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Montag, 27. Mai 2019

osmanische Drucke I

Eines der anregendsten Bücher zum Urkoran, Urislam stammt von einem Forscher, der davor für ganz Anderes bekannt war, dem Berner Berliner Reinhard Schulze:
Der Koran und die Genealogie des Islam
Trotzdem habe ich gerade eine Fußnote zu frühen Drucken geändert. Ich hatte mich darin auf Schulze und Bobzin (der sich auf Chauvin verlässt) ver­lassen. Da Schulze münd­lich mit­teilte, die frühen persischen, benga­lischen und osma­ni­schen Drucke, die er erwähnt hatte, in der Uni-Biblio­thek zu Bonn ein­gesehen zu haben, der Bib­lio­theks­kata­log aber keines der drei Exem­plare kennt, und sich die Exper­ten einig sind, dass es in Kon­stanti­nopel vor 1873 keine ‒ legalen ‒ Drucke gab, habe ich "seine" drei Drucke raus­geworfen.
Bevor ich zu den ersten Drucken in Kon­stanti­nopel komme,
von Google via Wiki­pedia zur Ver­fügung gestellte Anfangs­seiten eines osma­nischen Korans ‒ in Nastaʿlīq.

Wenn seitenlang über einen muṣḥaf geschrieben wird, wie es Michael W. Albin im Artikel "Printing of the Quran" der Encyclo­pedia of the Qur'an über den angeb­lich ersten im osma­nischen Reich, nämlich in der ägypti­schen Provinz des­selben, gedruck­ten macht, um am Schluss anzu­deuten, dass es ihn gar nicht gab, dann bin ich ent-zückt.
Deshalb gleich zu Beginn: die beiden ersten offi­ziellen osma­nischen Litho­gra­phien habe ich nicht gesehen, will sagen: im Netz kein Bild davon gefunden,
dass es sie viel­leicht ‒ trotz der reich­lich Literatur dar­über ‒ nie gab:
Der erste soll von Aristide Fanton 1871/2 in London auf der Grund­lage eines muṣḥaf von Hafiz Osman dem Älteren, den Natıq Kemal besorgt haben soll, her­ge­stellt worden sein.
Der zweite ‒ erste IN Konstanti­nopel mit dem Segen des Staates ‒ gedruckte soll die Kopie eines von Şeker­zade Mehmed Efendi (d. 1166/1753) IN Medina geschrie­benen sein. Heute gibt es einen Reprint, ob von der Handschrift oder vom 1291/1875er Druck bleibt unklar.
((Nachtrag: M. Brett WILSON hat mir Bilder aus beiden Drucken zur Verfügung gestelle, dazu ein neuer Post.))
Sicher gibt es seit 1873 eine Flut von Drucken, meist von Hafiz Osman dem Jüngeren oder von Muṣṭafā Naẓīf geschrieben.
Manche in Moschen-Größe, manche auf schönem Papier mit Gold­rahmen.
Solche wurden an Moscheen, Schreine, Stif­tungen und Staats­männer ver­schenkt.
Andere kleiner, billi­ger. Sie wurden nicht nur von Kalli­graphen zum Kopieren, von Gelehrten zum Studieren, sondern auch von Hand­werkern, Kauf­leuten und Gesell­schafts­damen gekauft und in großer Zahl Schulen zur Ver­fügung gestellt.
Sie wurden in Kairo eher selten (meist mit Tafsir), in Syrien immer wieder (bis 1960) ge­druckt.

