Samstag, 3. Juli 2021

Iran

Persien (auf Persisch: "Iran") und Indien waren Pioniere bei Litho­graphie-Koranen. Der älteste persische, den ich im Netz fand, ist von 1846
Hier vergleiche ich ihn mit dem ver­brei­tet­sten muṣḥaf vor 1979; der "Solṭā­nī" fand seine Gestalt im von Ḥasan ibn ʿAbdalkarīm Harīsī al-Alwanarqī um 1900 auf 476 Sei­ten à 17 Zeilen geschrie­benen Qurʾān Ma­ǧīd. Auf dem Tehraner Druck von 1366/1947 durch ʿAbdor-Raḥ­mān-e ʿElmī steht: „übernommen vom als Solṭānī be­kann­ten Qurʾān“.
Und hier Bilder von einem etwas kleinformatigerem Druck vom Dez. 1940, Qurʾān Maǧīd, geschrie­ben von Ṭāhir Ḫusniwīš
Der alte persiche Standard hat noch mehr Lang-Alifs als os­ma­nische Ausgaben, weist Archa­is­men und Be­son­der­heiten auf; eine Aus­gabe von 2004 im Duk­tus von ʿUṯ­mān Ṭāhā auf 604 Seiten bewahrt viele da­von.
Aufgrund der kompakten Schrei­bung konnte der Harīsī wohl­feil her­gestellt werden.
Er war eher zum Lesen als zum Vortragen gedacht. Des­halb war Ha­rīsī bei der Setzung der madd-Zei­chen nach­läs­sig – nicht weil er einen madd-ärme­ren Stan­dard im Kopf hatte. Viele per­si­sche Schrei­ber folgen keinem der von mir aus­fin­dig ge­mach­ten Stan­dards: Während Nairizī 3x ʿi mit yāʾ schreibt, hat Harīsī 1x und das moderne Zen­trum 2x Ham­za ohne Träger.
Während ich vom der­zeitigen Staats­koran nur ein kleines Bild habe
findet man den des letzten Pahlevi-Schahs Arya­Mehr (wenn auch an den Rändern abge­schnit­ten) im Netz (von Nairizī geschrieben, erste Seite: Innahu Kalāmullāh Maġīd, Tehrān 1344š/1965, Surat an-Nās auf p.788):
Das dem Revo­lu­tions­führer unter­stellte Zentrum zu Druck und Ver­brei­tung des Koran hat drei Sachen neu einge­führt:
erst drei Klein-Vokal­zeichen für die Stellen, an den in Hand­schriften rote Vokal­zeichen (VZ) stehen: bei Worten die mit alif-waṣl be­ginnen, vor denen aber an dieser Stelle pausiert wird, die also hier mit Hamza zu lesen sind, bekommt das Anfangs-alif eine Klein-VZ.
Dann eine völlig neue Art, Lang­vokale zu schrei­ben (und zu lesen): Während in Afrika VZ + ḥarf al-madd (Dehungs­buchstabe) steht,
wird nach nIran der Vokal­buch­stabe direkt gelesen, es steht kein VZ (denn es ist ja kein /a/, /i/, /u/ zu lesen, sondern nur /ā/, /ī/, /ū/.
Steht kein Zeichen und folgt kein Vokal­buch­stabe, ist der Kon­sonant vokal­los = es gibt kein sukūn-Zeichen.
Nicht zu lesende Buchstaben stehen in einer anderen Farbe:
(In den Mitte des Ausschnitts: /fĭl-ardi/ mit kurzem i das kasra ist zu lesen, nicht das yāʾ)
Diese ver­ein­fach­ten Voka­li­sie­rung ist an die Geflogen­hei­ten beim per­sisch Schreiben angelehnt.

