Donnerstag, 16. Januar 2020

Vokalkürzung III

Es gibt keinen Korandruck, der alles richtig macht.
Nicht, dass ich mir ausgedacht hätte, was richtig ist.
Ich vergleiche nur die verschiedenen Traditionen.
Und da fehlt immer was, was andere haben.
Perser und Türken vernach­läs­sigen die As­simila­tion,
Marokkaner und Saudis die Vokalkürzung ‒ etwa vor Doppel­konsonanz.
Leider folgen ihnen darin heute die Türken, obwohl es Osmanen richtig gemacht haben.
Ich habe den 99. und den 102. muṣḥaf verglichen, die Hāfiẓ ʿUṯmān QayšZade Nūrī (HOQz) geschrieben hat.
Am Ende von al-Baqara 160 stieß ich auf ană t-tauwābu r-raḥīm
Inder und Araber notieren das Ignorieren von Alif vor Doppel­konsonanz grund­sätzlich nicht.
Wie man sieht, macht es HOQz beide Mal ‒
wie auch Muḥ Amīn Rušdī in der Zeile darunter ‒.
und das iranische Merkaz Ṭabʿo Našr in der Zeile plus ar-raḥmīn darunter.
In türkischen Drucken steht /ʾanā/ unkorrigiert (= ohne "kürze!"),
doch der tecvid-Druck (die Zeile in der Mitte mit qaṣr unter dem wau) hat das stumme/graue Alif.
Auch das iranische Zentrum (darüber) hat es stumm/rot.
Dar al-Maʿrifa, Edition Nous-Mêmes und indische Verlage ignorieren es,
indonesische berücksichtigen es.

In Vokalkürzung II hatte ich geschrieben, dass im Gizeh-Koran (und heute in ganz Arabien) zwischen ā und ă unterschieden werde.
Das stimmt aber nur für alif maqṣūra, nicht für alif mamdūda.

In "Kein Standard" schreibe ich, die Schwierig­keit bestünde darin,
dass man dem Text
den Sinn, die grammatikalische Bezüge,
den Klang und auch noch
die frühste graphische Gestalt
entnehmen können wolle.
Der Klang ist aber nicht fix, weil die Pausen nicht FEST­liegen.
Die frühste Gestalt ist noch unerforscht.
Sicher ist aber schon,
dass es nicht das "ʿuṯmānische Buchstabengerüst",
das ad-Dānī & Co. beschreiben, ist,
auch dass es nicht absolut frei von diakritischen Strichen (entspricht heutigen Punkten) war.

Iran VI (1886)