Zumindest bis zu dem Krieg, den isla­mistisch-militante ara­bische Staaten gegen die syrische Regie­rung an­zet­telten, wurden in Aleppo "osma­nische" Koran­texte gedruckt.

und bis 1990 im ʿIrāq zwei ver­schiedene von staat­lichen Stellen gedruckt. In der Türkei sind sie schon lange (seit siebzig Jahren ????) meist (oder immer?) an den Standard der Religions­behörde ange­passt.
Doch selbst 1956 erschien in Kairo der 522seitige von Muṣ­ṭafa Naẓīf ganz original (bis auf Vers­ziffern statt Vers­ende­markie­rungen).
In Kein Standard gehe ich auf den ʿirāqischen Staats­druck ein (666+ Seiten mit 13 Zeilen): 1370/1951 war der Erst­druck in der Maṭbaʿat Mudīriyyat al-Masāḥa al-ʿAmma; 1386/1966 für den Irāq von Lohse, Frank­furt; 1398/1978 im Gebet­buch­format mit Reiß­verschluss für die suʿudi­schen Regierung in West­deutsch­land; 1400/1979 in Qaṭar; 1401/1981 für Ṣaddām neu her­aus­gegeben. Die Vor­lage war 1236 von Muḥammad ʾAmīn ar-Rušdī geschrie­ben worden und 1278 von der Valide von ʿAbd al-ʿAzīz dem Schrein Junaids in Baghdād geschenkt worden, heute in der Biblio­thek des Grabes des Imām al-ʾAʿẓām ʾAbū Ḥanīfa aufbewahrt.
In ähnlicher Aufmachung gab es Drucke von Ḥafiz ʿUṯmān und Ḥasan Riḍā.

rechts die Titelseite der Ausgabe Muḥ A. ar-Rušdī, in der Mitte die von Ḥasan Riḍā, links die Heraus­geber­schaft ‒ Heute gibt es im ʿIrāq zwei Behörden: Dīwān al-waqf as-sunnī und ... aš-šiʿī; beide geben maṣāḥif auf 604 Seiten heraus; die Sunniten über­nehmen für den Text Vektor­gra­phiken aus Medina (UT1), die Schi'iten haben den ʿirāqi­schen Kalli­graphen Hādī ad-Darāǧī schreiben lassen.
(Später werde ich noch einen Tehraner Druck vorstellen.)
rechts die erste "normale" Seite von M.A.ar-Rušdī, links von Ḥasan Riḍā:

Beachtenswert:
‒ in Zeilen 3,5,6,7,9: Wortgrenze zwischen Alifs
‒ in Zeile 2: vor (10) das hoch­gestellte yāʾ, welches Zehn be­deutet
‒ einige untergesetzte Ihmal-Zeichen, die sagen: kein Punkt

‒ genau wie bei Rušdi gibt es vor ḥurūf sākina   waṣl-Zeichen auf führen­dem Alif, sonst nicht. ( waṣl-Zeichen steht vor ḥarf sākin, also vor einem Buch­staben mit sukûn oder vor weg-assimiliertem lām vor Buchstaben mit šadda; das waṣl-Zeichen ist über­flüssig; heute (im Stan­dard der türki­schen Republik) wird es weg­gelassen.)
‒ Das /fī/ in Zeile drei besteht nur aus Fehlern: Was machen die Punkte beim End-yāʾ? Was macht das Lang­vokal­zeichen vor Doppel­konsonanz? Und wieso steht das (Lang-)kasra über dem yāʾ statt darunter? ‒ Ist aber üblich so.
‒ in den Zeile 1,3 und 7 gibt es ǧazm-Zeichen über ḥurûf al-madd.
— dass man den Bezug zwischen ǧazm-Zeichen über dem ḥarf al-madd der ersten Zeile besser sieht, habe ich die Zeichen so plat­ziert, wie sie nach "modernem" Ver­ständnis sitzen müssen.


