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Mittwoch, 13. November 2019

trau keinem Reprint ...

... es sei denn du hast ihn selbst "verbessert"!
Ḥāfiẓ ʿUṯmān (1642-98)'s muṣḥaf auf 815 Seiten (ohne das Abschluss­gebet, den Index und das Kolo­phon) ist sehr oft und sehr lange in Syrien (in Ägypten meist mit tafsīr) nach­gedruckt worden; einen aus mehreren zusammengeschusterten 604seitigen von Haǧǧ Ḥāfiẓ ʿUṯmān Ḫalīfa Qayiš­Zāde an-Nūrī al-Bur­durī (Hac Hattat Kayış­zade Hafis Osman Nuri Efendi Burdur­lu gestorben 11. März 1894 (4 Ramaḍān 1311) findet man oft in der Türkei.


Links ein Damaszener Druck vor 1950 mit vielen Zeichen, die später getilgt wurden:
kleines hā' und yā' für Fünf und Zehn (15,20, 25,30 ...)
zwei Kleinbuchstaben (immer eines davon bā') über baṣrische Vers­zählung
kleine punktlose Buchstaben unter oder über einem punkt­losen Buch­staben, um zu betonen, dass da kein Punkt fehlt (oder auch لا, was wie ein V oder Vogel­Flügel aussieht ‒ in manchen Manu­skripten bekommen dāl und rāʾ einen Punkt darunter, um zu sagen nicht-zāʾ, nicht-ḏāl).

In der Mittel (auf blassgrünem Grund) habe ich zwei Stellen hervorgehoben:
bei der ersten haben die modernen türkischen Bearbeiter (siehe rechts /gelblich) die zwei Wörter von anderen Stellen im muṣḥaf hier­hin­kopiert, damit es klar und deut­lich von Rechts nach links geht, damit jedes Vokal­zeichen "richtig" platziert ist.
bei der zweiten Stelle haben sich die Herausgeber an dem 815er muṣḥaf bedient, um den rasm zu "korri­gieren":

auf dem folgenden Bild aus dem "syrischen" BHO (dem Großen, dem Älteren):
hellblau sind ihmal-Zeichen: Halbkreis, nach oben offen, über dem sīn (drei untergesetzte Punkte sind eine Alternative dazu)
bei ḥ ein ḥ darunter, also kein ḫ, noch ein ǧ
das pinke هـ ist auch ein ihmal-Zeichen, sagt: kein tāʾ-marbūṭa
wieder ein Halbkreis über rā' von rabb (könnte auch ein unter­setzter Punkt sein)
ansonsten ع : kein ġain, und ک :kein lām

Grün: Pausenzeichen, wie auch heute üblich: lā, ǧ(a'iz)

dunkelblau oder hellblau: لب تب basrisch kein VersEnde bzw basr. Versende (تام) zu dieser Gruppe gehören auch حب عب : basrisch-5, basrisch-10 rot sind die waṣl-Zeichen Was ist daran anders als sonst. Während in Indien nichts steht (Grundregel: Nichts --> nicht zu sprechen), und im Westen immer ein waṣl-Zeichen steht, steht bei den Osmanen der ṣād-Kopf nur vor einem "stummen Buch­staben", meist einem an den dahinter­stehenden assimilier­ten.
Desgleichen in diesem Bild, plus zwei neuen Dingen: das erste Wort von Vers 16 الله (normaler­weise waṣl-Zeichen) hat hier ein (in Handschriften und guten Drucken rotes) Fatḥa, WEIL nach obligater Pause.
Auf dem nächsten Bild ein عـ beim Versende, wo jetzt 201 steht, das bedeute mal: Zehner, also 200 (Zusammenziehung von zwei Versen und Teilung (keine Verschiebungen) sind innerhalb einer kanonischen Zählung möglich)