Ferner hat das مكز طبع و نشر einen neuen rasm fest­gelegt. Es geht Ṭab-o Našr um Les­barkeit und Einheit­lich­keit, also weniger feh­len­de, über­flüssige oder un­ge­wöhn­liche Buch­sta­ben, sowie weniger Aus­drü­cke, die mal so, mal an­de­res ge­schrieben wer­den. Am liebsten stützen sie sich da­bei auf an­er­kann­te Aus­gaben (auch von Warš und Qā­lūn) oder eine rasm-Auto­ri­tät. Not­falls ver­ein­fachen sie aber auch ohne gute Stütze. Sie geben an, dass sie 17 Worte an 36 Stellen „ein­fach“ schreiben ohne Vor­bild.
Die 17 Wörter sind recht unter­schied­lich:
leichtere Ver­ständ­lich­keit (6:41,16:95) اِنّ ما statt إِنَّمَا ,
das Gegenteil (2:240,5:58): فيما statt فِى مَا
– wegen Parallel­stellen;
aus dem gleichen Grund (30:28, 63:10): مِمّا statt مِن مَّا ;
Vermeidung eines stummen Alifs اَبناۤءُ statt أَبۡنَٰٓؤُا۟۟ (5:18),
اَنباۤءُ statt أَنۢبَٰٓؤُا۟ (26:6),
يُنَبَّاُ statt يُنَبَّؤُا (75:13),
Ver­meidung eines yāʾ für Alif تَراني statt تَرَىٰنِى (7:143),
اَرانيۤ statt اَرَىٰنِىۤ (12:36),
اؚجتَباهُ statt ٱجۡتَبَىٰهُ (16:121, 22:78);
statt ءَاَتَىٰنِى (19:30) ءاتانِي – entspricht Solṭānī, Nairizī und Arsan­ǧā­nī, nicht aber Faḍāʾilī;
اَرانيۤ statt اَرَىٰنِىۤ (12:36);
Ver­meidung nor­ma­ler Er­satz­alifs خَطايٰكم statt خَطَٰيَٰكُمۡ (2:58, 20:73),
لَساحِرٌ statt لَسَٰحِرٌ (7:109, 26:34),
قُرءانًا statt قُرۡءَٰنًا (12:2),
نادانا statt نَادَىٰنَا (37:75),
اِحسانًا statt إِحۡسَٰنًا (46:15),
جِمالَتٌ statt جِمَٰلَتٌۭ (77:33).
كِذّابًا statt كِذَّٰنًۭا (78:35).
Von den 17 Wör­tern folgen acht nOsm.
Bei einer Stich­probe von 10% des Koran­textes habe ich vier weitere Plene-Schrei­bun­gen 15:22 biḫāzinīna, 40:16 bārizūna, 40:18 kāẓimīna, 40:29 ẓāhirīna ent­deckt, die zwar in al­ten per­sischen oder os­ma­ni­schen maṣāhif vor­kom­men, aber nicht in den vom Zen­trum ge­nann­ten Aus­gaben oder Auto­ri­tä­ten (al-Ārkātī, ad-Dānī, Ibn Naǧāḥ). Mit anderen Worten: Man schreibt wie man will. Ich vermute, dass „Fehler“, Archa­is­men bei Ara­ber den „hei­li­gen Cha­rak­ter“ der Schrift verstärken. Da Ara­bisch für Perser aber ohnehin „die hei­lige Spra­che“ ist, brauchen sie die Fehler nicht, um das als un­pro­fan = außer­all­täglich zu em­pfin­den.
In den ersten zwanzig Versen von al-Baqara schreiben sie gegen Q24 al-kitābu (2:2), razaqnā­hum (3), tujā­diʿūn (9), aḍ-ḍalālaha (16), ẓulu­mā­tin (17), ẓulumātun, ʾaṣābiʿa­hum (19) und bil-kāfirīna (20) wie Q52, ʾabṣārihim, ġišā­watub (7), ṭuġyāni­him (15), tiǧāra­tu­hum (16), aṣ-ṣwāʿiqi (19), ʾabṣāra­hum und wa-abṣāri­him (20) wie iPak und Lib
in Solṭānī und Osm außer­dem šayā­ṭīni­him (2:14) mit alif.
Zweitens lassen sie meist alles weg, was bei der Schreibung des Persi­schen weg­gelassen wird, also Hamza­zeichen auf oder unter Anfangs­alif (fatḥa, ḍamma, kasra schließen Hamza ein), – bei der Schreibung von /ʾā/ jedoch folgt nIran Q24: isolier­tes hamza+alif nicht alif+Lang-fatḥafatḥa vor alif, kasra vor yāʾ, ḍamma vor wau (Lang­vo­kal­buch­staben bezeichnen nicht wie im Ara­bi­schen die Längung des Vokals, sondern den Lang­vokal selbst); steht doch ein Kurz­vokal­zeichen vor dem Vokal­buch­staben, gilt dieses: der Vokal­buch­stabe ist stumm; ferner fehlen sukūn-Zeichen (steht kein Vokal­zeichen, ist der Kon­sonant vo­kal­los), sowie Hin­weise auf As­simi­lation, die über das im Standard­arabi­schen hinaus­gehen,
Türken, Perser sind die ein­zigen, die Assi­milation – im Wort und über Wort­grenzen – nicht notieren. (etwa von vo­kal­losem nūn an rāʾ: mir rabbihi in 2:5 Andererseits steht in 75:27 das Nicht-Assimi­lieren!-Zeichen: راقٍ مَنۜ ). oder im Wort 77:20 /naḫ­luqkum/ statt /naḫ­lukkum/), auch die unter­schied­lichen tanwīn-For­men – nIran folgt darin Solṭānī und Osm gegen IPak, Mag und Q24.
Es wird ein kleines-nūn + kasra ge­setzt, wenn das nūn des voraus­gehenden tanwīn mit i gelesen wird (z.B. 23:38). Aus den einst roten Vokal­zeichen auf alif waṣl, das nach obliga­ter Pause mit Hamza und Anlaut zu sprechen ist, wird in diesen Aus­gaben Klein-fatḥa (z.B. 2:15), Klein-ḍamma (38:42) oder Klein-kasra (58:16,19). Wie auch in den in­do­ne­si­schen Adap­ta­tionen von UT1 sind in den moder­nen ira­ni­schen Aus­gaben – sowohl jene im Duktus ʿUṯmān Ṭāhās wie die im Stile Naizī­rīs – die Fatḥas über allāh gerade. Daneben findet man zig Aus­gaben von ʿUṯ­mān Ta­ha zu unter­schied­lichen Graden nach Soltani oder nach nIran um­ge­arbeitet. Zählt man die Schrei­bungen im Fern­sehn, auf dem Smart­phone und dem Web (etwa makarem.ir/quran) mit, kommt man auf über hundert ver­schie­dene Ortho­gra­phien.
Türken, Araber und Inder haben feste Standards; die Inder schon zwei­hundert Jahre, die Araber seit etwa 1980, die Türken seit 1950 – oder etwas später.
Indonesier, Per­ser und auch Tunesier su­chen Ver­bes­serungen. Tunesien gehört zum Maghreb, die mei­sten hier ge­schrie­benen Exemplare folgen Qā­lūn ʿan Nāfiʿ. Doch vom Ende des 16. Jahr­hun­derts bis zum Ende des 19. unter­hielten die Os­ma­nen eine Gar­nison in Tunis.
Für deren Offi­zie­re wurden vor Ort Korane geschrieben. Min­destens zwei da­von sind fak­si­miliert: einer auf sechzig Seiten – Qurʾān Karīm, Schreiber: Zubair ibn ʿAbdallah al-Ḥanafī. Tunis: ad-Dār at-Tūnisīya lin-Našr o.J. – und einer, bei dem gegen­über­liegende Seiten immer wie­der mal die gleichen Worte auf­zeigen. Muṣḥaf Šarīf von Zuhair Bāš Mamlūk 1305/1885 ge­schrie­ben, Tunis: ʿAbd al-Karīm Bin ʿAbdallah 1403/1983 (gedr. in Verona). Beide halten die Lesung Ḥafṣ ʿan ʿĀṣim in magh­re­bi­ni­schen Schreib­konven­tio­nen fest.

