Sonntag, 31. März 2019

Adrian Alan Brockett 1984

Vor 35 Jahren legte A. A. Brockett an der Uni­versity of St.Andrews seine Doktor­arbeit Studies in Two Trans­missions of the Qurʾān vor. Sie machte ihn zum Doktor der Philo­sophie und brot­los ‒ das verdiente er dann als land­wirt­schaft­licher Berater in arabischen Ländern.
Meine Grundthese ‒ auf Erden gibt es den Standard­koran nicht ‒ belegte er schon damals:
the "official" text of 1342/1924 is not official.
Ferner zeigte er:
Der qurʾān wurde immer mündlich und schrift­lich über­liefert.
Mündliche und schriftliche Über­liefe­rung stützten ein­ander, kon­trol­lierten sich gegen­seitig.
und: Die Abweichungen zwischen den Über­liefe­rungen und zwischen den Druck­ausgaben sind gering:
Es gibt verschiedene Klang- und Schrift­gestalten des qurʾān,
es gibt aber nur einen qurʾān.

Das war vor dem Internet, vor Unicode, vor ʿUṭmān Ṭāha, vor den Qālūn-Aus­gaben in Damas­kus, Dubai, Tripoli und Tunis, sogar vor den CDs mit Aus­schnit­ten aus den Sieben (und den Drei danach).
Er hatte viele Ausgaben von Ḥafṣ und Warš aus Ägypten, aus Tehran und Tunis, sowie ein paar Hand­schriften.
Von Zamaḫšarīs Kaššāf und Sība­waihīs Kitāb gab es keine kriti­schen Ausgaben, so dass er, wenn dort Stellen aus dem qurʾān anders erschienen, über­legen musste, ob es sich um Setz­fehler handelt oder wirk­lich um eine abwei­chende Schreibung.
Englisch-Arabisch gemischte Texte waren an Schreib­maschine/Computer prak­tisch nicht zu erstellen:
deshalb hielt er die kora­nischen Ortho­gra­phien in einer "trans­litera­tion" fest, die der (spä­te­ren) Puins unter­legen ist.
Er wusste nicht, was eine Trans­lite­ration ist, ver­mengte sie mit Trans­kription.
Erstere gibt die Aus­gangsschrift wieder, muss eindeutig umkehrbar sein,
am einfachsten: ein Zeichen <> ein Zeichen;
aussprechbar muss sie nicht sein.
Letztere gibt die Aus­gangssprache wieder, ist aus­sprechbar, lesbar,
muss aber nicht (auch von einen der Sprache Unkundigen) umkehrbar sein.
Das ist aber Brocketts "transliteration" keineswegs.
Mir sagt sie so gut wie nichts, ohne die Stellen­angabe (1:3) hinter seinen Zeichen, stünde ich im Dunkeln.
Die Schlangenlinie (Tilde) steht bei ihm sowohl für "nicht im rasm" und für "über­dehnt".
Er verwendet saublöde Begriffe.
Immerhin definiert er sie eingangs:
"graphic" steht für "im rasm notiert",
"vocal" geht für "nicht im rasm notiert" ‒
seine eigene Definition "The term 'vocal form', with respect to the Qur'ãn, is used throughout to signify the consonantal skeleton fully fleshed out with diacritical marks, vowels, and so on."
ist komplett falsch:
1. meint er gar nicht die Schrift mit allem Drum­und­dran, sondern nur das Drum­und­dran.
2. gibt es im Qurʾān kein Konsonnatengerüst, sondern ein Buchstabengesrüst
3. ist das Buchstaben­gerüst nicht stumm (avocal) und das Drum­und­dran nur lautlich,
beide werden geschrieben UND gesprochen, sind graphisch und lautlich bedeutend.
Was er meint, ist: es gibt Zeichen, die von Anfang an geschrieben wurden,
und Zeichen, die erst später dazu­kamen: diakri­tische Punkte, Vokalzeichen, Verdopplungs­zeichen, Hamza­zeichen, Waṣla­zeichen, Zeichen für Imala, Išmām, Assimi­lation, Vokal­losig­keit, Ignorieren bei der Aus­sprache (absolut oder nur im Kontext), Nachdruck, Ab­schwä­chung, Über­dehnung.
Es gibt also auch Zeichen, die geschrie­ben wurden, aber nicht gesprochen; außerdem Aus­sprache­phäno­mene, die nur in guten Aus­gaben ge­schrieben werden (wie Nasa­lierung, Assimi­lation, Deut­lich­keit, Nach­druck) <beim Letzt­genann­ten ist zu unter­scheiden: Buch­staben, die immer nach­drücklich sind, welche, die in der Umgebung nach­drück­lich sind und solchen, die aus­nahms­weise nach­drücklich sind ‒ nur das Dritte muss notiert werden>
3.) Obwohl er "definiert": The term 'graphic form' refers to the bare consonantal skeleton, meint er auch dies nicht; er meint rasm+diakrit.Punkte ‒ und "vocal" für den Rest.

Da seine Arbeit immer noch das Beste ist, was auf Englisch dazu vorliegt
und ich sie auch aus­schlachten will,
erst die Kritik ‒ das haben wir dann hinter uns.
Die eklatanten Fehler liegen daran, dass es eine Doktor­arbeit ist, keine Pub­likation.
Der Autor war jung und uner­fahren und er durfte sie niemandem zur Korrektur, Aus­bessern, Aus­diskutieren vorlegen. Es sollte ja keine fertige Arbeit sein, sondern nur ein Nach­weis dafür, dass er wissen­schaft­lich arbeiten könnte,
und das zeigte er nicht nur bei der Manu­skript­datierung anhand der Wasser­zeichen und den kriti­schen Fuß­noten zur ver­wende­;ten Literatur, sondern auch mit dem Aufstellen und Belegen von Thesen.

Kurios ist, dass er den 1924er Druck für die Wieder­gabe einer Hand­schrift hielt.
dass er den 1982er qatarischen Reprint für den Reprint dieses Druckes hielt,
obwohl es sich um einen Reprint des (an über 900 Stellen abweichenden) 1952er Druckes handelt,
dass er ein Kolophon zitiert, in dem Ḥasan Riḍā als Schreiber genannt wird, er aber "Āyat Barkenār" für den ‒ ihm unbe­kannten ‒ Kalli­graphen hält.
Dass er glaubt, dass man 1978 aus Pakistan Druck­platten nach Johannes­burg trans­portierte, um einen Tāj-Ausgabe nachzu­drucken, zeigt, dass er von Drucktechnik null Ahnung hatte, weshalb ich die vielen Anmerkungen zu diesem Aspekt völlig ignoriere (wenn ich die von ihm kon­sultierten Ausgaben zur Hand hätte oder von ihm erfahren könnte, worauf er seine Bemerkungen stüzt, wäre es anders.)
Zum Glück habe ich fast alle von ihm erwähnte Ausgaben ‒ sei es gebunden, sei es als pdf. Für die Aus­gaben aus Delhi, Bombay und Calcutta habe ich immer­hin äqui­valente. Ich kann deshalb die meisten seiner Angaben nachvoll­ziehen. Und für Anderes habe ich zusätzliche Belege.
Nirgends komme ich zu anderen Schluss­folgerungen.




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