Sonntag, 15. September 2019

muṣḥaf Rušdī-Wāʿiẓ

In einem früheren Post habe ich dar­gelegt, dass es von dem in Baġdād aufbe­wahrten muṣḥaf Muhammad ʾAmīn ar-Rušdīs im ʿIraq, in Saʿudia, in Jordanien und in Qaṭar zwischen 1370/1951 und 1401/1981 Nachdrucke gab.
Bis auf die Nach­worte/Kolo­phone und die ḥizb-Einteilung sind sie alle gleich. Sie geben die Bearbei­tung nach Šaiḫ Naǧm ad-Dīn al-Wāʿiẓ wieder.
Erst jetzt habe ich erfahren, dass es 1415/1994 einen weiteren Nach­druck gab: Er beruht leider nicht auf dem Original, sondern auf dem ʿirāqi­schen Druck:
— alle Zusatz­bemer­kungen wurden getilgt — die ihmal-Zeichen wurden schon 1370/1951 getilgt,
— die hohen yāʾ barī bei jedem zehnten Vers wurden getilgt,
— ALLE Alifs-Waṣl haben jetzt ein Waṣl-Zeichen — nicht nur die vor ḥarf sākin
— Pausenzeichen und Vokalzeichen wurden genauer/richtiger platziert,
— manchmal wurde der Wortabstand vergrößert, langgezogenes-nūn gekürzt
ḍamma-Zeichen wurden durch gedrehtes ḍamma ersetzt, wo die Prosodie ū verlangt,
— Mūsā bekam ein Lang-fatḥa,



Wer hat Bilder vom Original?

Sonntag, 2. Juni 2019

kEIN Standard ‒ osmanisch ‒ türkisch

Meine Kernaussagen:
DEN rasm ʿUṯmānī gibt es nicht, sondern mehrere.
DEN Standard für Koranausgaben gibt es nicht, sondern mehrere.
Und so richtig gibt es Standards erst, seit es Druckausgaben gibt.
Gewiss, westafrikanische Handschriften glichen einander,
osmanische Handschriften glichen einander,
persische waren zueinander ähnlicher als zu osmanischen und indischen.
Indische Handschriften glichen einander,
nordindische mehr nordindischen, ostindische mehr ostindischen,
westindische mehr westindischen, südindische mehr südindischen.
Aber erst dank des Drucks konnten nicht nur wenige Reiche und Gelehrte mehr als eine Ausgabe besitzen; erst seit viele einen hatten, verglich man sie und störte sich an kleinen Unterschieden.
Erst der Druck schuf den Druck zur Standardisierung.
Erst seit fünfzig Jahren haben wir richtige Standards.
Der Maghreb und Indien haben schon lange von Gelehrten ‒ nicht einer Behörde, einer mächtigen Kommission ‒ entwickelte Standards.
Persien und das osmanische Reich hatten Schreib­traditionen mit etwas Band­breite, mit etwas Spiel.
Auch wenn seit Bergsträßer immer wieder ‒ bis heute ‒ Orienta­listen den Gizeh-Druck von 1924 als Standard bezeichnen, ist er das nicht.
Gewiss seit Saudi-Arabien einen dem 1952er "Zweitdruck" ‒ der an über 900 Stellen vom "Erst­druck" abweicht ‒ von ʿUṯmān Ṭāhā nach­geschriebenen muṣḥaf millionen­fach nachdruckt, gibt es einen ost­arabischen Standard ‒ neben dem türkischen, dem des irani­schen Zentrums für Druck und Ver­breitung des Korans, neben den indo­nesi­schen (von 1983, 2002 und 2018),
sowie dem zahlen­mäßig dominie­ren­den indo-pakistanischen.

