Posts mit dem Label ad-Dānī werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label ad-Dānī werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 3. Juli 2021

Iran (1846)

Persien (auf Persisch: "Iran") und Indien waren Pioniere bei Litho­graphie-Koranen. Der älteste persische, den ich im Netz fand, ist von 1846
Hier vergleiche ich ihn mit dem ver­brei­tet­sten muṣḥaf vor 1979; dem "Hirīsī" (oder "Solṭā­nī"?) von Ḥasan ibn ʿAbdalkarīm Hirīsī al-Arwānqī (1282š/1903 – 1362š/1983 in Tabriz) auf 476 Sei­ten à 17 Zeilen geschrie­benen Qurʾān Ma­ǧīd. Auf dem Tehraner Druck von 1366/1947 durch ʿAbdor-Raḥ­mān-e ʿElmī steht: „übernommen vom als Solṭānī be­kann­ten Qurʾān“.
Und hier Bilder von einem etwas kleinformatigerem Druck vom Dez. 1940, Qurʾān Maǧīd, geschrie­ben von Ṭāhir Ḫusniwīš
Der alte persiche Standard hat noch mehr Lang-Alifs als os­ma­nische Ausgaben, weist Archa­is­men und Be­son­der­heiten auf; eine Aus­gabe von 2004 im Duk­tus von ʿUṯ­mān Ṭāhā auf 604 Seiten bewahrt viele da­von.
Aufgrund der kompakten Schrei­bung konnte der Hirīsī wohl­feil her­gestellt werden.
Er war eher zum Lesen als zum Vortragen gedacht. Des­halb war Hi­rīsī bei der Setzung der madd-Zei­chen nach­läs­sig – nicht weil er einen madd-ärme­ren Stan­dard im Kopf hatte. Viele per­si­sche Schrei­ber folgen keinem der von mir aus­fin­dig ge­mach­ten Stan­dards: Während Nairizī 3x ʿi mit yāʾ schreibt, hat Hirīsī 1x und das moderne Zen­trum 2x Ham­za ohne Träger.
Während ich vom der­zeitigen Staats­koran nur ein kleines Bild habe
findet man den des letzten Pahlevi-Schahs Arya­Mehr (wenn auch an den Rändern abge­schnit­ten) im Netz (von Nairizī geschrieben, erste Seite: Innahu Kalāmullāh Maġīd, Tehrān 1344š/1965, Surat an-Nās auf p.788):
Das dem Revo­lu­tions­führer unter­stellte Zentrum zu Druck und Ver­brei­tung des Koran hat drei Sachen neu einge­führt:
erst drei Klein-Vokal­zeichen für die Stellen, an den in Hand­schriften rote Vokal­zeichen (VZ) stehen: bei Worten die mit alif-waṣl be­ginnen, vor denen aber an dieser Stelle pausiert wird, die also hier mit Hamza zu lesen sind, bekommt das Anfangs-alif eine Klein-VZ.
Dann eine völlig neue Art, Lang­vokale zu schrei­ben (und zu lesen): Während in Afrika VZ + ḥarf al-madd (Dehungs­buchstabe) steht,
wird nach nIran der Vokal­buch­stabe direkt gelesen, es steht kein VZ (denn es ist ja kein /a/, /i/, /u/ zu lesen, sondern nur /ā/, /ī/, /ū/.
Steht kein Zeichen und folgt kein Vokal­buch­stabe, ist der Kon­sonant vokal­los = es gibt kein sukūn-Zeichen.
Nicht zu lesende Buchstaben stehen in einer anderen Farbe:
(In den Mitte des Ausschnitts: /fĭl-ardi/ mit kurzem i das kasra ist zu lesen, nicht das yāʾ)
Diese ver­ein­fach­ten Voka­li­sie­rung ist an die Geflogen­hei­ten beim per­sisch Schreiben angelehnt.

