligraphie maghribî.Heutzutagen handelt es sich bei den meisten um Offset-Wiedergaben von handgeschriebenen Vorlagen — sowohl bei Ḥafs wie bei Warš. Es gibt aber auch — von beiden riwāyāt — computer-gesetzte mit besonderen Fonts. Solche Desktop Publishing Produkte nennt A. Cohen "typographique" (Anouk Cohen, « Éditer la Révélation. Le Coran dans le Maroc contemporain », Genèses 2016/4 n° 105, p. 63. Sie hat nicht nur vom qurʾān, sondern auch von der Buchherstellung keine Ahnung.)
les jeunes générations utilisent davantage le Coran Hafs, plus lisibleDie ersten beiden sind Ḥafṣ, der letzte Warš, alle handgeschrieben, offset gedruckt.
Welcher ist leichter zu lesen?
"XY ist" und "XY ist meist" ist nicht dasselbe.
il n’existe qu’une maison d’édition au monde détentrice des droits d’auteur du Coran Warsh: Dār al-Mūsa aš-Šarīf, une société égyptienne installée au Caire.Nicht nur, dass es ein "Haus des Edlen Moses" gar nicht geben kann,
Anouk Cohen: "Le livre du Coran à Rabat et à Casablanca" in Archives de sciences sociales des religions 150, avil-juin 2010
die Idee, die A.Cohen zehnfach wiederholt, dass ein Verlag die Rechte an "Warš" hielte, ist irre.
Fünf Jahre später heißt es — kaum weniger falsch — :
Jusqu’à une période récente, les droits d’écriture du Coran Warsh n’appartenaient qu’à une seule maison d’édition, Dâr al- mushaf al-sharîf, installée au Caire.Dār al-muṣḥaf ohne Adresse ist so informtiv wie Café de Paris oder Hotel Savoy.
Nun kommen wir zu der irrigen Behauptung, die uns besonders interessiert
La version en calligraphie maghrîbî de lecture Warsh la plus fréquemment piratée est le «mushaf de Zwiten», comme il est communément appelé. Il s’agit d’une édition réalisée en 1929 par un célèbre faqîh (juriste) et calligraphe réputé pour son écriture et sa connaissance du Coran, dont les droits appartenaient jusqu’à une période récente à la maison d’édition-distribution Dar al- mushaf al-sharîf, située au Caire ... Nommé Zwiten, ce calligraphe était professeur à al-Qarawiyyîn, une importante université d’études islamiques à Fès. Selon Mohammed Maghraoui, spécialiste des arts traditionnels marocains et enseignant à l’université Mohammed V à Rabat, cette édition est utilisée comme modèle car «il s’agit de la plus ancienne copie du Coran lithographiée avec la numérotation au Maroc » [Gesprächsnotiz der Autorin]. C’est pourquoi, poursuit-il, le statut de Coran «authentique» lui a été conféré. Jusqu’à aujourd’hui, le «mushaf de Zwiten» est le modèle original des masahîf le plus reproduit au Maroc par le scan ou la copie manuscrite. Il s’agit d’un livre canonique – différent de celui qui prévaut au Moyen-Orient.1.) Den 1347/1929er Druck gibt es tatsächlich.
Anouk Cohen, « Éditer la Révélation. Le Coran dans le Maroc contemporain », Genèses 2016/4 n° 105, p. 66sq.
2.) Er erschien in Kairo (angebl. auch in Fez, jeweils in al-Maṭbaʿa at-Tiǧārīya al-Kubrā).
3.) Er hatte 699 Seiten
4.) Der Kalligraph ist أحمد بن الحسن زويتن الفاشي
5.) Es gab schon davor (zumindest in Alger) Warš-Ausgaben mit Nummern nach den Versen. Nimmt man an, dass der 1929er Druck tatsächlich auch in Fez erschien (und dies nicht nur fromme Fiktion war), dann könnte es tatsächlich der erste marokkanische mit Nummern sein.
6.) Er ist NICHT oft nachgedruckt, es sei denn, man hat diese Nachdrucke systematisch vor mir versteckt.
Hier ein paar Bilder aus dem 1929er "Zwītēn", der auch als "al-Ḥabbābī", nach dem Finanzier und Herausgeber, benannt ist. Ich habe ihn bisher nur in den bayerischen und der portugiesischen Nationalbibliotheken lokalisieren können. Und nun ein paar Bilder der Kairiner Warš-Ausgabe von Muḥammad ʿAbd ar-Raḥmān Muḥammad: Hier mit anderem Rahmen: Deren Kalligraph und Verleger ist Muḥammad (ibn) ʿAbd al-Raḥmān (ibn) Muḥammad.
طبع هـذا المصحف بالرسم العثماني برواية ورش بالخط المغربي التونسي الجزائري الإفريقي الموحد، وفقـا للتصميم الذي وضعه محمد عبد الرحمـان محمد
Entweder hällt A. Cohen diese Schrift für die von "Zwiten" — merkwürdigerweise gibt es in ihren zehn Artikeln kein Bild davon (oder habe ich Tomaten vor den Augen) — oder man hat mir zig Nachdrucke von Muḥammad (ibn) ʿAbd al-Raḥmān (ibn) Muḥammads Einheitsmaghribinischen vorgelegt und alle von Cohens "Zwiten" verschwinden lassen. Auch weil bei ihr fast nichts stimmt, gehe ich davon aus, dass sie die beiden verwechselt.
Hier eines der vier Titelbilder des meist nachgedruckten "Kairo-Korans"
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