Freitag, 23. April 2021

les savants d’al-Azhar

Wie Bobzin sich mit dem Koran auskennt, und doch nicht mit dem 1924er Gizeh-Druck, so kennt sich Franҫois Deroche mit frühen Hand­schriften aus, aber nicht mit der König-Fuʾād-Ausgabe.
In seiner Antritts­vorlesung am Collège de France sprach er von »les savants d’al-Azhar [qui] mirent au point l’édi­tion qui, à partir de 1923, s’est peu à peu imposée tant aux commu­nautés musul­manes qu’à ceux qui étudient le Coran selon une approche scien­tifique«.
Es ist nicht nur falsch, dass diese Aus­gabe sich in DEN musli­mischen Gemein­den durch­gesetzt habe ‒ in Wahr­heit setzte sich ihre Recht­schreibung (in leicht mo­di­fi­zier­ter Form) erst durch, nach­dem ʿUṯmān Ṭaha eine Fassung auf 604 Seiten hand­ge­schrie­ben hatte, und vor allem: NUR bei Arabern und Sala­fisten, sowie in Malaysia.
Es ist nicht nur falsch, dass sie seit 1923 existiere. Es war wohl erst 1925 fertig ge­bunden.
Vor allem aber hat die Ausgabe mit der Azhar so gut wie nichts zu tun. Der Text des Qurʾān und der des Nach­wortes, den nach­gestellten Infor­ma­tionen, stammt vom Chef­rezi­tator Ägyptens, nicht von Gelehr­ten (savants) der Azhar.

NB: Im Azhar-Muṣḥaf von 1976 wird "Azhar" nicht erwähnt, die Informatio­nen nach dem qurʾānischen Text sind von ʿAbd al-Ḥalīm Maḥmūd, von 1973 bis zu seinem Tod 1978 Šaiḫ al-Azhar, unter­zeichnet ‒ seine Funk­tion wird als bekannt vorausgesetzt.
Viele glauben, dass es "schon immer" die Azhar-Seite mit Gebühren­marken und Unter­schriften gab, die den Druck von maṣāḥif in Ägypten erlaubt hätten. Es gab aber Drucke ganz ohne Auto­ri­täten-Verweis oder einem auf das Innen­mini­ste­rium, oder auf den Chef­rezita­tor (mit oder ohne Hin­weis auf seine Funk­tion). 1376/1956 steht auf dem Muṣḥaf aš-Šamarlī: "Gedruckt mit Ge­nehmi­gung des Innen­ministe­rium, dem Šaiḫ­tum der Leser Ägyptens, und dem Šaiḫ­tum der Azhar ..."
1384/1964 wird nur auf die Azhar verwiesen, u.a. auf dem stell­vertreten­den Ober-Šaiḫ Maḥmūd Ḫalīl al-Ḥuṣarī.
Das Gesetz 103 von 1961 hatte "die Abteilung für For­schung und Ver­breitung" in der Azhar zuständig gemacht.
Seit 1985 überwacht die Azhar-Gruppe Islamische For­schung Koran-Ver­öffent­lichungen.
Bestätigt im Gesetz Nr. 57 am 26.10.1998.
2005 zeichnet wieder ‒ wie 1924 ‒ der Chef-Leser Ägyp­tens (damals Dr. Aḥmad ʿIṣā al-Maʿṣ­rāwī), doch jetzt als Organ der Azhar.
Nachtrag:
Auch Marco Schöller ("Koran" in C.H.Becks Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur) und Stefan Wild ("Basmala" in Rout­ledges Encyclo­pedia of Islamic Civili­sation and Religion) faseln vom Azhar-Koran. Das scheint zum guten Ton zu gehören.
Auch François Déroche, Le Coran, une histoire plurielle. Essai sur la formation du texte coranique. Seuil, coll. « Les livres du nouveau monde », 304 p., 23 € zeugt von einem Grund­problem, dem ich auf der Spur bin: von Experten, die über den Teller­rand hinaus schreiben ‒ nicht schauen (das ist ja nötig), sondern auch über Dinge schreiben, von denen sie nichts ver­stehen, wo sie also nach­plap­pern, oft Sachen, die sie gerade erst ge­lesen haben.
Wenn er über Pergament, Heft/ qahier/ quire, Schreib­stile/ Duktūs schreibt, ist er in seinem Element. Wenn er z.B. Asma Hilalis Bemer­kungen über den Sanaa Palimp­sest abkanzelt, weiß er, wovon er schreibt.
Doch sind seine Nebenher-Bemerkungen über Gizeh1924 schlicht falsch und seine Aus­führungen über "Korane" bei der Ver­marktung des Buches unnötig spekta­kulär, bewusst miss­verständ­lich.
[l]es savants d’al-Azhar qui réali­sèrent au début du XXe siècle l’édition du Caire ... était parfaitement claire : pour établir le texte, ils ont exclusive­ment fait appel à des traités relatifs aux différents aspects du Coran, en aucun cas aux manuscrits des débuts de l’islam.
la « vulgate » ... représente la « lecture » de Hafs (m. en 796) qui avait ... dans le passé connu un relatif succès, sans pour autant repousser les autres dans l’oubli. Cette version, soutenue par l’édition de son texte que j’évoquais plus haut, a connu depuis un succès con­sidérable et a eu tendance à éclip­ser les autres.
Nochmals: Es war der Chefrezitator, keine Azhar-Gelehrten, der die Regierungsausgabe schuf.
Es gibt keine «Lesart» Ḥafṣ, sondern nur seine «Überlieferung» der Lesart ʿĀṣim.
Seine Überlieferung ist schon seit 400 Jahren in Ägypten und ganz Asien domi­nant. Dass sie durch Gizeh1924 verbreitet worden sei, ist dummes ‒ zu­mindest komplett unbe­legtes ‒ Geschwätz.
Es ist auch nicht so, dass die anderen Überlieferungen nach 1923 (endlich) in Vergessen­heit geraten seien. Viel­mehr haben Ton-Auf­nahmen, Drucke, CDs, Fernseh­sendugen und Apps die anderen Über­liefe­rungen so stark ins Bewusst­sein der einfachen Gläubigen gebracht, wie sie es lange nicht gewesen waren.