Ferner hat das مكز طبع و نشر einen neuen rasm fest­gelegt. Es geht Ṭab-o Našr um Les­barkeit und Einheit­lich­keit, also weniger feh­len­de, über­flüssige oder un­ge­wöhn­liche Buch­sta­ben, sowie weniger Aus­drü­cke, die mal so, mal an­de­res ge­schrieben wer­den. Am liebsten stützen sie sich da­bei auf an­er­kann­te Aus­gaben (auch von Warš und Qā­lūn) oder eine rasm-Auto­ri­tät. Not­falls ver­ein­fachen sie aber auch ohne gute Stütze. Sie geben an, dass sie 17 Worte an 36 Stellen „ein­fach“ schreiben ohne Vor­bild.
Die 17 Wörter sind recht unter­schied­lich:
leichtere Ver­ständ­lich­keit (6:41,16:95) اِنّ ما statt إِنَّمَا ,
das Gegenteil (2:240,5:58): فيما statt فِى مَا
– wegen Parallel­stellen;
aus dem gleichen Grund (30:28, 63:10): مِمّا statt مِن مَّا ;
Vermeidung eines stummen Alifs اَبناۤءُ statt أَبۡنَٰٓؤُا۟۟ (5:18),
اَنباۤءُ statt أَنۢبَٰٓؤُا۟ (26:6),
يُنَبَّاُ statt يُنَبَّؤُا (75:13),
Ver­meidung eines yāʾ für Alif تَراني statt تَرَىٰنِى (7:143),
اَرانيۤ statt اَرَىٰنِىۤ (12:36),
اؚجتَباهُ statt ٱجۡتَبَىٰهُ (16:121, 22:78);
statt ءَاَتَىٰنِى (19:30) ءاتانِي – entspricht Solṭānī/Hirīsī/17Zeilen,476Seiten,1366/1947, Nairizī und Arsan­ǧā­nī, nicht aber Faḍāʾilī;
اَرانيۤ statt اَرَىٰنِىۤ (12:36);
Ver­meidung nor­ma­ler Er­satz­alifs خَطايٰكم statt خَطَٰيَٰكُمۡ (2:58, 20:73),
لَساحِرٌ statt لَسَٰحِرٌ (7:109, 26:34),
قُرءانًا statt قُرۡءَٰنًا (12:2),
نادانا statt نَادَىٰنَا (37:75),
اِحسانًا statt إِحۡسَٰنًا (46:15),
جِمالَتٌ statt جِمَٰلَتٌۭ (77:33).
كِذّابًا statt كِذَّٰنًۭا (78:35).
Von den 17 Wör­tern folgen acht nOsm.
Bei einer Stich­probe von 10% des Koran­textes habe ich vier weitere Plene-Schrei­bun­gen 15:22 biḫāzinīna, 40:16 bārizūna, 40:18 kāẓimīna, 40:29 ẓāhirīna ent­deckt, die zwar in al­ten per­sischen oder os­ma­ni­schen maṣāhif vor­kom­men, aber nicht in den vom Zen­trum ge­nann­ten Aus­gaben oder Auto­ri­tä­ten (al-Ārkātī, ad-Dānī, Ibn Naǧāḥ). Mit anderen Worten: Man schreibt wie man will. Ich vermute, dass „Fehler“, Archa­is­men bei Ara­ber den „hei­li­gen Cha­rak­ter“ der Schrift verstärken. Da Ara­bisch für Perser aber ohnehin „die hei­lige Spra­che“ ist, brauchen sie die Fehler nicht, um das als un­pro­fan = außer­all­täglich zu em­pfin­den.
In den ersten zwanzig Versen von al-Baqara schreiben sie gegen Q24 al-kitābu (2:2), razaqnā­hum (3), tujā­diʿūn (9), aḍ-ḍalālaha (16), ẓulu­mā­tin (17), ẓulumātun, ʾaṣābiʿa­hum (19) und bil-kāfirīna (20) wie Q52, ʾabṣārihim, ġišā­watub (7), ṭuġyāni­him (15), tiǧāra­tu­hum (16), aṣ-ṣwāʿiqi (19), ʾabṣāra­hum und wa-abṣāri­him (20) wie iPak und Lib
in Solṭānī und Osm außer­dem šayā­ṭīni­him (2:14) mit alif.
