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Sonntag, 23. Dezember 2018

Mushaf Qatar ‒ romantische Reaktionäre

Die meisten deutschen Arabisten finden den muṣḥaf Qaṭar besser als den sa­udi­schen, al-Banki einen größeren Kalli­gra­phen als ʿUṯmān Ṭāhā.

Ich sehe das anders.
Vor 200 Jahren schrieb ein gefragter Kalli­graph drei maṣā­ḥif im Jahr, UT braucht drei Jahre für einen. Warum?
Die Anforde­rungen an ein künst­lerisches Unikat sind andere als an eine Vorlage, die zig mil­lionen­fach re­pro­duziert wird.
Wenn früher ein Buch­stabe miss­glückt war, wenn zwei Punkte ver­ruscht waren, dann machte das gar nichts.
Nur ganz wenige konnten lesen und die waren meist ge­bildet, kannten oft den Koran aus­wendig und wie im Kon­zert manch­mal ein Ton daneben geht, während man im Studio die Stelle wieder­holt, bis alles stimmt, so liefert UT maschi­nen­genaue Arbeit, während al-Banki seine Künstler­natur auslebt.

Vergleich gleicher hamzae von Beiden; einer ist genau, der andere schreibt mit Schwung.



Mittwoch, 12. Dezember 2018

Mushaf Qatar ‒ kāḏiba

Den Gizeh-Koran mit seinen fast 900 Seiten kauften nur Orientalisten.
Der einfache Ägypter zog die 522 Seiten (erst von Muṣṭafā Naẓīf Qadir­ġalī, seit 1975 von Muḥammad Saʿd Ibrāhīm al-Ḥaddād ge­schrie­ben) vor, nach 1976 auch den genau­so kom­pakten (ge­setzten) Azhar-Koran.
1977 begann ʿUṯmān Ṭahas Siegeszug: den 1952er Text der Amīrīyya im Stile der Amīrīyya auf den 604 Seiten der Aus­gaben von Kayış­zâde Hâfız Osman: Hand­schrift so genau wie Type, noch liga­tur­ärmer als Type: ruhiges Schrift­bild, leicht zu lesen.
Das Sechstel der Muslime, das zwischen Nil und Tigris lebt (und deren Dia­spora), haben heute Aus­gaben dieses Typuses.
Die folgen alle der Ortho­gra­phie der Amī­rīy­ya-Aus­gabe von 1952, die etwa 900 mal vom "Stan­dard­koran" von 1924 ab­weicht ‒ zwar nur drei Stel­len mit ande­rem rasm, mal ein an­ders sit­zen­des Ham­za, grund­sätz­lich andere Suren­über­gänge (näm­lich mit der Bas­mala) und Suren­titel­käst­chen (näm­lich ohne Angaben zur Offen­barungs­reihen­folge), sowie sehr viele andere Pausen.


Logo der Mushaf Qatar App.

Mit einer Ausnahme:
Muṣḥaf Qaṭar weicht an einer Stelle ab.
Sure 56, Vers 2, kāḏiba
Der Gizeh-Koran schreibt es mit alif, wie Türken, Inder und Perser.
ʿUṯmān Ṭaha, Syrien, Dubai, Oman, Baḥrain, sie alle schrei­ben es mit alif.
Qaṭar aber schreibt es ‒ so wie man in Marokko, im Senegal und Medina (Warš) schreibt ‒ mit Ersatz­alif.
Dürfen die das?

Aber sicher. An der Klang­gestalt (kāḏiba), am Sinn ändert sich nichts.
Und sie haben nicht nur die Maghre­biner auf ihrer Seite, sondern auch das Manu­skript, das Tayyar Altı­kulaҫ (IRCICA) kurz vorher her­aus­ge­ge­ben hat: der dem dritten Kalifen zuge­schrie­bene ägypti­sche muṣḥaf, der sich heute im Topkapi Palast­museum befindet.
Der Koran ist in erster Linie mündlich (über­liefert).
Man schreibt ihn wie man will.
Zur Zeit demon­striert das das dem iranischen Revolu­tions­führer unterstellte Zentrum zum Druck und zur Ver­breitung des Koran:
Sie wollen eine möglichst wenig verwirrende Schreibung.
Wenn sie für die von ihnen bevorzugte Schrei­bung ein Vorbild oder eine Autori­tät finden, dann ist's gut,
Aber 17 Wörter schreiben sie nach ihren Vor­stellungen, ohne dafür ein gutes Vor­bild zu haben -- und sind stolz darauf.
Diese 17 finden Sie in meinem Amazon-Buch "Kein Stadard", wobei ich ent­deckt habe, dass sie an weiteren Stellen plene schreiben, obwohl das die rasm-Autori­täten nicht erlauben und auch nicht in den vom Zentrum genannten guten Vorlagen vorkommt, sondern höchstens in "schlechten" osmani­schen oder persi­schen Ausgaben.
Sie folgen Qaṭar bei kāḏiba nicht, obwohl es Parallelstellen gibt, wo sie Ersatzalif haben,
obwohl normales Alif einfacher ist als Ersatzalif.
Ich wage die Behauptung: Hätten sie ihre Aus­gabe nach dem Bruch zwischen Saʿudi-Ara­bien und Qaṭar heraus­ge­geben, hätten sie sich der Schrei­bung des muṣḥaf Qaṭar ange­schlos­sen.