Und gleich noch eine Kernaussage:
Es gibt zwar ZWEI HAUPTstandards, den afrikanischen und den asiatischen, aber man kann auch von Tausenden ausgehen,
denn die vielen Dimensionen der Verschrift­lichung sind frei kombinierbar:
‒ Klanggestalt (Lesarten, Verschrift­lichung der Vortrags­regeln),
‒ Buchstabengerüst (rasm plus dia­kriti­sche Punkte, Quranic Conmmon Text (QCT), cf. ad-Dānī: al-Muqnī),
‒‒‒ manchmal fokusiert man den rasm pur, meist aber kann man ihn gar nicht von den Punkten trennen, ohne diese hat er ja keinen Sinn. Punktierung wird bei den Les­arten berück­sichtigt, da geht es ja nicht nur im Vokale und Buch­staben­ver­doppe­lung, sondern auch um ṭ <> ẓ, ṣ <> ḍ, ʿ <> ġ, b/t/ṯ/n/y, r <> z, f <> q
‒ die Notation stummer und die verkürz­ter Vokal­buch­staben, sowie die langer Vokale,
‒ Einteilung plus Pausen (ǧuz, ḥizb, ruquʿ, Siebtel, Seite, Vers, Pausen­system, Pausen­stellen, Bekräftigung, Nieder­werfung {im Text, am Rande}, Kustode),
‒ Graphisches (wieviel Zeilen je Seite, ein Duktus für den Text, einer für die Basmala, einer für die Surentitel, Ziffern im Text oder am Rand).
Selbst Experten gehen einfach davon aus, dass man vom Duktus auf die Lesart schließen könnte,
oder von der Lesart auf die rasm-Autorität.
So ein Quatsch!
Sie schreiben von »version du Caire« oder »version du Maroc« statt von der Lesart-Überlieferung Ḥafṣ bzw. Warš oder von der Schreibung nach Ibn Naǧāḥ oder ad-Dānī oder der "iranischen vom Zentrum für Druck und Verbreitung" oder der "neuen indo­nesischen" oder von "ʿUṯmān Ṭāhā II, also Kairo1952 in der neuen Fassung des König-Fahd-Komplexes".
Gewiss die verschiedenen Dimen­sionen machen allein keinen muṣḥaf, aber wenn man ver­schiedene ver­gleicht, sollte man sich bewusst sein, WAS man vergleicht, dann sollte man das, worauf es (einem) ankommt und das Bei­werk deutlich unter­scheiden.

Also nochmal: der rasm, das unpunktierte Buch­staben­gerüst ist ‒ abgesehen von 40 Stellen und einigen Vokalbuchstaben ‒ immer gleich.
Differenzen beschränken sich weitgehend auf ya- statt ta- (oder nu-), fa- statt wa-, šadda oder nicht, Passiv oder nicht.
Bei den Lang­vokalen geht es meist nur um verschiedene Schreibung des gleichen Lautwertes.
Wirklich immer gleich sind die 114 Suren, auch wenn es unter­schiedliche Namen gibt ‒ aber immer in der gleichen Reihen­folge.

2018 verglich Marijn van Putten 23 Stellen im Kairiner Druck mit alten Handschriften
und stellte fest, dass die meisten die gleiche Verteilung von niʿamt Allāh mit tāʾ mamduda und mit tāʾ marbuṭa haben.
Hätte er das mit den 23 Stellen in einer beliebi­gen maghrebi­nischen, indischen, indo­nesi­schen oder türki­schen gemacht, wäre er zu dem gleichen Er­gebnis gekommen.
Nur weil er eine bestimmte Ausgabe als "Standard" mit den Hand­schriften verglich, bestätig­te er quasi ihr Standard-Sein.
Ganz nebenbei: Nicht an allen 23 Stellen steht niʿamt Allāh.

Noch 1960 dominierte eine osmanische Vorlage den syrischen Markt. Noch 1980 druckten drei arabische Staaten eine andere osma­nische Vorlage nach. Der ʿIraq noch zwei weitere. Inzwischen ist das Geschichte.
Heute schreiben nur noch Azerbai­dschan und die Türkei osmanisch,
wobei die Türkei einige Ver­änderungen vor­genommen hat:
u.a. wurde die Unterscheidung von Madda im Wort und an der Wort­grenze getilgt:



was nicht mehr so nötig ist, seit die meisten Drucke Wortabstand haben,
ferner wurde das waṣl-Zeichen getilgt ‒ sei es dass man sich in der Behörde wunderte, dass es mal steht (wie in Kairo), mal fehlt (wie in Indien), sei es, dass sie merk­ten, dass es nur steht, wenn ḥārf sākin folgt (meist ein an den näch­sten Kon­sonanten as­simi­liertes lām; es folgt also ein Buch­stabe mit sukûn oder ein lām vor einem Buch­staben mit šadda) ‒ da es regel­haft stand, kann man es weg­lassen.
Schließlich bekamen alle Drucke die genau gleichen Seiten. Böse gesagt, besteht für die heutigen Türken der Koran nicht mehr aus 114 Suren bzw. 558 Gebets­einheiten, sondern aus 605 Seiten.