Zweitens lassen sie meist alles weg, was bei der Schreibung des Persi­schen weg­gelassen wird, also Hamza­zeichen auf oder unter Anfangs­alif (fatḥa, ḍamma, kasra schließen Hamza ein), Ḥasan ibn ʿAbdalkarīm Hirīsī al-Arwānaqī bei der Schreibung von /ʾā/ jedoch folgt nIran Q24: isolier­tes hamza+alif nicht alif+Lang-fatḥafatḥa vor alif, kasra vor yāʾ, ḍamma vor wau (Lang­vo­kal­buch­staben bezeichnen nicht wie im Ara­bi­schen die Längung des Vokals, sondern den Lang­vokal selbst); steht doch ein Kurz­vokal­zeichen vor dem Vokal­buch­staben, gilt dieses: der Vokal­buch­stabe ist stumm; ferner fehlen sukūn-Zeichen (steht kein Vokal­zeichen, ist der Kon­sonant vo­kal­los), sowie Hin­weise auf As­simi­lation, die über das im Standard­arabi­schen hinaus­gehen,
Türken, Perser sind die ein­zigen, die Assi­milation – im Wort und über Wort­grenzen – nicht notieren. (etwa von vo­kal­losem nūn an rāʾ: mir rabbihi in 2:5 Andererseits steht in 75:27 das Nicht-Assimi­lieren!-Zeichen: راقٍ مَنۜ ). oder im Wort 77:20 /naḫ­luqkum/ statt /naḫ­lukkum/), auch die unter­schied­lichen tanwīn-For­men – nIran folgt darin Solṭānī und Osm gegen IPak, Mag und Q24.
Es wird ein kleines-nūn + kasra ge­setzt, wenn das nūn des voraus­gehenden tanwīn mit i gelesen wird (z.B. 23:38). Aus den einst roten Vokal­zeichen auf alif waṣl, das nach obliga­ter Pause mit Hamza und Anlaut zu sprechen ist, wird in diesen Aus­gaben Klein-fatḥa (z.B. 2:15), Klein-ḍamma (38:42) oder Klein-kasra (58:16,19). Wie auch in den in­do­ne­si­schen Adap­ta­tionen von UT1 sind in den moder­nen ira­ni­schen Aus­gaben – sowohl jene im Duktus ʿUṯmān Ṭāhās wie die im Stile Naizī­rīs – die Fatḥas über allāh gerade. Daneben findet man zig Aus­gaben von ʿUṯ­mān Ta­ha zu unter­schied­lichen Graden nach Soltani oder nach nIran um­ge­arbeitet. Zählt man die Schrei­bungen im Fern­sehn, auf dem Smart­phone und dem Web (etwa makarem.ir/quran) mit, kommt man auf über hundert ver­schie­dene Ortho­gra­phien.
Türken, Araber und Inder haben feste Standards; die Inder schon zwei­hundert Jahre, die Araber seit etwa 1980, die Türken seit 1950 – oder etwas später.
Indonesier, Per­ser und auch Tunesier su­chen Ver­bes­serungen. Tunesien gehört zum Maghreb, die mei­sten hier ge­schrie­benen Exemplare folgen Qā­lūn ʿan Nāfiʿ. Doch vom Ende des 16. Jahr­hun­derts bis zum Ende des 19. unter­hielten die Os­ma­nen eine Gar­nison in Tunis.
Für deren Offi­zie­re wurden vor Ort Korane geschrieben. Min­destens zwei da­von sind fak­si­miliert: einer auf sechzig Seiten – Qurʾān Karīm, Schreiber: Zubair ibn ʿAbdallah al-Ḥanafī. Tunis: ad-Dār at-Tūnisīya lin-Našr o.J. – und einer, bei dem gegen­über­liegende Seiten immer wie­der mal die gleichen Worte auf­zeigen. Muṣḥaf Šarīf von Zuhair Bāš Mamlūk 1305/1885 ge­schrie­ben, Tunis: ʿAbd al-Karīm Bin ʿAbdallah 1403/1983 (gedr. in Verona). Beide halten die Lesung Ḥafṣ ʿan ʿĀṣim in magh­re­bi­ni­schen Schreib­konven­tio­nen fest.