Beim letzten Punkt geht es nicht um falsch <-> richtig, sondern um (un)ge­schickt gewählt. Zumindest bei der Ve­rmarktung des Buches klingt Deroche so, als habe es mehrere Korane gegeben. Schließ­lich sei es doch etwas ganz anderes, ob « le très puissant et le très savant » (‘azîz + hakîm) gesagt würde oder « le très audiant et l'omniscient » (samî’ + ‘alîm).
Ich habe mal geschrieben, dass es Mikro-Unter­schiede gebe, Unter­schiede auf Wort-Ebene, kaum je auf Satz-Ebene, nie auf Abschnitt-Ebene.
Aber der "Sehr-Gelehrte" und der "All-Wissende" ist doch nicht das Gleiche.
Sorry, es GEHT ÜBERHAUPT NICHT um das konkrete Ausge­drückte, es handelt sich AN DER STELLE um eine Formel, die den Abschnitt abschließt, eine Formal die immer heißt: "Gott ist x und y", so wie ehrwürdige Jungfrau, lobwürdige Jungfrau, mächtige Jungfrau, gütige Jungfrau, getreue Jungfrau für Maria AUSTAUSCHBAR sind.
Gewiss, Deroche weiß das, er ist im Buch auch vorsichtig genug, aber ich rieche Sensationslust, die sich wenig um die Empfindlichkeiten von Muslimen kümmert.