Hier bin ich sicher, dass HO2 das nicht zweimal geschrieben hat,
aber auch die ältere Fassung ist nicht 100% die Hand­schrift.
Schon im älteren Druck sind die Vers­Nummern eingefügt und die ihmal-Zeichen und waṣl-Zeichen getilgt.
Die neuen Herausgeber stellen die neuen türkischen Norm­seiten her,
ayat berkenar ist nicht mehr genug; es muss immer das gleiche sein.



Im Orignial stehen die Vokalzeichen nur in der richtigen Reihenfolge, nicht genau beim Buchstaben:

Am Beginn von Ṭaha 94 sieht man zweilerlei:

1.) Die Türken vereinheitlichen alles:
Wenn nicht überall waṣl steht, kommt es überall weg!
Wenn unter einigen wau-hamza qṣr steht, kommt es überall hin,
wo wau-hamza nicht sowohl ḥarf al-madd und hamza-Träger ist.
Ḥasan Riḍā und Muḥ Amīn ar-Rušdī (2. und 4. Zeile, jeweils iraqi­sche Aus­gaben, die außer Vers­nummern und Suren­titel nichts ver­ändern) haben es nicht ge­setzt, weil sie keine Gefahr sahen, dass man es /ūʾ/ lesen könne.
1a) Diyanet tilgt alles, was es nicht versteht. In der obersten Zeile (die 14. Auflage eines Nach­drucks von Hafiz Osman, 1987) steht das waṣl-Zeichen noch, das man deutlicher in der dritten Zeile (Hafiz Osman Original) sieht ‒ heute ist es weg.
Sie haben nicht mehr verstanden, dass es an das (fehlende) alif-waṣl von Ibn erinnern soll.
2.) Die Türken nähern sich dem saudi­schen Standard ‒ still­schweigend ‒ an.
Jetzt schreibt man wie ad-Dānī es vorschreibt: drei Wörter als ein Wort,
was aber völlig okay ist. Zumindest im 1309er (hiǧri) muṣḥaf hat Hafiz Osman Junior selbst schon in einem Wort ge­schrieben.
Diyanet macht oft nur eine Collage, ver­schiebt auch Zeichen oder tilgt ein alif.
Sie bringen aber auch eine Ausgabe im Com­puter­satz heraus:

Hier die erste Zeile des letzten ǧuz im Vergleich: aus dem letzten von Hafis Osman Qayşzade geschriebenen muṣḥaf (heute in University of Michigan),
aus der Ausgabe Diyanet 2018
aus der südafrikanischen Taj-Ausgabe (mit 13 Zeilen je Seite,
        Waterval Islamic Institute, Johannisburg)
aus ʿUṯmān Ṭaha Medina

In the first and in the last line there is no extra space between words.
In the Ottoman text (first line) nabaʾi has a silent alif (silent because bāʾ has a normal fatḥa ‒ not a straight one).
Nethertheless, both rasm and sound are identical in all editions.
Mit etwas mehr Kontext, erst zweimal von HO Senior, dann zwei­mal vom Junior ‒ erstes und viertes aus Drucken, die mittleren aus Hand­schriften ‒ die ersten drei Original, die letzte Zeile be­arbeitet..

Montag, 27. Mai 2019

osmanische Drucke I

Eines der anregendsten Bücher zum Urkoran, Urislam stammt von einem Forscher, der davor für ganz Anderes bekannt war, dem Berner Berliner Reinhard Schulze:
Der Koran und die Genealogie des Islam
Trotzdem habe ich gerade eine Fußnote zu frühen Drucken geändert. Ich hatte mich darin auf Schulze und Bobzin (der sich auf Chauvin verlässt) ver­lassen. Da Schulze münd­lich mit­teilte, die frühen persischen, benga­lischen und osma­ni­schen Drucke, die er erwähnt hatte, in der Uni-Biblio­thek zu Bonn ein­gesehen zu haben, der Bib­lio­theks­kata­log aber keines der drei Exem­plare kennt, und sich die Exper­ten einig sind, dass es in Kon­stanti­nopel vor 1873 keine ‒ legalen ‒ Drucke gab, habe ich "seine" drei Drucke raus­geworfen.
Bevor ich zu den ersten Drucken in Kon­stanti­nopel komme,
von Google via Wiki­pedia zur Ver­fügung gestellte Anfangs­seiten eines osma­nischen Korans ‒ in Nastaʿlīq.