Sonntag, 16. Dezember 2018

Mustafa Nazif Kadırğalı

Einerseits habe ich versprochen zu den zwei für den Koran­druck bedeutesten türki­schen Kalli­graphen zurück­zukommen.
Andererseits poste ich seit zwei Wochen ohne jedoch Re­aktion.
Deshalb heute etwas Abwegiges.
Mustafa Nazif war bis zu seinem Tod 1913 Chef­kalli­graph der osmani­schen Marine

und da er nach einem Hafen in Fatih benannt ist, dem wichtigen Neuen Hafen Byzanz',
nahm ich an, dass sich dort sein Arbeits­platz befand.
Und für alle, die Osmanisch lesen, hier ein Ausschnitt aus einem Stadtplan Stambuls von 1918,
den mir Tom Brosnahan von TurkeyTravel­Planner.com geschickt hat.
Doch das Marineministerium war in Beyoğlu und ob das Schreib­büro in Kadirġa war, weiß ich nicht.
Geboren soll er 1262/1846 in Russe/Русе/Rusçuk/Rust­schuk im osmanischen Bul­garien sein, wohin die krim­tartari­sche Familie geflohen war; 29.3.1331/ 8.3.1913 ist er in Istanbul gestorben, in Beşiktaş begraben. Was er mit Kadirġa, heute der Nord­osten von Şehsuvar Bey Mahal­lesi, zu tun hat, weiß ich nicht.
Hier etwas, was ich im Park von Kadirġa geknipst habe?

Wer weiß, was das ist?
Bitte posten Sie die Antwort als Kommentar.
Zur Belohnung gibt es dann Bilder aus den masahif von MNQ, die seiner­zeit ‒ ganz wie später ʿUṯmān Ṭaha ‒ in vielen Formaten gedruckt wurden.
Sonst halt nicht.

Montag, 10. Dezember 2018

Wortabstand

Die Schrift sprang nicht fix und fertig aus dem Ei.
Latein hatte erst nur Groß­buch­staben und wurde ohne Punkt und Komma continuier­lich ge­schrie­ben.
Später gab es Mitte-Punkte zur Markie­rung der Wort­grenzen.
Um 800 schrieb man Kleinbuchstaben.
Klein- und Großbuchstaben auf der gleichen Seite.
Später wurde das systematisiert: Satzanfänge, Namen, (Sub­stan­tive,) Wichtiges wurde durch Groß­buch­staben hervor­ge­hoben.















Alle wissen, dass Arabisch erst keine Diakritika und keine Vokal­zeichen hatte,
aber es hatte auch keinen Wort­abstand.
Die Grenze markierte man durch spezielle Buch­staben: End­buch­staben (Iso-Form, falls davor kein ver­binden­der Buch­stabe stand).
Da das häufige wau keinen End-Buchstaben hatte, und Alif sehr oft am Anfang stand)
‒ und es nie Alif + Alif IM Wort gibt,
setzte man nach wau am Wortende ein stummtes Alif;
damit war die Sache klar:
die Wortgrenze verläuft zwischen den zwei Alifs.

Und so wie fett-a und kursiv-a keine extra Buch­staben sind,
Groß-A aber doch,
so sind maghrebi-ع, diwani-ع, thuluth-ع keine extra Buchstaben, ـعEnd aber doch.
Alle Experten plappern nach, was man den Kindern im ersten Schuljahr beibringt:
arabische Buchstaben haben vier Formen.
Stimmt aber nicht: Wie bei uns für den /a/-Laut einen normalen und einen Anfangs-/Substantiv-Buch­staben gibt,
so gibt es im Arabischen für /b/ einen normale und einen End-Buch­staben.
Formen gibt es fast so viele, wie es Buch­staben dahinter und davor geben kann.

Die Schreibmaschine zeigt wie es wirklich ist:
10x eine From
16x zwei Formen.
Aber Unicode war so dumm wie die Erstklässler:
Sie legten als internationalen Standard fest:
Arabische Buchstaben haben vier Formen!

