Freitag, 30. Oktober 2020

... und Muhammad ist sein Prophet

A.Neuwirth schreibt von der "Zentralität der Prophetie" in den Suren der zweiten Phase.
Pro-phetie ist "Voraus-sage eines zukünftigen Geschehens, Pro­phe­zeiung, Weis-sagung, Hell-sehen".
Prophetie spielt im Koran keine Rolle.
Aber, werden sie jetzt sagen: Aber Muḥammad ist doch sein Prophet.
Pustekuchen!
Er ist Gottes Gesandter (rasûl), sein Sprecher (nabī), Über­bringer eines Buches; (Ver-)Künder, Warner.
Von Vorher-Sagen/Pro-phetie ist nicht die Rede.
Neuwirth ist nicht die Einzige, die Falsches nachplappert,
doch für sie ist es typisch.

Das hebräische Nabi für "Sprecher" Gottes hat man ins Griechische mit dem Wort für Orakel­deuter, Vorher­sager über­setzt, weil "Angelos/Bote" schon für מַלְאָךְ/Engel/ملاك ver­geben war.
Und so verfuhr man mit dem verwandten arabi­schen Wort.
Doch da im Deutschen die griechische Grund­bedeutung ‒ vor allem bei "Pro­phetie", aber auch sonst ‒ gilt, wäre es besser, wenn man die ent­sprechenden Gestal­ten der Hebrä­ischen Bibel "Sprecher" (spokes­person, analog zu "Regie­rungs­sprecher" Gottes­sprecher, Künder, Rufer, Wahr­Sager <nicht im Sinne von Vorher­Sager>) nennte ‒ und so auch Muḥammad, ein von Gott ergrif­fenen Künder.
Im Glaubensbekenntnis kommt "Nabi" übrigens gar nicht vor: ... wa Muḥammadan Rasūl Allāh, Gottes Gesandter, Gottes Apostel.
Nebenbemerkung zu Rufer: Er ruft nicht im eigenen Namen, sondern ist von Gott berufener Rufer. Siehe auch: Reinhard Schulze: Der Koran und die Genea­logie des Islam quranische Ruf­rede.
Aber Luther schreibt doch von "Pro­pheten", es kann doch nicht dein Ernst sein, dass wir das durch "Sprecher" oder "Ver-Kün­der"ersetzen sollen?
Dass man etwas schon lange falsch macht, ist kein Grund es weiter so zu machen.
Christen deuteten viele Stellen der Hebräi­schen Bibel als Vorher-Sagen des Gesalb­ten (=Christos) Jesus von Nazareth.
Im Credo heißt es: Credo ... in Spiri­tum Sanc­tum ..., qui locutus est per Prophetas.
Da man vor Johann Gottfried Eichhorn davon ausfing, dass Vorher-Sagen die Hauptfunktion der neve'im sei, und man die wahren daran erkennen könne, dass ihre Vorher-Sagen eintreffen (Erfüllungskriterium, Dtn 18: 18 Einen Künder/Sprecher wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage.... 21 Wenn du aber in deinem Herzen sagen würdest: Wie kann ich merken, welches Wort der HERR nicht geredet hat? – 22 wenn der Prophet redet in dem Namen des HERRN und es wird nichts daraus und es tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht geredet hat.), galten sie den christ­lichen Theologen als Vorher-Sager ‒ sowohl der baldi­gen Zukunft, wie des Kommens des Gesalbten; deshalb sprach aus ihnen auch nicht JHWH, der HERR, sondern der Heilige Geist. Da sich die Vorher-Sagen in Jesum von Nazareth erfüllt haben, waren sie wahre Pro-Pheten. Deshalb gefiel christ­lichen Bibel­deutern die Fehl­über­setzung von Nabi.
Heute wissen die Bibel­forscher, dass die Sprecher keine Man­tiker waren, dass der Kern des nabi-tums "berufener Sprecher (Gottes)" ist; trotz­dem hängen sie an dem einge­führten falschen Wort ‒ und Neuwirth und viele Islam-Nach-Plapperer (-Wissenschaftler sind sie ja nicht).
Man sagt mir, Neuwirth schreibe nicht Deutsch, meine also mit Pro­phetie nicht "Vor­aus-sage eines zukünf­tigen Geschehens, Pro­phe­zeiung, Weis-sagung, Hell-sehen", sondern sie schreibe lutheri­schen Pastoren­sprech und da stehe Pro­phetie für "Amt und Tun eines Pro­pheten", also für Alles was Leute tun, die Pastoren und Neu­wirth "Pro­phet" nennen, etwa Muḥammad.
Pfui! Wer derart zirkulär spricht, pflicht Scheiß-Kränze. Pasto­ren mögen sie sein, aber Luthersch sind sie nicht, weil sie dem Volk nicht auf Maul schauen, sondern nur immer Irres­gleichen ver­viel­fälti­gen, so lange, bis sie tät­säch­lich glauben "be­gegnen" hieße "vor­kommen" und "es erhellt" wäre Deutsch. ‒ Es ist aber blos Losung, an der sie ein­ander er­ken­nen. Pfui!
Geht man nicht vom deutschen "pro-phezeien" aus, sondern sucht den griechi­schen Ursinn, gibt es eine andere Möglich­keit: Vor-Sprecher, nicht im Sinne von "voraus", sondern "an Stelle eines Anderen". In diesem Sinne wären Pro-Pheten ‒ genau wie neve'im ‒ Sprecher, Künder, Rufer, Boten Gottes.
So kann es zu der Übersetzung der Septua­ginta ge­kommen sein.
Ändert aber nicht daran, dass es heute anders ver­standen wird ‒ und dass auch die christ­lichen Gelehr­ten es lange anders ver­standen haben.
Vor Johann Gottfried Eichhorn gingen die Theo­logen davon aus, die Pro­pheten Vieles richtig vorausgesagt hätten. Eichhorn vermutete, dass die Pro-Phe­zei­ungen post factum geschrie­ben wurden, dass die angeb­lichen Pro­pheten, nach den Fakten gelebt hätten oder man ihnen Vieles nach­träg­lich in den Mund gelegt habe. Nach dem Fall Jerusalems legte man die Vor­her­sage des Fall einem, der davor gelebt hatte, in den Mund.

