the various editions of the Qur’an printed today (with only extra-ordinary exceptions) are identical, word for word, letter for letter."Introduction" to The Qur'ān in its Historical Context, Abingdon: Routledge 2008, p.1Was für ein Unsinn. Es gibt wohl tausend verschiedene Arten, Korane zu schreiben oder zu setzen. Dass heißt nicht, dass die Korane Unterschiedliches besagten. Das tun sie nicht. Dafür sind sie ähnlich genug. Die Unterschiede, die der genau gleiche Text, bei der Auslegung erlaubt, sind bestimmt 100x bedeutender, als alle Unterschiede zwischen verschiedenen Drucken. Viele Unterschiede sind rein orthographisch (so wie Folxheršaft und Volksherrschaft, night und nite, le roi und le rwa), andere verändern zwar den Sinn eines Wortes, ja eines Satzes, ändern aber nicht wirklich den Abschnitt. Mir geht es überhaupt nicht um Widersprüche im Koran, um inhaltliche Unterschiede zwischen einem bestimmten und einem anderen, mir geht es nur um Unterschiede der Orthographie (also der Schreibung der Worte und der Regeln). Mir geht es auch nicht um die Unterschiede zwischen den sieben/zehn kanonischen Lesern, den vierzehn/zwanzig Übermittlern, den hunderten Tradenten. Diese betreffen in erster Linie die Lautgestalt (auch mal ein "min" oder "wa", ein alif oder eine Konsonatenverdopplung mehr oder weniger); die Varianten sagen nur, ob man einen Vokal fünffach oder dreifach längt, ob man zwischen zwei Suren die Basmala wiederholt oder vor einer bestimmten ein Takbir spricht. Um all dies geht es mir nicht. Mir geht es um die Unterschiede zwischen osmanischen und marokkanischen, persischen und indischen Koranen ‒ und darum, worin sich der amtliche ägyptische Koran von 1924 von denen davor unterscheidet. Denn darüber zirkuliert viel Unsinn. Korane unterscheiden sich auf hundert Weisen. Dies werde ich nicht systematisch darstellen. Etwa Lesart, Schreibstil, Zeilen je Seite, ob Verse auf zwei Seiten verteilt sein dürfen, ob 30.tel auf einer neuen Seite anfangen müssen, ob rukuʿat im Text und am Rand angezeigt werden, ob die Verse Nummern und ob die Seiten Kustoden haben, ob es ein, drei, vier, fünf, sechs ... oder sechszehn Pausenzeichen gibt. All dies kann vorkommen, wird aber nicht durchdekliniert werden. Den Augenmerk richte ich auf zwei Punkte: die Schreibung der Wörter, sozusagen das koranische Vokabular ‒ wobei aber (anders als im Duden) das gleiche Wort nicht an allen Stellen gleich zu schreiben ist; die Regeln, wie Vokallänge, -kürze und Diphtonge, wie Assimilation von Konsonanten notiert werden. Besonders interessieren mich die Drucke. Es gibt zwei Hauptschreibweisen/Regeln: afrikanisch (maghrebinisch, arabisch) und asiatisch (indopakistanisch, indonesich, persisch, osmanisch): Für lange Vokale brauchen Afrikaner immer zwei Zeichen: ein Vokalzeichen und einen passenden längenden Vokalbuchstaben; steht der nicht im rasm, wird er klein ergänzt (oder ein eigentlich unpassender wird durch ein Wandelalif passend gemacht).
Asiaten haben drei Kurzvokalzeichen und drei Langvokalzeichen (und Sukūn/Ǧazm). Doch nach den heutigen IPak-Regeln benutzt man bei ū und ī die Kurzvokalzeichen, FALLS der passende Vokalbuchstabe folgt. Bei Lang-/ā/ benutzten Perser und Osmanen/Türken immer das Langvokalzeichen, Inder benutzen es heute nur, wenn kein Alif folgt (also wau, [punktloses] yāʾ oder gar kein Vokal); kommt danach ein Alif, bekommt der Konsonant davor nur ein Fatḥa. Bei Lang-/ī/ benutzten Perser und Osmanen immer das Lang-ī-Zeichen (egal ob yāʾ folgt oder nicht); Inder verfahren heute ähnlich wie bei /ā/: folgt kein yāʾ, steht das Lang-ī-Zeichen: vor yāʾ aber steht (nur) Kasra und das yāʾ bekommt ein ǧazm. (nach IPak sind zeichenlose Buchsaben stumm!) Bei Lang-ū setzen die Osmanen "madd" unter ein wau; bei dem gelängten Personalpronomen -hū bleibt die Längung unnotiert. Inder und Indonesier benutzen das Lang-ū-Zeichen, aber das Kurz-u-Zeichen vor wau. Und jetzt kommt meine Beobachtung aus der Vordruckzeit. Um 1800 benutzten Inder immer das Lang-ū-Zeichen, folgendes wau blieb ohne jedes Zeichen: war also stumm (beim Lesen zu ignorieren) ‒ wenn es zweiter Teil des Diphtongs /au/ ist, bekam und bekommt es ein Ǧazm, ist also zu spechen. Immer das Lang-ī-Zeichen. Immer das Lang-ā-Zeichen. Anders gesagt: 1800 gab es zwei Systeme, Langvokale zu notieren: das maghrebinische, das immer zwei Teile, ein Vokalzeichen (fatḥa, kasra, ḍamma, imāla-Punkt) und einen Längungsvokal (zum rasm gehörend oder Ergänzung), umfasst. Sowie ein indisches System, das ganz auf Langvokalzeichen beruhte, in dem die im rasm vorhandenen Vokalbuchstaben komplett ignoriert wurden. Das maghrebinische System gilt heute in Afrika und Arabien. Das indische System gilt in der Türkei, in Persien und Indien (und Indonesien) in abgeschwächten Formen. In Indien (und Indonesien) gilt IPak, wo Lang-ā vor (punktlosem) yāʾ weiter benutzt wird, vor alif aber durch Kurz-a + fatḥa ersetzt wurde (hier folgt man dem afrikanischen System), und über ī-yāʾ und ū-wau ǧazm steht + davor kasra und ḍamma um Langvokale auszudrücken (also ähnlich wie in Afrika). Das alte indische System gilt nur noch, wo kein Vokalbuchstabe folgt.Wie verbreitet dies klare indische System war, weiß ich nicht. Eine Handschrift aus Kaschmir verfuhr wie die meisten persischen maṣāḥif.
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