Zwei Wörter aus 2:8 nach fünf verschie­de­nen Standards, alle Ḥafṣ. Oben (Q52) und unten (nIran) sehen ähnlich aus, sind aber grund­ver­schie­den, die bei­den un­teren (nOsm und nIran) sind gleich, obwohl sie ver­schieden aus­sehen. Beides liegt daran, dass nIran ganz auf sukūn-Zeichen ver­zich­tet: beim unter­sten ist das nūn also mit su­kūn und das qāf mit ū (bei­des wie bei nOsm direkt darüber). Beim ober­sten hat das nūn kéin sukūn und das be­deutet nach den Re­geln von Q24: nicht als nūn zu spre­chen; das Wort klingt: „mai“. Den gleichen Sach­verhalt (un­voll­ständi­ge As­simi­lation) drückt IPak (dritte von unten) und Stan­dar Indone­sia (2.-4. Zeile) durch sukūn über dem nūn (also: nicht stumm) und šadda über dem yāʾ (also: Ver­dopp­lung mai ya­qūl) aus. nOsm und nIran no­tieren (Halb- und Voll-)As­si­mi­lie­rung nie.


Warum habe ich nach "Kinder- und Enkel-Ausgaben" "Iran" eingeschoben?
Weil das Zentrum für Druck und Ver­breitung klar macht, das Druck-Aus­gaben nicht feste Packete sind, in denen alles nach eigenen Ideen festgelgt ist. Neben der Ausgabe auf 604 Seiten in ʿUṭmān Ṭahas Stil, mit den Pausen­zeichen der KFA, mit "ver­ein­fachter" Vokalisa­tion und farbi­gen stummen Buch­staben und dem neuen rasm,
gibt es einen in Nairizīs Stil, mit persischen Pausen­zeichen
und eine indische Ausgabe mit dem neuen rasm, aber sonst "indisch":
Wer von einer "Kairo-Ausgabe", einer "Warš-Ausgabe", einem "Qālūn-Druck" oder einer "Ṭab-o-Našr-Ausgabe" schreibt, schreibt dummes Zeug. Man sollte angeben, worum genau es einem geht: dem rasm der KFA von 1952, der ḥizb-Ein­teilung der­selben, den Pausen­zeichen der KFC-Ḥafṣ-Ausgabe von 2005, dem neuen rasm von Ṭab-o Našr usw. siehe auch dies siehe auch und und und

Sonntag, 2. Juni 2019

kEIN Standard ‒ osmanisch ‒ türkisch

Meine Kernaussagen:
DEN rasm ʿUṯmānī gibt es nicht, sondern mehrere.
DEN Standard für Koranausgaben gibt es nicht, sondern mehrere.
Und so richtig gibt es Standards erst, seit es Druckausgaben gibt.
Gewiss, westafrikanische Handschriften glichen einander,
osmanische Handschriften glichen einander,
persische waren zueinander ähnlicher als zu osmanischen und indischen.
Indische Handschriften glichen einander,
nordindische mehr nordindischen, ostindische mehr ostindischen,
westindische mehr westindischen, südindische mehr südindischen.
Aber erst dank des Drucks konnten nicht nur wenige Reiche und Gelehrte mehr als eine Ausgabe besitzen; erst seit viele einen hatten, verglich man sie und störte sich an kleinen Unterschieden.
Erst der Druck schuf den Druck zur Standardisierung.
Erst seit fünfzig Jahren haben wir richtige Standards.
Der Maghreb und Indien haben schon lange von Gelehrten ‒ nicht einer Behörde, einer mächtigen Kommission ‒ entwickelte Standards.
Persien und das osmanische Reich hatten Schreib­traditionen mit etwas Band­breite, mit etwas Spiel.
Auch wenn seit Bergsträßer immer wieder ‒ bis heute ‒ Orienta­listen den Gizeh-Druck von 1924 als Standard bezeichnen, ist er das nicht.
Gewiss seit Saudi-Arabien einen dem 1952er "Zweitdruck" ‒ der an über 900 Stellen vom "Erst­druck" abweicht ‒ von ʿUṯmān Ṭāhā nach­geschriebenen muṣḥaf millionen­fach nachdruckt, gibt es einen ost­arabischen Standard ‒ neben dem türkischen, dem des irani­schen Zentrums für Druck und Ver­breitung des Korans, neben den indo­nesi­schen (von 1983, 2002 und 2018),
sowie dem zahlen­mäßig dominie­ren­den indo-pakistanischen.