Zwei Wörter aus 2:8 nach fünf verschie­de­nen Standards, alle Ḥafṣ. Oben (Q52) und unten (nIran) sehen ähnlich aus, sind aber grund­ver­schie­den, die bei­den un­teren (nOsm und nIran) sind gleich, obwohl sie ver­schieden aus­sehen. Beides liegt daran, dass nIran ganz auf sukūn-Zeichen ver­zich­tet: beim unter­sten ist das nūn also mit su­kūn und das qāf mit ū (bei­des wie bei nOsm direkt darüber). Beim ober­sten hat das nūn kéin sukūn und das be­deutet nach den Re­geln von Q24: nicht als nūn zu spre­chen; das Wort klingt: „mai“. Den gleichen Sach­verhalt (un­voll­ständi­ge As­simi­lation) drückt IPak (dritte von unten) und Stan­dar Indone­sia (2.-4. Zeile) durch sukūn über dem nūn (also: nicht stumm) und šadda über dem yāʾ (also: Ver­dopp­lung mai ya­qūl) aus. nOsm und nIran no­tieren (Halb- und Voll-)As­si­mi­lie­rung nie.


Warum habe ich nach "Kinder- und Enkel-Ausgaben" "Iran" eingeschoben?
Weil das Zentrum für Druck und Ver­breitung klar macht, das Druck-Aus­gaben nicht feste Packete sind, in denen alles nach eigenen Ideen festgelgt ist. Neben der Ausgabe auf 604 Seiten in ʿUṭmān Ṭahas Stil, mit den Pausen­zeichen der KFA, mit "ver­ein­fachter" Vokalisa­tion und farbi­gen stummen Buch­staben und dem neuen rasm,
gibt es einen in Nairizīs Stil, mit persischen Pausen­zeichen
und eine indische Ausgabe mit dem neuen rasm, aber sonst "indisch":
Wer von einer "Kairo-Ausgabe", einer "Warš-Ausgabe", einem "Qālūn-Druck" oder einer "Ṭab-o-Našr-Ausgabe" schreibt, schreibt dummes Zeug. Man sollte angeben, worum genau es einem geht: dem rasm der KFA von 1952, der ḥizb-Ein­teilung der­selben, den Pausen­zeichen der KFC-Ḥafṣ-Ausgabe von 2005, dem neuen rasm von Ṭab-o Našr usw. siehe auch dies siehe auch und und und

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

händisch