Freitag, 7. Dezember 2018

Indien1800 Langvokale

Gabriel Said Reynolds und andere sagen, alle Korane seien gleich: Buchstabe für Buchstabe.
the various editions of the Qur’an printed today (with only extra-ordinary exceptions) are identical, word for word, letter for letter.
"Intro­duction" to The Qur'ān in its Historical Context, Abingdon: Routledge 2008, p.1
Was für ein Unsinn. Es gibt wohl tausend verschiedene Arten, Korane zu schreiben oder zu setzen.
Dass heißt nicht, dass die Korane Unter­schied­liches besag­ten. Das tun sie nicht. Dafür sind sie ähnlich genug.
Die Unterschiede, die der genau gleiche Text, bei der Aus­legung erlaubt, sind bestimmt 100x bedeutender, als alle Unter­schiede zwischen verschie­denen Drucken. Viele Unter­schiede sind rein ortho­graphisch (so wie Folx­heršaft und Volks­herr­schaft, night und nite, le roi und le rwa), andere verändern zwar den Sinn eines Wortes, ja eines Satzes, ändern aber nicht wirk­lich den Abschnitt.
Mir geht es über­haupt nicht um Wider­sprüche im Koran, um inhalt­liche Unter­schiede zwischen einem bestimmten und einem anderen, mir geht es nur um Unter­schiede der Ortho­graphie (also der Schrei­bung der Worte und der Regeln).
Mir geht es auch nicht um die Unter­schiede zwischen den sie­ben/zehn kanoni­schen Lesern, den vier­zehn/zwanzig Über­mitt­lern, den hunder­ten Traden­ten. Diese be­treffen in erster Linie die Laut­gestalt (auch mal ein "min" oder "wa", ein alif oder eine Kon­sonaten­ver­dopplung mehr oder weniger); die Vari­anten sagen nur, ob man einen Vokal fünf­fach oder drei­fach längt, ob man zwi­schen zwei Suren die Basmala wieder­holt oder vor einer bestimm­ten ein Takbir spricht. Um all dies geht es mir nicht.
Mir geht es um die Unter­schiede zwischen osmani­schen und marok­ka­nischen, persi­schen und indi­schen Koranen ‒ und darum, worin sich der amt­liche ägyp­ti­sche Koran von 1924 von denen davor unter­scheidet. Denn darüber zir­kuliert viel Unsinn.
Korane unter­scheiden sich auf hundert Weisen. Dies werde ich nicht systema­tisch dar­stellen. Etwa Lesart, Schreib­stil, Zeilen je Seite, ob Verse auf zwei Seiten ver­teilt sein dürfen, ob 30.tel auf einer neuen Seite anfangen müs­sen, ob rukuʿat im Text und am Rand ange­zeigt werden, ob die Verse Num­mern und ob die Seiten Kustoden haben, ob es ein, drei, vier, fünf, sechs ... oder sechs­zehn Pausen­zeichen gibt. All dies kann vorkommen, wird aber nicht durch­dekliniert werden.
Den Augenmerk richte ich auf zwei Punkte:
die Schreibung der Wörter, sozu­sagen das korani­sche Voka­bular ‒ wobei aber (anders als im Duden) das gleiche Wort nicht an allen Stellen gleich zu schreiben ist;
die Regeln, wie Vokallänge, -kürze und Diphtonge, wie As­simi­la­tion von Kon­sonan­ten notiert werden.
Besonders interessieren mich die Drucke.