Und gleich noch eine Kernaussage:
Es gibt zwar ZWEI HAUPTstandards, den afrikanischen und den asiatischen, aber man kann auch von Tausenden ausgehen,
denn die vielen Dimensionen der Verschrift­lichung sind frei kombinierbar:
‒ Klanggestalt (Lesarten, Verschrift­lichung der Vortrags­regeln),
‒ Buchstabengerüst (rasm plus dia­kriti­sche Punkte, Quranic Conmmon Text (QCT), cf. ad-Dānī: al-Muqnī),
‒‒‒ manchmal fokusiert man den rasm pur, meist aber kann man ihn gar nicht von den Punkten trennen, ohne diese hat er ja keinen Sinn. Punktierung wird bei den Les­arten berück­sichtigt, da geht es ja nicht nur im Vokale und Buch­staben­ver­doppe­lung, sondern auch um ṭ <> ẓ, ṣ <> ḍ, ʿ <> ġ, b/t/ṯ/n/y, r <> z, f <> q
‒ die Notation stummer und die verkürz­ter Vokal­buch­staben, sowie die langer Vokale,
‒ Einteilung plus Pausen (ǧuz, ḥizb, ruquʿ, Siebtel, Seite, Vers, Pausen­system, Pausen­stellen, Bekräftigung, Nieder­werfung {im Text, am Rande}, Kustode),
‒ Graphisches (wieviel Zeilen je Seite, ein Duktus für den Text, einer für die Basmala, einer für die Surentitel, Ziffern im Text oder am Rand).
Selbst Experten gehen einfach davon aus, dass man vom Duktus auf die Lesart schließen könnte,
oder von der Lesart auf die rasm-Autorität.
So ein Quatsch!
Sie schreiben von »version du Caire« oder »version du Maroc« statt von der Lesart-Überlieferung Ḥafṣ bzw. Warš oder von der Schreibung nach Ibn Naǧāḥ oder ad-Dānī oder der "iranischen vom Zentrum für Druck und Verbreitung" oder der "neuen indo­nesischen" oder von "ʿUṯmān Ṭāhā II, also Kairo1952 in der neuen Fassung des König-Fahd-Komplexes".
Gewiss die verschiedenen Dimen­sionen machen allein keinen muṣḥaf, aber wenn man ver­schiedene ver­gleicht, sollte man sich bewusst sein, WAS man vergleicht, dann sollte man das, worauf es (einem) ankommt und das Bei­werk deutlich unter­scheiden.

Also nochmal: der rasm, das unpunktierte Buch­staben­gerüst ist ‒ abgesehen von 40 Stellen und einigen Vokalbuchstaben ‒ immer gleich.
Differenzen beschränken sich weitgehend auf ya- statt ta- (oder nu-), fa- statt wa-, šadda oder nicht, Passiv oder nicht.
Bei den Lang­vokalen geht es meist nur um verschiedene Schreibung des gleichen Lautwertes.
Wirklich immer gleich sind die 114 Suren, auch wenn es unter­schiedliche Namen gibt ‒ aber immer in der gleichen Reihen­folge.

2018 verglich Marijn van Putten 23 Stellen im Kairiner Druck mit alten Handschriften
und stellte fest, dass die meisten die gleiche Verteilung von niʿamt Allāh mit tāʾ mamduda und mit tāʾ marbuṭa haben.
Hätte er das mit den 23 Stellen in einer beliebi­gen maghrebi­nischen, indischen, indo­nesi­schen oder türki­schen gemacht, wäre er zu dem gleichen Er­gebnis gekommen.
Nur weil er eine bestimmte Ausgabe als "Standard" mit den Hand­schriften verglich, bestätig­te er quasi ihr Standard-Sein.
Ganz nebenbei: Nicht an allen 23 Stellen steht niʿamt Allāh.

Noch 1960 dominierte eine osmanische Vorlage den syrischen Markt. Noch 1980 druckten drei arabische Staaten eine andere osma­nische Vorlage nach. Der ʿIraq noch zwei weitere. Inzwischen ist das Geschichte.
Heute schreiben nur noch Azerbai­dschan und die Türkei osmanisch,
wobei die Türkei einige Ver­änderungen vor­genommen hat:
u.a. wurde die Unterscheidung von Madda im Wort und an der Wort­grenze getilgt:



was nicht mehr so nötig ist, seit die meisten Drucke Wortabstand haben,
ferner wurde das waṣl-Zeichen getilgt ‒ sei es dass man sich in der Behörde wunderte, dass es mal steht (wie in Kairo), mal fehlt (wie in Indien), sei es, dass sie merk­ten, dass es nur steht, wenn ḥārf sākin folgt (meist ein an den näch­sten Kon­sonanten as­simi­liertes lām; es folgt also ein Buch­stabe mit sukûn oder ein lām vor einem Buch­staben mit šadda) ‒ da es regel­haft stand, kann man es weg­lassen.
Schließlich bekamen alle Drucke die genau gleichen Seiten. Böse gesagt, besteht für die heutigen Türken der Koran nicht mehr aus 114 Suren bzw. 558 Gebets­einheiten, sondern aus 605 Seiten.