Wenn seitenlang über einen muṣḥaf geschrieben wird, wie es Michael W. Albin im Artikel "Printing of the Quran" der Encyclo­pedia of the Qur'an über den angeb­lich ersten im osma­nischen Reich, nämlich in der ägypti­schen Provinz des­selben, gedruck­ten macht, um am Schluss anzu­deuten, dass es ihn gar nicht gab, dann bin ich ent-zückt.
Deshalb gleich zu Beginn: die beiden ersten offi­ziellen osma­nischen Litho­gra­phien habe ich nicht gesehen, will sagen: im Netz kein Bild davon gefunden,
dass es sie viel­leicht ‒ trotz der reich­lich Literatur dar­über ‒ nie gab:
Der erste soll von Aristide Fanton 1871/2 in London auf der Grund­lage eines muṣḥaf von Hafiz Osman dem Älteren, den Natıq Kemal besorgt haben soll, her­ge­stellt worden sein.
Der zweite ‒ erste IN Konstanti­nopel mit dem Segen des Staates ‒ gedruckte soll die Kopie eines von Şeker­zade Mehmed Efendi (d. 1166/1753) IN Medina geschrie­benen sein. Heute gibt es einen Reprint, ob von der Handschrift oder vom 1291/1875er Druck bleibt unklar.
((Nachtrag: M. Brett WILSON hat mir Bilder aus beiden Drucken zur Verfügung gestelle, dazu ein neuer Post.))
Sicher gibt es seit 1873 eine Flut von Drucken, meist von Hafiz Osman dem Jüngeren oder von Muṣṭafā Naẓīf geschrieben.
Manche in Moschen-Größe, manche auf schönem Papier mit Gold­rahmen.
Solche wurden an Moscheen, Schreine, Stif­tungen und Staats­männer ver­schenkt.
Andere kleiner, billi­ger. Sie wurden nicht nur von Kalli­graphen zum Kopieren, von Gelehrten zum Studieren, sondern auch von Hand­werkern, Kauf­leuten und Gesell­schafts­damen gekauft und in großer Zahl Schulen zur Ver­fügung gestellt.
Sie wurden in Kairo eher selten (meist mit Tafsir), in Syrien immer wieder (bis 1960) ge­druckt.

Zumindest bis zu dem Krieg, den isla­mistisch-militante ara­bische Staaten gegen die syrische Regie­rung an­zet­telten, wurden in Aleppo "osma­nische" Koran­texte gedruckt.

und bis 1990 im ʿIrāq zwei ver­schiedene von staat­lichen Stellen gedruckt. In der Türkei sind sie schon lange (seit siebzig Jahren ????) meist (oder immer?) an den Standard der Religions­behörde ange­passt.
Doch selbst 1956 erschien in Kairo der 522seitige von Muṣ­ṭafa Naẓīf ganz original (bis auf Vers­ziffern statt Vers­ende­markie­rungen).
In Kein Standard gehe ich auf den ʿirāqischen Staats­druck ein (666+ Seiten mit 13 Zeilen): 1370/1951 war der Erst­druck in der Maṭbaʿat Mudīriyyat al-Masāḥa al-ʿAmma; 1386/1966 für den Irāq von Lohse, Frank­furt; 1398/1978 im Gebet­buch­format mit Reiß­verschluss für die suʿudi­schen Regierung in West­deutsch­land; 1400/1979 in Qaṭar; 1401/1981 für Ṣaddām neu her­aus­gegeben. Die Vor­lage war 1236 von Muḥammad ʾAmīn ar-Rušdī geschrie­ben worden und 1278 von der Valide von ʿAbd al-ʿAzīz dem Schrein Junaids in Baghdād geschenkt worden, heute in der Biblio­thek des Grabes des Imām al-ʾAʿẓām ʾAbū Ḥanīfa aufbewahrt.
In ähnlicher Aufmachung gab es Drucke von Ḥafiz ʿUṯmān und Ḥasan Riḍā.