Es gibt zwei Hauptschreib­weisen/Regeln: afrika­nisch (maghrebi­nisch, arabisch) und asiatisch (indo­pakista­nisch, indo­nesich, persisch, osma­nisch): Für lange Vokale brauchen Afrika­ner immer zwei Zeichen: ein Vokal­zeichen und einen pas­sen­den längenden Vokal­buch­staben; steht der nicht im rasm, wird er klein ergänzt (oder ein eigentlich unpassender wird durch ein Wandel­alif passend gemacht).
Asiaten haben drei Kurz­vokal­zeichen und drei Lang­vokal­zeichen (und Sukūn/Ǧazm). Doch nach den heutigen IPak-Regeln benutzt man bei ū und ī die Kurz­vokal­zeichen, FALLS der pas­sende Vokal­buchstabe folgt. Bei Lang-/ā/ benutzten Perser und Os­manen/Tür­ken immer das Lang­vokal­zeichen, Inder benutzen es heute nur, wenn kein Alif folgt (also wau, [punkt­loses] yāʾ oder gar kein Vokal); kommt danach ein Alif, bekommt der Kon­sonant davor nur ein Fatḥa. Bei Lang-/ī/ benutzten Perser und Osma­nen immer das Lang-ī-Zeichen (egal ob yāʾ folgt oder nicht); Inder ver­fahren heute ähn­lich wie bei /ā/: folgt kein yāʾ, steht das Lang-ī-Zeichen: vor yāʾ aber steht (nur) Kasra und das yāʾ bekommt ein ǧazm. (nach IPak sind zeichen­lose Buchsaben stumm!)
Bei Lang-ū setzen die Osmanen "madd" unter ein wau; bei dem gelängten Per­sonal­pro­no­men -hū bleibt die Längung un­notiert. Inder und Indo­nesier be­nutzen das Lang-ū-Zeichen, aber das Kurz-u-Zeichen vor wau.
Und jetzt kommt meine Beob­achtung aus der Vor­druck­zeit. Um 1800 be­nutzten Inder immer das Lang-ū-Zeichen, fol­gen­des wau blieb ohne jedes Zeichen: war also stumm (beim Lesen zu igno­rie­ren) ‒ wenn es zweiter Teil des Diph­tongs /au/ ist, bekam und be­kommt es ein Ǧazm, ist also zu spechen. Immer das Lang-ī-Zeichen. Immer das Lang-ā-Zeichen. Anders gesagt:
1800 gab es zwei Systeme, Lang­vokale zu notieren: das magh­rebi­nische, das immer zwei Teile, ein Vokal­zei­chen (fatḥa, kasra, ḍamma, imāla-Punkt) und einen Län­gungs­vokal (zum rasm ge­hörend oder Er­gän­zung), um­fasst. Sowie ein indi­sches System, das ganz auf Lang­vokal­zeichen be­ruhte, in dem die im rasm vor­han­denen Vokal­buch­sta­ben kom­plett igno­riert wurden. Das magh­re­bini­sche System gilt heute in Afrika und Arabien. Das indische System gilt in der Türkei, in Per­sien und Indien (und Indo­nesien) in abge­schwäch­ten Formen. In Indien (und Indo­nesien) gilt IPak, wo Lang-ā vor (punkt­losem) yāʾ wei­ter be­nutzt wird, vor alif aber durch Kurz-a + fatḥa ersetzt wurde (hier folgt man dem afri­kani­schen System), und über ī-yāʾ und ū-wau ǧazm steht + davor kasra und ḍamma um Lang­vokale aus­zu­drücken (also ähn­lich wie in Afrika). Das alte indi­sche System gilt nur noch, wo kein Vokal­buch­stabe folgt.
Wie ver­brei­tet dies klare indische System war, weiß ich nicht. Eine Hand­schrift aus Kaschmir ver­fuhr wie die meisten per­si­schen maṣāḥif. für eine andere, siehe