Mittwoch, 10. März 2021

Hafez Osman ‒ oder nicht ‒ Auflösung

Im Arabischen wird wa- als Vorsilbe geschrieben nicht als eigenes Wort.
Egal ob es "und" heißt oder "dabei", "während­dessen, derweil", "so, dann", es steht immer vor dem Haupt­wort, es gehört zum Haupt­wort, wie der Artikel al-, wie fa-, ka-, yā-, bi-, l- ... . Bei arabische und osmanische Kalli­graphen steht es nie am Zeilen­ende.
In der arabischen Wikipedia wird "Kalīla wa-Dimna" und "خسرو وشيرين" immer mit wa-Partikel geschrie­ben, in der persi­schen jedoch mit "wa" als eigenem Wort: کلیله و دمنه , خسرو و شیرین Aufgrund des Persischen schreiben Perser und Inder leider die meisten maṣāḥif falsch, ja sogar wenn sie korrekte osma­ni­sche Vor­lagen haben, wie in meinem Rätsel eine Hand­schrift von Hafiz Osman dem Älteren, um­brechen sie es für den Druck falsch ‒ ja sogar in einem Druck für Türken. Ewige Schande über ihnen!
Der Zentrum zu Druck und Verbreitung des Qurʾān der IR Iran schreibt in seiner Wortliste die Wörter mit Präfix (بالكٰفرين يٰايها للصٰلحٰت فانجينكم ) korrekt, außer denen mit wa-Präfix (وَ عَليًّ وَ ماِّ). Ebenso in den Text-Dateien: die etwa 9000 wa- haben alle eine Leer­stelle danach (وَ اِيّاكَ وَ لَا الضّاِّلّينَ وَ الَّذينَ). In einer Excel-Tabelle mit dem "gesamten qurʾāni­schen Text" fehlen diese 9000 wa- komplett! Offen­sicht­lich hat den Herren noch niemand gesagt, dass Arabisch nicht wie Persisch zu behandeln ist, sondern eine Sprache (und Schrift) mit eigenen Regeln ist.
Seit zwei Jahren kann man sich den 611-seitigen مصحف نستعليق des King-Fahd-Kom­binats beim KFK nicht mehr her­unter­laden.
Ich ver­mute, dass denen auch auf­gefal­len ist, was mir auffiel.
... und das nur der Anfang: in einer einzigen Sure!
Das Kombinat hat zwar am Wortanfang die schlampige Setzung von "ā" vor Hamza, obwohl es dahinter gehört, korri­giert,
nicht aber wa- am Zeilen­ende.
Will man das korrigieren, ohne die Regel zu durch­brechen, dass kein Vers zer­rissen wird, und jedes ǧuz zwanzig Seiten bekommt, dann dauert das ein biss­chen ‒ aber so lange ???

Sonntag, 7. Februar 2021

schon wieder Hafez Osman ‒ oder nicht

Wer den Schreiber erkennt und das Land, wo der Muṣḥaf gedruckt wurde,
schreibe bitte einen Kommentar.

Für alle, die etwas Hilfe brauchen, um zu sehen, wo dieser Muṣḥaf fabriziert (rearangiert) wurde:

Samstag, 6. Februar 2021

osmanische Drucke IV / illegale Drucke

1875 gab es den ersten offiziellen Druck ‒ in der Nachfolge-Druckerei des Müteferika. Dank M. Brett Wilson glaube ich einen illega­len Druck aus der Zeit davor entdeckt zu haben.
Indische Drucke geben entweder keinen Druck­ort an (etwa Naval Ki­shore in Luck­now) oder sie schreiben schlicht بمبئی oder بندر بمبئی . Im fraglichen Druck steht aber groß "gedruckt in ... in indi­schen Landen"
Mir kommt das wie ein fake vor.
Außerdem ist der Schrift-Duktus osmanisch, ent­spricht keines­wegs dem Stil Bengalens, Punjabs, Sindhs, Keralas oder Bom­bays. Er kommt dem Lucknow-Stil zwar nahe, ist aber ziemlich sicher osma­nisch.
Außerdem folgt er bei al-ʿalāmīn, al-mālik und al-kitāb der osma­nischen Ortho­graphie ‒ nicht der indischen.
So wie vor der Revolution Pariser Drucker Werke, die vom Zensor nicht durch­gewunken worden wären, fiktiv in Amsterdam oder Genf (also im benachbar­ten Ausland) "er­scheinen" ließen, so taten es Muṣḥaf-Drucker in Istan­bul.