rechts die Titelseite der Ausgabe Muḥ A. ar-Rušdī, in der Mitte die von Ḥasan Riḍā, links die Heraus­geber­schaft ‒ Heute gibt es im ʿIrāq zwei Behörden: Dīwān al-waqf as-sunnī und ... aš-šiʿī; beide geben maṣāḥif auf 604 Seiten heraus; die Sunniten über­nehmen für den Text Vektor­gra­phiken aus Medina (UT1), die Schi'iten haben den ʿirāqi­schen Kalli­graphen Hādī ad-Darāǧī schreiben lassen.
(Später werde ich noch einen Tehraner Druck vorstellen.)
rechts die erste "normale" Seite von M.A.ar-Rušdī, links von Ḥasan Riḍā:

Beachtenswert:
‒ in Zeilen 3,5,6,7,9: Wortgrenze zwischen Alifs
‒ in Zeile 2: vor (10) das hoch­gestellte yāʾ, welches Zehn be­deutet
‒ einige untergesetzte Ihmal-Zeichen, die sagen: kein Punkt

‒ genau wie bei Rušdi gibt es vor ḥurūf sākina   waṣl-Zeichen auf führen­dem Alif, sonst nicht. ( waṣl-Zeichen steht vor ḥarf sākin, also vor einem Buch­staben mit sukûn oder vor weg-assimiliertem lām vor Buchstaben mit šadda; das waṣl-Zeichen ist über­flüssig; heute (im Stan­dard der türki­schen Republik) wird es weg­gelassen.)
‒ Das /fī/ in Zeile drei besteht nur aus Fehlern: Was machen die Punkte beim End-yāʾ? Was macht das Lang­vokal­zeichen vor Doppel­konsonanz? Und wieso steht das (Lang-)kasra über dem yāʾ statt darunter? ‒ Ist aber üblich so.
‒ in den Zeile 1,3 und 7 gibt es ǧazm-Zeichen über ḥurûf al-madd.
— dass man den Bezug zwischen ǧazm-Zeichen über dem ḥarf al-madd der ersten Zeile besser sieht, habe ich die Zeichen so plat­ziert, wie sie nach "modernem" Ver­ständnis sitzen müssen.