Ledriges Logo des Mushaf Qatar.

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Die König-Fuʾād-Ausgabe

Seit 1972 in einem zuge­mauerten Dachboden der Großen Moschee von Ṣanʿāʾ Tausende sehr alter Koran­frag­mente ent­deckt wurden, genauer seit 2004 Sergio Noga Noseda hoch­auf­gelöste Farb­photo­graphien her­stel­len durfte, seit Wissen­schaft­ler er­kannt haben, dass Blätter, die in bis zu sieben ver­schie­denen Samm­lungen auf­be­wahrt werden, zusammen gehören und man diese ‒ dank online- bzw. Druck-Publikat­ionen ‒ stu­dieren kann, seit man Tausende in Stein geritzte Kurz­texte aus Syrien, Jordanien und Sa'udi-Arabien (immer besser) lesen kann, ist die Erfor­schung der arabi­schen Sprache und Schrift der Jahr­hunder­te un­mit­tel­bar vor und nach Muḥammad der auf­regend­ste Teil der Islam­kunde.
Seit der Zerstörung der Zwillings­türme in Man­hattan sind Über­legun­gen über den Islam als spät­antike Zivilisation und/oder mit Juden­tum und Christen­tum verwandte Religion besonders beliebt.
Leider äußern sich die ExpertInnen auf diesen interes­san­ten Gebieten auch zu einem Thema, das sie nicht studiert haben ‒ weil nicht inter­essant genug ‒ und schreiben dazu fast nur Unsinn.
Auf dem Gebiet der gedruckten Koran-Ausgaben muss auf­geräumt werden. Und das will ich hier tun.
Viele deutsche Orienta­listen bezeichnenden den amt­lichen ägypti­schen Koran von 1924/5 als „den Standard­koran“, andere nennen ihn „Azhar­koran“.
Über die König-Fuʾād-Ausgabe, den Gizeh-Koran, den Ver­messungs­amt-Druck (المصحف الشريف لطبعة مصلحة المساحة المصرية), dem 12-Zeiler (مصحف 12 سطر), zirkulieren viele falsche Ideen. Einige glauben, eine Hand­schrift vor Augen zu haben.
Nachtrag 2025: So kürzlich Asma Hilali in einem dem 1924er Koran gewidmeten Sonder­heft der Zeitschrift der Kairiner Dominikaner MIDEO: « Muḥammad ʿAbd al-ʿAzīz al-Rifāʿī (m. 1936) éta[i]t le calligraphe [et l'éditeur] du Coran du Roi Fuʾād. »
Andreas Ismail Mohr und Prof. Dr. Murks nennen die Ausgabe „Typen­druck“. Dabei macht das Nach­wort ‒ von 1926 bis 1951 noch deut­licher als 1924/5 und seit 1952 ‒ alles klar. Die von Ägyptens šaiḫ al-maqāriʾ Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād (1282/1865‒1357/ 22.1.1939) ‒ nicht zu ver­wech­seln mit dem Kalli­gra­phen Muḥammad ibn Saʿd ibn Ibrāhīm al-Ḥaddād (1919‒2011) ‒ geschrie­bene Text­vor­lage wurde in Būlāq mit fünf Etagen je Zeile gesetzt (Pausen­zeichen; fatḥa, damma, sukūn; Buch­staben [bei Grund­linien-hamza inkl. des Vokal­zeichens]; kasra; Abstand). Daraus wurden im Ver­mes­sungs­amt ‒ wo man mit dem Drucken von Land­karten schon Offset-Erfah­rung hatte ‒ Druck­platten. Dort wurde auch gedruckt.
Typen­druck ist ein Hoch­druck­ver­fahren. Die Typen hinter­lassen auf dem Papier kleine Ver­tie­fungen: drücken die Drucker­schwärze in das Papier. Off­set ist ein Flach­druck-Ver­fahren, bei dem das Papier die Farbe auf­saugt; Vertie­fungen kann man nicht finden. Mit den Augen sah Mohr, dass es nicht hand­ge­schrie­ben war. Dass man aber Typen­drucke nur mit dem Tast­sinn (nicht dem Gesicht) er­kennen kann, weiß er nicht. Und Prof. Dr. Murks auch nicht.
„Das ist doch Unsinn, statt auf­wän­dig zu setzen und das EIN­mal zu drucken, kann man doch besser einen Kalli­graphen schrei­ben lassen.“ Das ver­kennt den tech­noiden Ge­nauig­keits­sinn der Her­aus­geber von 1924. Bis heute gibt es außer ʿUṯmān Ṭaha (UT) nie­man­den, der so genau ist wie der Setz­kasten oder der Com­puter.
Zwei Beispiele zu Ver­anschau­lichung.