osmanische Drucke III / türkische Drucke (der doppelte Hafiz Osman)

In der Türkei gibt es zig Ausgaben von Hafiz Osman oder mit "Hafiz Osmans Schrift".
Wenn man genau schaut ‒ manchmal nicht in Türkisch, sondern nur in Arabisch ‒, heißt es: Hafiz Osman bekannt als QayišZade oder Hafiz Osman Burduri.
Ich vermute, dass (fast) alle Nicht-Fak­simile-Ausgaben mit 604/5 Seiten (605 wenn die Titel­seite mitgezählt wird) vom Junior sind (gest. 4.Ramaḍān 1311/ 11.März 1894), nicht vom Senior (1052/1642‒1110/1698).
Es gibt einen Kalligraphie-Experten (Dr. Süleyman Berk) für den DER be­rühm­te Hafiz Osman   der Junior ist und für den es komisch ist, dass jemand der immer­hin 25 maṣāḥif geschrieben hat [Junior hat 106 fertig­getellt, war am 107. als er starb], sich genau­so nannte wie der Berühmte.
Senior, der berühmt ist fürs Hilye-Schreiben und für Gebets­büchern mit Teilen des Korans (Enam-i Şerif) ist heute wohl nicht so beliebt, weil seine maṣāḥif meist über 800 Seiten stark sind (mit neun bis 13 Zeilen je Seite, nicht 15 wie beim Junior und bei ʿUṯmān Ṭaha).
Wie schwer die beiden aus­einander zu halten sind, zeige ich hier mit dem Anfang des letzten Dreißig­stel: alle vier sind von HO, wohl zweimal vom Älteren, zwei­mal vom Jünge­ren.

Montag, 1. Februar 2021

osmanische Drucke II

Ich hatte bezweifelt, dass es die ersten beiden Koran­drucke für/in Istanbul, den Londoner Druck von 1288/1871 und den Istanbuler von Ram.1291/Nov.1874, tat­säch­lich gab.
Der Kenner früher türkischen Drucke ‒ sowohl arabi­scher, wie türki­scher ‒, M. Brett Wilson, hat welche in der Süleima­niye-Büche­rei ein­ge­sehen und mir freundlicherweise ein paar Bilder überlassen.
Der Londoner Druck ist zwar historisch, aber Hafis Osman ist all­bekannt.
Aufregender ist der erste Druck IN Istanbul, der von Şeker­zade Mehmed geschriebene:
Dank an M. Brett Wilson.
Hier kann man sehen, dass HO so schreibt wie heute in der Türkei üblich, Ṣekerzade jedoch wie heute in Arabien: al-ʿālamīn, mālik, al-kitāb defektiv.

Freitag, 30. Oktober 2020

... und Muhammad ist sein Prophet

A.Neuwirth schreibt von der "Zentralität der Prophetie" in den Suren der zweiten Phase.
Pro-phetie ist "Voraus-sage eines zukünftigen Geschehens, Pro­phe­zeiung, Weis-sagung, Hell-sehen".
Prophetie spielt im Koran keine Rolle.
Aber, werden sie jetzt sagen: Aber Muḥammad ist doch sein Prophet.
Pustekuchen!
Er ist Gottes Gesandter (rasûl), sein Sprecher (nabī), Über­bringer eines Buches; (Ver-)Künder, Warner.
Von Vorher-Sagen/Pro-phetie ist nicht die Rede.
Neuwirth ist nicht die Einzige, die Falsches nachplappert,
doch für sie ist es typisch.