Hier bin ich sicher, dass HO2 das nicht zweimal geschrieben hat,
aber auch die ältere Fassung ist nicht 100% die Hand­schrift.
Schon im älteren Druck sind die Vers­Nummern eingefügt und die ihmal-Zeichen und waṣl-Zeichen getilgt.
Die neuen Herausgeber stellen die neuen türkischen Norm­seiten her,
ayat berkenar ist nicht mehr genug; es muss immer das gleiche sein.



Im Orignial stehen die Vokalzeichen nur in der richtigen Reihenfolge, nicht genau beim Buchstaben:

Am Beginn von Ṭaha 94 sieht man zweilerlei:

1.) Die Türken vereinheitlichen alles:
Wenn nicht überall waṣl steht, kommt es überall weg!
Wenn unter einigen wau-hamza qṣr steht, kommt es überall hin,
wo wau-hamza nicht sowohl ḥarf al-madd und hamza-Träger ist.
Ḥasan Riḍā und Muḥ Amīn ar-Rušdī (2. und 4. Zeile, jeweils iraqi­sche Aus­gaben, die außer Vers­nummern und Suren­titel nichts ver­ändern) haben es nicht ge­setzt, weil sie keine Gefahr sahen, dass man es /ūʾ/ lesen könne.
1a) Diyanet tilgt alles, was es nicht versteht. In der obersten Zeile (die 14. Auflage eines Nach­drucks von Hafiz Osman, 1987) steht das waṣl-Zeichen noch, das man deutlicher in der dritten Zeile (Hafiz Osman Original) sieht ‒ heute ist es weg.
Sie haben nicht mehr verstanden, dass es an das (fehlende) alif-waṣl von Ibn erinnern soll.
2.) Die Türken nähern sich dem saudi­schen Standard ‒ still­schweigend ‒ an.
Jetzt schreibt man wie ad-Dānī es vorschreibt: drei Wörter als ein Wort,
was aber völlig okay ist. Zumindest im 1309er (hiǧri) muṣḥaf hat Hafiz Osman Junior selbst schon in einem Wort ge­schrieben.
Diyanet macht oft nur eine Collage, ver­schiebt auch Zeichen oder tilgt ein alif.
Sie bringen aber auch eine Ausgabe im Com­puter­satz heraus:

Hier die erste Zeile des letzten ǧuz im Vergleich: aus dem letzten von Hafis Osman Qayşzade geschriebenen muṣḥaf (heute in University of Michigan),
aus der Ausgabe Diyanet 2018
aus der südafrikanischen Taj-Ausgabe (mit 13 Zeilen je Seite,
        Waterval Islamic Institute, Johannisburg)
aus ʿUṯmān Ṭaha Medina

In the first and in the last line there is no extra space between words.
In the Ottoman text (first line) nabaʾi has a silent alif (silent because bāʾ has a normal fatḥa ‒ not a straight one).
Nethertheless, both rasm and sound are identical in all editions.
Mit etwas mehr Kontext, erst zweimal von HO Senior, dann zwei­mal vom Junior ‒ erstes und viertes aus Drucken, die mittleren aus Hand­schriften ‒ die ersten drei Original, die letzte Zeile be­arbeitet..

