Über elf Jahre bin ich bei Twitter, habe aber nie gezwitschert, retweeted oder geliked. Doch da musste ich widersprechen. Er könne sagen "EARLY mss." und sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Macher der KFA keine Handschriften studiert habe, sondern "nur" die andalusische Literatur über Handschriften, und deren Autoren hätten eher solche aus dem dritten Jahrhundert als aus dem ersten konsultiert. Außerdem solle er nicht so tun als sei "the Cairo edition" der Standard.
Daraufhin hat der genialische Linguist seien Tweet gelöscht und durch einen neuen ersetzt, zu dem mein Kommentar nicht mehr passte. Für mich ein Hinweis, dass man bei Twitter nicht ping-pongt. In einem neuen Tweet geht es um die Schreibung von iǧtabā-hu/ er wählte ihn (20:122, 68:50, 16:121).
Darin hat er "the Cairo edition" durch "the modern print editions" ersetzt, was einerseits ein semantischer Fortschritt ist (weil es über tausend "Cairo editions" gibt, denn "edition" is als "the entire number of copies of a book, newspaper, or other publication printed at one time from a single setting of type" definiert = Auflage), bringt aber nicht viel, weil er DIE gedruckten Ausgaben als STANDARD bezeichnet.
Es will mir nicht in den Kopf, wie ein Mensch, der in einem Land lebt, in die Mehrheit der Muslime aus Marokko stammt, umgeben von Ländern, in denen die meisten aus der Türkei, aus dem Maghreb oder aus dem indischen Subkontinent stammen, so tun kann, als sei die Schreibart des qurʾān Standard, die (seit etwa 1983) im arabischen Osten maßgebend ist, DIE Schreibart sei.
Wie kann man übersehen, dass sich die Amiriyya-Ausgabe erst in dem Gewand der ʿUṯmān-Ṭaha-Ausgaben durchsetzte, und weder in Indien, der Türkei noch in Indonesien benutzt wird? Auch in Westafrika, Iran und Zentralasien ist sie nicht maßgebend. Ein Fünftel der Muslime sind nicht DIE Muslime!
Schauen wir uns moderne Drucke (plus einer Handschrift) an.
Erst eine indische aus Johannesburg, dann eine indische aus Djakarta:
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Die zwei Stellen von der türkischen Behörde:
Und als Dreingabe aus der Handschrift von Mehmet Şevki Efendi:
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Vier aus Iran ‒ so viele, weil es hier keinen Landes-Standard gibt:
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Kabul 1353/1934
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und aus Libyen:
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In all diesen modernen Druckausgaben ‒ was doppeltgemoppelt ist: Drucke gibt es erst in der Moderne ‒ hat das Wort drei Zähne: tāʾ, bāʾ, yāʾ; dass Türken yāʾ-Punkte darunter setzen, die anderen diese weglassen, ist sekundär.
Doch nun aus dem muṣḥaf zum 25. Thronjubiläum von Ḥasan II von Marokko:
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Algerien
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Aus der KFA:
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Sowie der "moderne Druck" von Tom Milo, den es nur online gibt ‒ komische Vorstellung hat der verrückte Linguist von "print":
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Es gibt also einen "asiatischen" Standard mit yāʾ für das /ā/ und einen "afrikanischen" ohne yāʾ an zwei der drei Stellen.
Übrigens gibt es in Arabien immer noch tafsīr-Ausgaben, bei denen der Kommentar um einen nach osmanischen Regeln geschriebenen muṣḥaf steht (hier also immer mit drittem Zahn). Bis in die 50ger Jahre in Ägypten, den 70gern in Syrien und noch nach 1980 im ʿIrāq, in Qaṭar und Saʿūdīa gab es osmanische Drucke, die nicht dem "Standard" des spinnerten genialen Gelehrten folgen.
Und das KFKombinat in Medina druckt für Asiaten eine Ausgabe, die diesen recht erscheint, sowohl rein arabisch wie mit Übersetzungen in den südasiatische Sprachen (inkl. Perisch):
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Zig ProfessorInnen, die Druckausgaben für so unwichtig (und leicht zu verstehen) halten, dass sie sie nie studiert haben ‒ das scheinen außer mir nur A.A. Brockett und G-R Puin getan zu haben ‒, schreiben trotzdem darüber ‒ fast nur Unsinn.
Doch der Amsterdamer Professor hat zwei Gebiete ‒ Gewinn bringend ‒ studiert:
die Aussprache des hiǧāzischen Arabisch im 7. Jahrhundert und
die Schreibung in den frühen (!) Koranhandschriften.
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Und siehe da: Die Handschriften-Datenbank von Corpus Coranicum bringt es an den Tag:
die Schreibung mit drei Zähnen (also yāʾ für /ā/) war normal.
Später taucht mit Schreibung mit alif auf:
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(ich habe das hāʾ /hū/ aus der nächsten Zeile nach oben kopiert, Worte können in den frühen Mss. ohne Trennstrich auf zwei Zeilen verteilt sein.)
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In der Tat hat der Herr etwas entdeckt,
entdeckt, dass die nordafrikanische Schreibung nicht der ʿuṭmānischen entspricht,
nur dass er damit nicht DEN Standard entkräftigt, sondern nur einen.
Zum Schluß noch eine Kritik an Milos Muṣḥaf Muscat, aus dem der Linguist 2:102 zeigt:
Milo macht es ganz anders als KFA und UT2.
Während die Modernen die Vokalzeichen genau über/unter "ihrem" Konsonanten setzen,
die Buchstaben immer von rechts nach links zu lesen sind,
steht bei Milo der zweite Buchstabe mīm an erster Stelle, "sein" fatḥa aber weiter links ‒ über einem Streckstrich (wie hässlich!);
der /ā/-Dolch steht vor dem yāʾ, das durch ihn zu Alif gewandelt wird ‒ und nicht hinter dem fatḥa, das durch es gelängt wird.
Übrigens steht der Wandel-Dolch auch in der KFA und bei UT falsch: Er ist ja kein Vokal, der nach einen Konsonanten steht, sondern wandelt das yāʾ in ein alif, müsste also über dem yāʾ stehen.
Der ästhetische Reaktionär hat zwar die Schriftregeln des Hof-Osmanischen verstanden, aber nicht die klaren, deutliche Schreibregeln der KFA.
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Ein madda-Zeichen längt keinen Konsonanten (hier nūn) – das besorgt ein šadda -> es muss über dem Vokalbuchstaben (ḥarf al-madd) stehen. Vor 150 Jahren, als nur 1% der Gesamtbevölkerung las, war das okay; heute ist es schlicht falsch.