Das hebräische Nabi für "Sprecher" Gottes hat man ins Griechische mit dem Wort für Orakel­deuter, Vorher­sager über­setzt, weil "Angelos/Bote" schon für מַלְאָךְ/Engel/ملاك ver­geben war.
Und so verfuhr man mit dem verwandten arabi­schen Wort.
Doch da im Deutschen die griechische Grund­bedeutung ‒ vor allem bei "Pro­phetie", aber auch sonst ‒ gilt, wäre es besser, wenn man die ent­sprechenden Gestal­ten der Hebrä­ischen Bibel "Sprecher" (spokes­person, analog zu "Regie­rungs­sprecher" Gottes­sprecher, Künder, Rufer, Wahr­Sager <nicht im Sinne von Vorher­Sager>) nennte ‒ und so auch Muḥammad, ein von Gott ergrif­fenen Künder.
Im Glaubensbekenntnis kommt "Nabi" übrigens gar nicht vor: ... wa Muḥammadan Rasūl Allāh, Gottes Gesandter, Gottes Apostel.
Nebenbemerkung zu Rufer: Er ruft nicht im eigenen Namen, sondern ist von Gott berufener Rufer. Siehe auch: Reinhard Schulze: Der Koran und die Genea­logie des Islam quranische Ruf­rede.
Aber Luther schreibt doch von "Pro­pheten", es kann doch nicht dein Ernst sein, dass wir das durch "Sprecher" oder "Ver-Kün­der"ersetzen sollen?
Dass man etwas schon lange falsch macht, ist kein Grund es weiter so zu machen.
Christen deuteten viele Stellen der Hebräi­schen Bibel als Vorher-Sagen des Gesalb­ten (=Christos) Jesus von Nazareth.
Im Credo heißt es: Credo ... in Spiri­tum Sanc­tum ..., qui locutus est per Prophetas.
Da man vor Johann Gottfried Eichhorn davon ausfing, dass Vorher-Sagen die Hauptfunktion der neve'im sei, und man die wahren daran erkennen könne, dass ihre Vorher-Sagen eintreffen (Erfüllungskriterium, Dtn 18: 18 Einen Künder/Sprecher wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage.... 21 Wenn du aber in deinem Herzen sagen würdest: Wie kann ich merken, welches Wort der HERR nicht geredet hat? – 22 wenn der Prophet redet in dem Namen des HERRN und es wird nichts daraus und es tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht geredet hat.), galten sie den christ­lichen Theologen als Vorher-Sager ‒ sowohl der baldi­gen Zukunft, wie des Kommens des Gesalbten; deshalb sprach aus ihnen auch nicht JHWH, der HERR, sondern der Heilige Geist. Da sich die Vorher-Sagen in Jesum von Nazareth erfüllt haben, waren sie wahre Pro-Pheten. Deshalb gefiel christ­lichen Bibel­deutern die Fehl­über­setzung von Nabi.
Heute wissen die Bibel­forscher, dass die Sprecher keine Man­tiker waren, dass der Kern des nabi-tums "berufener Sprecher (Gottes)" ist; trotz­dem hängen sie an dem einge­führten falschen Wort ‒ und Neuwirth und viele Islam-Nach-Plapperer (-Wissenschaftler sind sie ja nicht).
Man sagt mir, Neuwirth schreibe nicht Deutsch, meine also mit Pro­phetie nicht "Vor­aus-sage eines zukünf­tigen Geschehens, Pro­phe­zeiung, Weis-sagung, Hell-sehen", sondern sie schreibe lutheri­schen Pastoren­sprech und da stehe Pro­phetie für "Amt und Tun eines Pro­pheten", also für Alles was Leute tun, die Pastoren und Neu­wirth "Pro­phet" nennen, etwa Muḥammad.
Pfui! Wer derart zirkulär spricht, pflicht Scheiß-Kränze. Pasto­ren mögen sie sein, aber Luthersch sind sie nicht, weil sie dem Volk nicht auf Maul schauen, sondern nur immer Irres­gleichen ver­viel­fälti­gen, so lange, bis sie tät­säch­lich glauben "be­gegnen" hieße "vor­kommen" und "es erhellt" wäre Deutsch. ‒ Es ist aber blos Losung, an der sie ein­ander er­ken­nen. Pfui!
Geht man nicht vom deutschen "pro-phezeien" aus, sondern sucht den griechi­schen Ursinn, gibt es eine andere Möglich­keit: Vor-Sprecher, nicht im Sinne von "voraus", sondern "an Stelle eines Anderen". In diesem Sinne wären Pro-Pheten ‒ genau wie neve'im ‒ Sprecher, Künder, Rufer, Boten Gottes.
So kann es zu der Übersetzung der Septua­ginta ge­kommen sein.
Ändert aber nicht daran, dass es heute anders ver­standen wird ‒ und dass auch die christ­lichen Gelehr­ten es lange anders ver­standen haben.
Vor Johann Gottfried Eichhorn gingen die Theo­logen davon aus, die Pro­pheten Vieles richtig vorausgesagt hätten. Eichhorn vermutete, dass die Pro-Phe­zei­ungen post factum geschrie­ben wurden, dass die angeb­lichen Pro­pheten, nach den Fakten gelebt hätten oder man ihnen Vieles nach­träg­lich in den Mund gelegt habe. Nach dem Fall Jerusalems legte man die Vor­her­sage des Fall einem, der davor gelebt hatte, in den Mund.