Dienstag, 11. Dezember 2018

frei mixbar

Koranskripte und -drucke kann man nach zig Kriterien einteilen:
‒ ist alles in éinem Duktus geschrieben?
‒ sind die Suren in éinem Duktus geschreiben (also nur Titel, Basmala, Margi­nalien, Kusto­den in anderen)?
‒ sind die Suren in Nasḫī, Maghrebi, Sudani, Thuluth ... ge­schrieben?
‒ dürfen Verse auf zwei Seiten geteilt stehen?
‒ sind sieben Siebtel und zwei Hälften angezeigt?
‒ dürfen 30igstel irgendwo auf der Seite anfangen?
‒ wo genau sind die Grenzen der 30. 60. 120. 240.?
‒ sind rukuʿāt im Text / am Rand markiert?
‒ gibt es Randnoten?
‒ sind saǧadāt und/oder sakatāt auch am Rand ange­zeigt?
‒ stehen Name und/oder Nr. der Sure in der Kopfzeile?
‒ stehen Name und/oder Nr. der 30igstel in der Kopf­zeile?
‒ Stehen 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 Zeilen auf einer Seite?
‒ werden im Titelkasten die Anzahl der Verse in der Sure
   ‒ die davor geoffenbarte Sure und die danach an­ge­geben?
‒ werden die Zeilen durch Striche getrennt?
‒ wie werden Langvokale angegeben?
‒ wird die Kürzung von Vokalen notiert?
‒ wird ʾā (hamza+Alif) ءا oder اٰ geschrieben?
‒ wird bei Alif-waṣl angegeben, mit welchem Vokal einzusetzen ist, falls denn ein­ge­setzt wird?
‒ gibt es nūn qutni/ ṣila-nūn?‒ ein kaṣra zwischen tanwīn und alif-waṣl, das in Indien "mini-nūn", auf Arabisch Verbindungs-nūn heißt.
‒ nach welchem System sind die Vers­enden mar­kiert?
‒ sind diese mit Zahlen versehen?
‒ welche Pausen­zeichen gibt es?
‒ wer legt die Pausen fest?
‒ geht man am Suren­ende davon aus, dass gleich die nächste Sure gelesen wird?
   ‒ mit oder ohne der Basmala?
‒ wird die Assimiltion von vokal­losem nūn ange­zeigt?
‒ wird die Emphase bei normaler­weise nicht empha­tischen Buch­staben an­ge­zeigt?
‒ gibt es ein mittiges u-Hamza?
‒ gibt es ein, zwei oder drei madd-Zeichen?
‒ welcher rasm-Autorität oder welchem Manuskript folgt man dabei?
‒ welcher Lesart, Überlieferung, Weg folgt man?
Theoretisch sind alle diese Dinge unab­hängig von­ein­ander.
Das kriegen sogar Exper­ten nicht in ihren Schädel, schrei­ben dann, dass man bei Qālūn so und so schreibe, ob­wohl das nichts mit Qālūn zu tun hat, sondern mit ad-Dānī; sie werfen das wegen der berühm­ten liby­schen (von Abū Bakr as-Sāsī al-Maġribī geschriebenen) Ausgabe in einen Topf. Hier eine Zusammen­stel­lung: sechs man Ḥafṣ oben, drei mal Qālūn unten, da­zwischen Warš, bei allen Über­lie­ferungen gibt es insān mal so, mal so ge­schrie­ben; Über­lie­fe­rung und rasm-Autori­tät sind unab­hängig von ein­ander (auch wenn Warš fast immer à la Ibn Naǧāḥ ge­schrieben wird).
In der Praxis sind die meisten Texte in Sudānī in der Über­liefe­rung Warš, fol­gen meist Ibn Na­ǧāḥ, haben drei waṣl-Zeichen, drei hamza-Zeichen, kein nun quṭnī, kein rukuʿ-Zeichen, haben kleine Ersatz­buch­sta­ben zur Län­gung, haben keine Lang­vokal­zeichen ...
Es gibt aber Aus­nahmen:
So gibt das Zen­trum in Tehran (مرکز طبع و نشر قرآن کریم Markoz Ṭabʿ-o Našr) Drucke mit seinem Privat-rasm in indischen Stil, in persi­schen (Nairizī) und arabischen Stil (Uṯmān Ṭaha) heraus.
Und in Tunis sind zwei Aus­ga­ben von Ḥafṣ im maghre­bi­nischen Duktus faksimiliert worden.
Von Zuhair Bāš Mamlūk ge­schrie­bene Doppel­seite: die Lesart Ḥafṣ im maghribinischen Stil:

Hier eine Stelle aus dem Skript auf 60 Seiten mit der Stelle aus Surat ar-Rūm, wo dreimal das ḍād mit fatḥa (schwarz) oder ḍamma (rot) gelesen werden kann.

Das ist Ḥafṣ auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht ‒ Ḥafṣ hat kein festes Aussehen von Zubair ibn ʿAbdallah al-Ḥanafī für ḥanafi­tische Osmanen in Tunis geschreiben.

Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Gruppen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 1980...