Während bei UT klar yanhā zu lesen ist, steht in der wunder­schönen osmani­schen Hand­schrift naihā; während die drei Vokal­zeichen (fatḥa, sukūn, Lang-ā) klar in der rich­tigen Reihen­folge stehen (es geht ja nicht anders, sie stehen ja alle oben), steht nūn (vielleicht) vor yāʾ (kommt der nūn-Punkt vor den yāʾ-Punkten). Übrigens haben die beiden „Zahn“-Buch­staben bei UT einen Zahn oder Stachel, aber keinen im Hof-Osma­ni­schen! Während es bei UT zwischen heh (ich benutze den Uni­code-Namen zur deut­lichen Unter­schei­dung von ḥāʾ) und alif maq­ṣūra klar nichts gibt, könnte da im osma­ni­schen durch­aus ein Zahn sein: Man brauchte nur zwei Punkte dar­über­zu­setzen und es wäre hetā oder so.
Zweites Beispiel: wa-malāʾi­katihī Während im amt­li­chen Koran (unten) und bei UT (Mitte) VOR dem Zahn über der Grund­linie ein Er­satz­alif-mit-mad­da schwebt, schwebt im Muṣ­ḥaf Qaṭar (oben) unter der Grund­linie ein hamza-kasra NACH Wan­del-Alif mit mad­da, das den yāʾ-Zahn in ein (deh­nen­des) Alif wan­delt. Das ist nicht schlimm (Klang und rasm sind ja gleich), ist aber eine ande­re Ortho­gra­phie und darf nach der Vor­stel­lung von Men­schen, die im Koran kein Un­ge­fähr dul­den, nicht sein.

Nun die ganze Seite 3 im Vergleich. Gizeh-Druck und UT: die Amiriya ist kalli­graphi­scher als UT, was man an den Bei­spielen am rechten Rand erkennt.
Alles in allem folgt UT der Vorgabe. Grund­linie und klares von rechts nach links. Nur beim Abstand zwi­schen Wörtern ist er weniger modern als die Amiriyya (weshalb Dar al-Maʿrifa den Abstand ver­größert hat).
Ebenfalls von Seite 3 Ver­gleich von Muṣḥaf Qaṭar und UT. Im ersten und letzten Bei­spiel setzt Abū ʿUmar ʿUbaidah Muḥammad Saliḥ al-Banki die yāʾ-Punkte nicht GENAU unter den Zahn (im ersten Fall wegen des nahen nūn, im zweiten Fall aus Nach­lässig­keit). Drei Fälle zeigen Zahn-Buch­staben ohne Zahn. Und ein Knuddel-mīm, was dessen Vokal­zeichen (für moderne Leser) falsch sitzen lässt: das mīm steht rechts vom lām, das mīm-Vokal­zeichen steht aber links, weil das mīm nach dem lām zu sprechen ist. Es steht also zu Recht „falsch“.

Bevor ich aufhöre (für Heute): ein Stadt­plan von Kairo 1920, auf dem ich die Amīriyya und das Grund­buch­amt mit Pfeilen in Nil ge­kenn­zeichnet habe, außer­dem Midan Tahrir und die Stelle, wo neuer­dings die Regie­rungs­drucke­rei ist. Ferner das Erziehungs­mini­ste­rium und die Nāṣirīya, wo drei der Her­aus­geber tätig waren.
Alles rechts des Nils plus den Inseln ist Kairo, alles links davon (Imbaba, Doqqi, Gizeh) gehört nicht nur nicht zur Stadt Kairo, sondern liegt in einer anderen Provinz.
Wichtig: Setzerei und Offset-Werk­statt waren mit Auto, Straßen­bahn und Boot gut ver­bunden. Die mon­tier­ten Seiten hatten keinen weiten Weg.
Die beiden arabischen Texte sind die Druck­ver­merke von 1924 und 1952, beide aus den Exem­plaren der Preußi­schen Staats­biblio­thek, die fünf Aus­gaben be­sitzt.
Und hier die aller­letzte (unpagnierte) Seite des Urdruck.

Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Grup­pen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 198...