Montag, 4. Februar 2019

Quatsch von den Experten

Weil Bergsträßer, Neuwirth, Bobzin Qurʾān-Experten sind, müssen wir bei Ihnen beson­ders auf der Hut sein.
((Desgleichen bei Fran­ҫois Deroche)) Auch sie wissen nicht Alles ‒ und über ein Rand­gebiet, für das sie sich gar nicht inter­es­sie­ren, erst recht nicht.
Ich behaupte, Bergsträßer hat sich wohl gerade mal éine per­sische Litho­gra­phie ange­schaut und KEINEN maghre­bi­nischen Druck STUDIERT (und auch keinen indi­schen); sonst hätte er den Quatsch, den er ge­schrie­ben hat, nicht ge­schrieben.
Neuwirth und Bobzin könnten den 1924er nicht an­geschaut haben, bevor sie schrie­ben, was sie ge­schrie­ben haben.
Wie sonst machte die eine in den Fuß­noten falsche Angaben zum Titel?
Wie sonst, nennte der andere ihn „Azhar-Koran“, obwohl in dem langen Nach­wort zwar der König erwähnt wird und al-Ḥusainī al-Ḥaddād, der Oberste Leser Ägyptens, der ihn ge­schrie­ben hat? (im 1925er Nach­wort korri­giert: den Ursprung, die Vor­lage zum Setzen ge­schrie­ben hat)
Was berechtigt Bobzin, etwas was Berg­strä­ßer wieder und wieder „den amt­lichen (ägyp­ti­schen) Koran“ nennt, der sich selbst (in der Widmung) „al-muṣ­ḥaf al-karīm“ und (in den Erläute­rungen/at-taʿrīf) „al-muṣḥaf aš-šarīf“ nennt und im Text „Azhar“ nicht benutzt, „Azhar-Koran“ zu nennen?
Nix!
Bergsträßer, der ja wenige Jahre nach dem Druck mit dem Haupt-Her­aus­geber geredet hat, macht klar, dass ein Šaiḫ der Azhar-Univer­sität die Rich­tig­keit des ohne ihn ge­mach­ten Werkes nur be­stätigt hat.
Ich gehe so weit zu sagen, dass ein Azhar-Koran 1924 ein Ana­chro­nismus wäre.
Berg­sträßers Exemplar trägt den Präge­stempel ṭabʿat al-ḥukūma al-Miṣrīya sanat 1343 hiǧriyya
Der Druck wurde am 7.12. (ḏu l-ḥiǧǧa) 1342/10.7.1924 abge­schlos­sen.
Doch aufgepasst!
Die Behauptung, dass der Druck abge­schlossen worden sei, steht in dem Buch,
muss aber nach „Abschluss des Druckes“ ge­setzt und ge­druckt worden sein!
Wenn es keine Mystifi­ka­tion ist, dann muss man die Aussage so deuten:
Der Druck des qurʾāni­schen Textes selbst sei am 7.12.1342 abge­schlossen worden,
das ganze Werk inkl. der Wid­mung an den König, der ‒ hier wie auch sonst in der Zeit in Ägypten ‒ als „Fuʾād der Erste“ bezeichnet wird, obwohl es noch gar keinen „Zweiten“ gab und des­halb kor­rekter­weise schlicht „Fuʾād“ heißen muss, ganz so wie der ak­tuelle Papst „Franzis­kus“ heißt und das „I“ erst bekommt, sobald es einen „II“ gibt,
kann erst danach abge­schlossen worden sein.
Von der Bindung des Werkes ‒ Qurʾān, Widmung, taʿrif, ḫātima, Index und Druck­ver­merk, jedoch ohne Titelblatt, aber mit Präge­stempel ‒ abge­sehen!
Für die Ver­öffent­lichung gilt also nicht das im Druck­vermerk an­gegebene 1342, sondern das vom Präge­stempel: 1343, welches Anfang August 1924 begann, aber wohl erst 1925 geschah, denn das Binden brauchte damals Zeit; erst dann konnte das Werk erscheinen.
Der Text, der danach bloß noch tech­nisch umge­SETZT wurde, lag aber schon am 13.1.1919 fertig vor.
Dies bestätigte außer dem Schreiber selbst, besag­tem Ober-Rezitator, auch Ḥifnī Bey Nāṣif, ehe­maliger Leiter der Arabisch­abteilung im Erzie­hungs­minste­rium und zwei Pro­fessoren an der Pädago­gi­schen Hoch­schule an-Nāṣi­rīya ‒ direkt neben beim Ministe­rium: zwischen Garden City und as-Saiyida Zainab gelegen ‒, der Korek­tur­leser der Staats­drucke­rei und ein Azhar-Šaiḫ
‒ angeb­lich 1919, in Wirklich­keit aber erst 1924 (= nach dem Druck, vor dem Binden), eine Bestäti­gung der Rich­tig­keit der Vorlage für den Setzer reicht ja nicht, um den Käufern und Lesern die Rich­tig­keit des Druckes zu bestätigen.
Warum das fungierte Datum 10.4.1337 /13.1.1919?
Weil Ḥifnī Bey kurz danach gestorben war ‒ und aus dem Grab konnte er schlecht unter­schreiben.
ʿAbd an-Nāṣir hat die Azhar aber erst Jahr­zehnte später ver­staat­licht, sie ein biss­chen zu einer ägyptischen Diyanet İşleri Başkan­lığı gemacht. Erst dann konnte die Staats­drucke­rei den Staats­mufti und Chef der staat­lichen isla­mi­schen Univer­sität dazu bewegen, ihnen zu er­lauben, einen völli­gen Neu­druck des amtlichen Korans als „muṣḥaf al-Azhar aš-šarīf“ zu ver­markten.
Bobzins Behauptung, dass es nach 1924 eine Welle an Koran­drucken ge­geben habe, ist bloße Behauptung.
Doch wenn es sie ge­geben hat, hat sie sicher mehr mit Technik ‒ Offset ‒ zu tun, als damit, dass zum ersten Mal ein fester Text vor­ge­legen habe ‒ seine dritte falsche Behaup­tung in éinem Satz.
Es gab vor 1924 drei feste Texte:
den marokkanischen,
den indischen,
den osmanischen und
‒ weniger fest, d.h. mit einer kleinen Schwankungs­breite: ‒ den persischen.
(Und heute gibt es die drei festen, mehrere iranische und indonesische ‒ plus Kazan.)
Was 1924 geschah: Ägypten schrieb den marok­ka­ni­schen rasm statt den osmanischen,
über­nahm auch die marokka­ni­schen Zusatz­zeichen (plus Ver­besserung beim sukūn), die marok­ka­nische Dif­feren­zierung beim tanwīn, die marok­ka­nische Teilung eines ǧuz in zwei aḥzāb (statt in vier wie im osmani­schen Reich);
ver­zichtet ‒ wie Marokko ‒ auf nūn qutnī und Zeichen für bas­rische Zählung, sowie ihmal-Zeichen;
vergrößerte Wort- und Zeilen­abstand, benutzte weniger Ligaturen;
erhöhte ‒ wie einzig Reinhard Schulze feststellte ‒ die Les­bar­keit für die gemeinen Araber*in
und machte bei den Pausen­zeichen einen Kom­promiss zwischen Indien und Marokko.