Mittwoch, 26. Februar 2020

Bombay-Drucke

In der Zeitschrift der indonesischen Religions­behörde ist ein Aufsatz zu Bombay­drucken in der Insel­welt erschienen.
Für mich bemerkens­wert, was die Autoren nicht interessiert:
die Drucke in Bombay.
In nieder­ländischen Biblio­theken findet man welche, z.B.:
al-Qurʾān al-maǧīd wa-al-furqān al-ḥamīd
Maṭbaʿa al-Muḥama­diyya, 1298/1881
542 p 25 cm -- wobei die 114. Sure auf Seite 542 steht;
es folgen noch ein paar Seiten.
Dieser wurde nicht nur in Insel­indien nach­gedruckt, wozu man in dem Suhuf-Artikel viel findet, sondern auch in Bombay selbst inkl. 16­seiti­gem Vorwort in Malai­isch (in arabi­schen Buch­staben):
Innahu la-Qurʼān karīm fī kitābin maknūnin
Bombay: ʻAlī Bhāī Sharaf­ʻalī & Company Ltd., 1358 [1959]
16 + 542 + 10 p. ; 25 cm.



(diese Seite ist anders als in der Vorlage von 1881)

Here are more.

Samstag, 22. Februar 2020

fragliche Schreibung

Vor zwei Monaten zwitscherte ein nieder­ländi­scher Fach­mann für semitische und Berber-Sprachen, dass der rasm der Amiriyya-Ausgabe (König-Fuʾād-Ausgabe, von ihm "the Cairo edition" genannt) ohne Berück­sichti­gung von Hand­schriften festgelegt worden sei.
Über elf Jahre bin ich bei Twitter, habe aber nie gezwitschert, retweeted oder geliked. Doch da musste ich widersprechen. Er könne sagen "EARLY mss." und sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Macher der KFA keine Hand­schriften studiert habe, sondern "nur" die anda­lusi­sche Litera­tur über Hand­schriften, und deren Autoren hätten eher solche aus dem dritten Jahr­hundert als aus dem ersten kon­sultiert. Außerdem solle er nicht so tun als sei "the Cairo edition" der Standard.
Daraufhin hat der genia­lische Linguist seien Tweet gelöscht und durch einen neuen ersetzt, zu dem mein Kommen­tar nicht mehr passte. Für mich ein Hin­weis, dass man bei Twitter nicht ping-pongt. In einem neuen Tweet geht es um die Schrei­bung von iǧtabā-hu/ er wählte ihn (20:122, 68:50, 16:121).
Darin hat er "the Cairo edition" durch "the modern print editions" ersetzt, was einer­seits ein seman­tischer Fort­schritt ist (weil es über tausend "Cairo editions" gibt, denn "edition" is als "the entire number of copies of a book, news­paper, or other pub­lication printed at one time from a single setting of type" definiert = Auf­lage), bringt aber nicht viel, weil er DIE gedruckten Aus­gaben als STANDARD bezeichnet.
Es will mir nicht in den Kopf, wie ein Mensch, der in einem Land lebt, in die Mehrheit der Muslime aus Marokko stammt, umgeben von Ländern, in denen die meisten aus der Türkei, aus dem Maghreb oder aus dem indischen Sub­kontinent stammen, so tun kann, als sei die Schreib­art des qurʾān Standard, die (seit etwa 1983) im arabi­schen Osten maß­gebend ist, DIE Schreib­art sei.
Wie kann man über­sehen, dass sich die Amiriyya-Ausgabe erst in dem Gewand der ʿUṯmān-Ṭaha-Ausgaben durch­setzte, und weder in Indien, der Türkei noch in Indo­nesien benutzt wird? Auch in West­afrika, Iran und Zentral­asien ist sie nicht maßgebend. Ein Fünftel der Muslime sind nicht DIE Muslime!
Schauen wir uns moderne Drucke (plus einer Handschrift) an.
Erst eine indische aus Johannes­burg, dann eine indische aus Djakarta:






Die zwei Stellen von der türkischen Behörde:




Und als Dreingabe aus der Handschrift von Mehmet Şevki Efendi:



Vier aus Iran ‒ so viele, weil es hier keinen Landes-Standard gibt:


Kabul 1353/1934

und aus Libyen:




In all diesen modernen Druckausgaben ‒ was doppeltgemoppelt ist: Drucke gibt es erst in der Moderne ‒ hat das Wort drei Zähne: tāʾ, bāʾ, yāʾ; dass Türken yāʾ-Punkte darunter setzen, die anderen diese weglassen, ist sekundär.
Doch nun aus dem muṣḥaf zum 25. Thron­jubiläum von Ḥasan II von Marokko:



Algerien


Aus der KFA:


Sowie der "moderne Druck" von Tom Milo, den es nur online gibt ‒ komi­sche Vor­stellung hat der verrückte Linguist von "print":


Es gibt also einen "asiatischen" Standard mit yāʾ für das /ā/ und einen "afrikanischen" ohne yāʾ an zwei der drei Stellen.
Übrigens gibt es in Arabien immer noch tafsīr-Ausgaben, bei denen der Kom­men­tar um einen nach os­mani­schen Regeln geschriebenen muṣḥaf steht (hier also immer mit drittem Zahn). Bis in die 50ger Jahre in Ägypten, den 70gern in Syrien und noch nach 1980 im ʿIrāq, in Qaṭar und Saʿūdīa gab es osmanische Drucke, die nicht dem "Stan­dard" des spinner­ten genialen Gelehrten folgen.
Und das KFKom­binat in Medina druckt für Asiaten eine Ausgabe, die diesen recht erscheint, sowohl rein arabisch wie mit Über­setzungen in den süd­asiati­sche Sprachen (inkl. Perisch):


Zig ProfessorInnen, die Druck­ausgaben für so unwichtig (und leicht zu ver­stehen) halten, dass sie sie nie studiert haben ‒ das scheinen außer mir nur A.A. Brockett und G-R Puin getan zu haben ‒, schreiben trotz­dem darüber ‒ fast nur Unsinn.

Doch der Amster­damer Professor hat zwei Gebiete ‒ Gewinn bringend ‒ studiert:
die Aus­sprache des hiǧāzi­schen Arabisch im 7. Jahrhundert und
die Schrei­bung in den frühen (!) Koran­handschriften.


Und siehe da: Die Hand­schriften-Daten­bank von Corpus Coranicum bringt es an den Tag:
die Schreibung mit drei Zähnen (also yāʾ für /ā/) war normal.
Später taucht mit Schreibung mit alif auf:

(ich habe das hāʾ /hū/ aus der nächsten Zeile nach oben kopiert, Worte können in den frühen Mss. ohne Trennstrich auf zwei Zeilen verteilt sein.)



Der Linguist vermutet, dass der afrikanischer Standard auf einer Aus­legung (!!!) des Buches von Abu Daʾūd Sulaimān Ibn Naǧāḥ beruht, der eben nicht die frühen (!!) Hand­schriften ausgewertet habe.
In der Tat hat der Herr etwas entdeckt,
entdeckt, dass die nord­afrika­nische Schreibung nicht der ʿuṭmāni­schen ent­spricht,
nur dass er damit nicht DEN Standard entkräftigt, sondern nur einen.