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Die König-Fuʾād-Ausgabe

Seit 1972 in einem zuge­mauerten Dachboden der Großen Moschee von Ṣanʿāʾ Tausende sehr alter Koran­frag­mente ent­deckt wurden, genauer seit 2004 Sergio Noga Noseda hoch­auf­gelöste Farb­photo­graphien her­stel­len durfte, seit Wissen­schaft­ler er­kannt haben, dass Blätter, die in bis zu sieben ver­schie­denen Samm­lungen auf­be­wahrt werden, zusammen gehören und man diese ‒ dank online- bzw. Druck-Publikat­ionen ‒ stu­dieren kann, seit man Tausende in Stein geritzte Kurz­texte aus Syrien, Jordanien und Sa'udi-Arabien (immer besser) lesen kann, ist die Erfor­schung der arabi­schen Sprache und Schrift der Jahr­hunder­te un­mit­tel­bar vor und nach Muḥammad der auf­regend­ste Teil der Islam­kunde.
Seit der Zerstörung der Zwillings­türme in Man­hattan sind Über­legun­gen über den Islam als spät­antike Zivilisation und/oder mit Juden­tum und Christen­tum verwandte Religion besonders beliebt.
Leider äußern sich die ExpertInnen auf diesen interes­san­ten Gebieten auch zu einem Thema, das sie nicht studiert haben ‒ weil nicht inter­essant genug ‒ und schreiben dazu fast nur Unsinn.
Auf dem Gebiet der gedruckten Koran-Ausgaben muss auf­geräumt werden. Und das will ich hier tun.
Viele deutsche Orienta­listen bezeichnenden den amt­lichen ägypti­schen Koran von 1924/5 als „den Standard­koran“, andere nennen ihn „Azhar­koran“.
Über die König-Fuʾād-Ausgabe, den Gizeh-Koran, den Ver­messungs­amt-Druck (المصحف الشريف لطبعة مصلحة المساحة المصرية), dem 12-Zeiler (مصحف 12 سطر), zirkulieren viele falsche Ideen. Einige glauben, eine Hand­schrift vor Augen zu haben.
Nachtrag 2025: So kürzlich Asma Hilali in einem dem 1924er Koran gewidmeten Sonder­heft der Zeitschrift der Kairiner Dominikaner MIDEO: « Muḥammad ʿAbd al-ʿAzīz al-Rifāʿī (m. 1936) éta[i]t le calligraphe [et l'éditeur] du Coran du Roi Fuʾād. »
Andreas Ismail Mohr und Prof. Dr. Murks nennen die Ausgabe „Typen­druck“. Dabei macht das Nach­wort ‒ von 1926 bis 1951 noch deut­licher als 1924/5 und seit 1952 ‒ alles klar. Die von Ägyptens šaiḫ al-maqāriʾ Muḥammad ibn ʿAlī ibn Ḫalaf al-Ḥusainī al-Mālikī aṣ-Ṣaʿīdī al-Ḥaddād (1282/1865‒1357/ 22.1.1939) ‒ nicht zu ver­wech­seln mit dem Kalli­gra­phen Muḥammad ibn Saʿd ibn Ibrāhīm al-Ḥaddād (1919‒2011) ‒ geschrie­bene Text­vor­lage wurde in Būlāq mit fünf Etagen je Zeile gesetzt (Pausen­zeichen; fatḥa, damma, sukūn; Buch­staben [bei Grund­linien-hamza inkl. des Vokal­zeichens]; kasra; Abstand). Daraus wurden im Ver­mes­sungs­amt ‒ wo man mit dem Drucken von Land­karten schon Offset-Erfah­rung hatte ‒ Druck­platten. Dort wurde auch gedruckt.
Typen­druck ist ein Hoch­druck­ver­fahren. Die Typen hinter­lassen auf dem Papier kleine Ver­tie­fungen: drücken die Drucker­schwärze in das Papier. Off­set ist ein Flach­druck-Ver­fahren, bei dem das Papier die Farbe auf­saugt; Vertie­fungen kann man nicht finden. Mit den Augen sah Mohr, dass es nicht hand­ge­schrie­ben war. Dass man aber Typen­drucke nur mit dem Tast­sinn (nicht dem Gesicht) er­kennen kann, weiß er nicht. Und Prof. Dr. Murks auch nicht.
„Das ist doch Unsinn, statt auf­wän­dig zu setzen und das EIN­mal zu drucken, kann man doch besser einen Kalli­graphen schrei­ben lassen.“ Das ver­kennt den tech­noiden Ge­nauig­keits­sinn der Her­aus­geber von 1924. Bis heute gibt es außer ʿUṯmān Ṭaha (UT) nie­man­den, der so genau ist wie der Setz­kasten oder der Com­puter.
Zwei Beispiele zu Ver­anschau­lichung.