Auch ich habe dem Experten blind geglaubt.
Bergsträßer schreibt:
„Quelle für diesen Konsonaten­text sind natürlich nicht Koran­hand­schrif­ten, sondern die Literatur über ihn; er ist also eine Rekon­struk­tion, das Ergebnis einer Um­schrei­bung des üb­lichen Kon­sonanten­textes in die alte Ortho­gra­phie nach den Angaben der Literatur.“
Das hat ihm der Chefherausgeber so weis­gemacht, und ich habe es geglaubt und schreibe das auch so in „Kein Standard“.
Stutzig wurde ich, als ich fest­stellte, dass 60 Jahre später in Medina und Tunis im Nachwort „meistens“ ein­gefügt wurde: Man hält sich meistens an Ibn Naǧāḥ, sonst an ad-Dānī.
Nirgends wird erklärt, nach welchen Kriterien, mal so, mal so.
Geht man der Sache auf den Grund, liegt Folgendes nahe:
Der Herausgeber haben den Text gar nicht ab ovo rekon­struiert, sondern hat den Text ‒ soweit Warš nicht von Ḥafṣ abweicht und die Stellen kennt der Ober-Rezitator aus­wendig ‒ aus Marokko (oder einer Kairiner Warš-Ausgabe) über­nommen ‒ sein rasm ist weder ad-Dānī (wie vorher bei Muḫallalātī und später in Lybien), weder 100% Ibn Naǧāḥ (wie behauptet), noch 100% al-Ḫarrāz (dessen Auswahl aus den beiden), auch nicht 100% der gemeine marok­ka­nische rasm, aber sehr nah dran: Es gibt nur gut hun­dert Stellen, an denen al-Ḥusainī al-Ḥaddād ein (normales) alif hat, wo in Marokko keines steht oder um­ge­kehrt.
Selbstverständlich anders sind die Stellen, an denen anders gelesen wird.

Merkwürdig ist, dass Brockett Berg­sträßers LOB, dass der Text nach ad-Dānī rekon­struiert sei, statt ihn einfach von jüngsten guten Vorgänger abzu­schreiben, als "criticism" bezeichnet (Brockett: Study p. 87). Es will mir nicht in den Schädel, dass Brockett, der viel von Berg­sträßer gelesen hat, ihn so miss­ver­stehen kann. Berg­sträßer und sein Schüler Pretzl hatten gerade ad-Dānī entdeckt und waren begeistert, dass auch muslimi­sche Gelehrte diesen hoch­hielten, behaup­teten, der ihnen bestens vertrauten Laut­gestalt dank Dānīs Muster­bögen wieder das alte Schrift­kleid gegeben zu haben ‒ auch wenn sie dieses ‒ wie ich vermute ‒, weitgehend maghre­binischen maṣāḥif ent­nommen hatten.

Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Grup­pen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 198...