Zum Schluß noch eine Kritik an Milos Muṣḥaf Muscat, aus dem der Linguist 2:102 zeigt:
Milo macht es ganz anders als KFA und UT2.
Während die Modernen die Vokal­zeichen genau über/unter "ihrem" Kon­sonan­ten setzen,
die Buch­staben immer von rechts nach links zu lesen sind,
steht bei Milo der zweite Buch­stabe mīm an erster Stelle, "sein" fatḥa aber weiter links ‒ über einem Streck­strich (wie häss­lich!);
der /ā/-Dolch steht vor dem yāʾ, das durch ihn zu Alif ge­wandelt wird ‒ und nicht hinter dem fatḥa, das durch es gelängt wird.
Übrigens steht der Wandel-Dolch auch in der KFA und bei UT falsch: Er ist ja kein Vokal, der nach einen Kon­sonanten steht, sondern wan­delt das yāʾ in ein alif, müsste also über dem yāʾ stehen.
Der ästhetische Reaktionär hat zwar die Schrift­regeln des Hof-Osma­ni­schen ver­standen, aber nicht die klaren, deutliche Schreib­regeln der KFA.

Ein madda-Zeichen längt keinen Konsonanten (hier nūn) – das besorgt ein šadda -> es muss über dem Vokal­buch­staben (ḥarf al-madd) stehen. Vor 150 Jahren, als nur 1% der Gesamt­bevöl­kerung las, war das okay; heute ist es schlicht falsch.

Donnerstag, 16. Januar 2020

Vokalkürzung III

Es gibt keinen Korandruck, der alles richtig macht.
Nicht, dass ich mir ausgedacht hätte, was richtig ist.
Ich vergleiche nur die verschiedenen Traditionen.
Und da fehlt immer was, was andere haben.
Perser und Türken vernach­läs­sigen die As­simila­tion,
Marokkaner und Saudis die Vokalkürzung ‒ etwa vor Doppel­konsonanz.
Leider folgen ihnen darin heute die Türken, obwohl es Osmanen richtig gemacht haben.
Ich habe den 99. und den 102. muṣḥaf verglichen, die Hāfiẓ ʿUṯmān QayšZade Nūrī (HOQz) geschrieben hat.
Am Ende von al-Baqara 160 stieß ich auf ană t-tauwābu r-raḥīm
Inder und Araber notieren das Ignorieren von Alif vor Doppel­konsonanz grund­sätzlich nicht.
Wie man sieht, macht es HOQz beide Mal ‒
wie auch Muḥ Amīn Rušdī in der Zeile darunter ‒.
und das iranische Merkaz Ṭabʿo Našr in der Zeile plus ar-raḥmīn darunter.
In türkischen Drucken steht /ʾanā/ unkorrigiert (= ohne "kürze!"),
doch der tecvid-Druck (die Zeile in der Mitte mit qaṣr unter dem wau) hat das stumme/graue Alif.
Auch das iranische Zentrum (darüber) hat es stumm/rot.
Dar al-Maʿrifa, Edition Nous-Mêmes und indische Verlage ignorieren es,
indonesische berücksichtigen es.

In Vokalkürzung II hatte ich geschrieben, dass im Gizeh-Koran (und heute in ganz Arabien) zwischen ā und ă unterschieden werde.
Das stimmt aber nur für alif maqṣūra, nicht für alif mamdūda.

In "Kein Standard" schreibe ich, die Schwierig­keit bestünde darin,
dass man dem Text
den Sinn, die grammatikalische Bezüge,
den Klang und auch noch
die frühste graphische Gestalt
entnehmen können wolle.
Der Klang ist aber nicht fix, weil die Pausen nicht FEST­liegen.
Die frühste Gestalt ist noch unerforscht.
Sicher ist aber schon,
dass es nicht das "ʿuṯmānische Buchstabengerüst",
das ad-Dānī & Co. beschreiben, ist,
auch dass es nicht absolut frei von diakritischen Strichen (entspricht heutigen Punkten) war.

Samstag, 11. Januar 2020

Indien ist kein Land,

... sondern ein Subkontinent
in Bengalen sieht es ein wenig anders aus

als im Punjab

in Nordindien

anders als in Südindien

und wieder anders in Bombay

(was in Indonesien immer noch nach­gedruckt wird)
Man achte auch auf das kleine nūn vor ʿain, weil tanwīn nicht assimiliert wird.

Und hier ist ein Druck aus Tamil Nadu,
der -- außer bei den Surtentitel und der Basmala ‒
einen modernen Druck der Taj Company benutzt,
der in China, Indien und Indonesien (neben dem alten Bombaydruck, neben Bahriye, vor ʿUṯmān Ṭaha) populär war:


Ali Akbar hat die Aufnahmen in einer südindi­schen Moschee in Singapore gemacht.
wie diese von einem südost­asiatischen Nach­druck einer Taj-Company-Ausgabe:

Und noch ein bengalischer:
Here more from Bombay. siehe auch und und und und und und kurz danach

Iran VI (1886)