Während bei UT klar yanhā zu lesen ist, steht in der wunder­schönen osmani­schen Hand­schrift naihā; während die drei Vokal­zeichen (fatḥa, sukūn, Lang-ā) klar in der rich­tigen Reihen­folge stehen (es geht ja nicht anders, sie stehen ja alle oben), steht nūn (vielleicht) vor yāʾ (kommt der nūn-Punkt vor den yāʾ-Punkten). Übrigens haben die beiden „Zahn“-Buch­staben bei UT einen Zahn oder Stachel, aber keinen im Hof-Osma­ni­schen! Während es bei UT zwischen heh (ich benutze den Uni­code-Namen zur deut­lichen Unter­schei­dung von ḥāʾ) und alif maq­ṣūra klar nichts gibt, könnte da im osma­ni­schen durch­aus ein Zahn sein: Man brauchte nur zwei Punkte dar­über­zu­setzen und es wäre hetā oder so.
Zweites Beispiel: wa-malāʾi­katihī Während im amt­li­chen Koran (unten) und bei UT (Mitte) VOR dem Zahn über der Grund­linie ein Er­satz­alif-mit-mad­da schwebt, schwebt im Muṣ­ḥaf Qaṭar (oben) unter der Grund­linie ein hamza-kasra NACH Wan­del-Alif mit mad­da, das den yāʾ-Zahn in ein (deh­nen­des) Alif wan­delt. Das ist nicht schlimm (Klang und rasm sind ja gleich), ist aber eine ande­re Ortho­gra­phie und darf nach der Vor­stel­lung von Men­schen, die im Koran kein Un­ge­fähr dul­den, nicht sein.

Nun die ganze Seite 3 im Vergleich. Gizeh-Druck und UT: die Amiriya ist kalli­graphi­scher als UT, was man an den Bei­spielen am rechten Rand erkennt.
Alles in allem folgt UT der Vorgabe. Grund­linie und klares von rechts nach links. Nur beim Abstand zwi­schen Wörtern ist er weniger modern als die Amiriyya (weshalb Dar al-Maʿrifa den Abstand ver­größert hat).
Ebenfalls von Seite 3 Ver­gleich von Muṣḥaf Qaṭar und UT. Im ersten und letzten Bei­spiel setzt Abū ʿUmar ʿUbaidah Muḥammad Saliḥ al-Banki die yāʾ-Punkte nicht GENAU unter den Zahn (im ersten Fall wegen des nahen nūn, im zweiten Fall aus Nach­lässig­keit). Drei Fälle zeigen Zahn-Buch­staben ohne Zahn. Und ein Knuddel-mīm, was dessen Vokal­zeichen (für moderne Leser) falsch sitzen lässt: das mīm steht rechts vom lām, das mīm-Vokal­zeichen steht aber links, weil das mīm nach dem lām zu sprechen ist. Es steht also zu Recht „falsch“.

Bevor ich aufhöre (für Heute): ein Stadt­plan von Kairo 1920, auf dem ich die Amīriyya und das Grund­buch­amt mit Pfeilen in Nil ge­kenn­zeichnet habe, außer­dem Midan Tahrir und die Stelle, wo neuer­dings die Regie­rungs­drucke­rei ist. Ferner das Erziehungs­mini­ste­rium und die Nāṣirīya, wo drei der Her­aus­geber tätig waren.
Alles rechts des Nils plus den Inseln ist Kairo, alles links davon (Imbaba, Doqqi, Gizeh) gehört nicht nur nicht zur Stadt Kairo, sondern liegt in einer anderen Provinz.
Wichtig: Setzerei und Offset-Werk­statt waren mit Auto, Straßen­bahn und Boot gut ver­bunden. Die mon­tier­ten Seiten hatten keinen weiten Weg.
Die beiden arabischen Texte sind die Druck­ver­merke von 1924 und 1952, beide aus den Exem­plaren der Preußi­schen Staats­biblio­thek, die fünf Aus­gaben be­sitzt.
Und hier die aller­letzte (unpagnierte) Seite des Urdruck.

Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Grup­pen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 198...