Mittwoch, 26. Februar 2020

Bombay-Drucke

In der Zeitschrift der indonesischen Religions­behörde ist ein Aufsatz zu Bombay­drucken in der Insel­welt erschienen.
Für mich bemerkens­wert, was die Autoren nicht interessiert:
die Drucke in Bombay.
In nieder­ländischen Biblio­theken findet man welche, z.B.:
al-Qurʾān al-maǧīd wa-al-furqān al-ḥamīd
Maṭbaʿa al-Muḥama­diyya, 1298/1881
542 p 25 cm -- wobei die 114. Sure auf Seite 542 steht;
es folgen noch ein paar Seiten.
Dieser wurde nicht nur in Insel­indien nach­gedruckt, wozu man in dem Suhuf-Artikel viel findet, sondern auch in Bombay selbst inkl. 16­seiti­gem Vorwort in Malai­isch (in arabi­schen Buch­staben):
Innahu la-Qurʼān karīm fī kitābin maknūnin
Bombay: ʻAlī Bhāī Sharaf­ʻalī & Company Ltd., 1358 [1959]
16 + 542 + 10 p. ; 25 cm.



(diese Seite ist anders als in der Vorlage von 1881)

Here are more.

Samstag, 22. Februar 2020

fragliche Schreibung

Vor zwei Monaten zwitscherte ein nieder­ländi­scher Fach­mann für semitische und Berber-Sprachen, dass der rasm der Amiriyya-Ausgabe (König-Fuʾād-Ausgabe, von ihm "the Cairo edition" genannt) ohne Berück­sichti­gung von Hand­schriften festgelegt worden sei.
Über elf Jahre bin ich bei Twitter, habe aber nie gezwitschert, retweeted oder geliked. Doch da musste ich widersprechen. Er könne sagen "EARLY mss." und sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Macher der KFA keine Hand­schriften studiert habe, sondern "nur" die anda­lusi­sche Litera­tur über Hand­schriften, und deren Autoren hätten eher solche aus dem dritten Jahr­hundert als aus dem ersten kon­sultiert. Außerdem solle er nicht so tun als sei "the Cairo edition" der Standard.
Daraufhin hat der genia­lische Linguist seien Tweet gelöscht und durch einen neuen ersetzt, zu dem mein Kommen­tar nicht mehr passte. Für mich ein Hin­weis, dass man bei Twitter nicht ping-pongt. In einem neuen Tweet geht es um die Schrei­bung von iǧtabā-hu/ er wählte ihn (20:122, 68:50, 16:121).
Darin hat er "the Cairo edition" durch "the modern print editions" ersetzt, was einer­seits ein seman­tischer Fort­schritt ist (weil es über tausend "Cairo editions" gibt, denn "edition" is als "the entire number of copies of a book, news­paper, or other pub­lication printed at one time from a single setting of type" definiert = Auf­lage), bringt aber nicht viel, weil er DIE gedruckten Aus­gaben als STANDARD bezeichnet.
Es will mir nicht in den Kopf, wie ein Mensch, der in einem Land lebt, in die Mehrheit der Muslime aus Marokko stammt, umgeben von Ländern, in denen die meisten aus der Türkei, aus dem Maghreb oder aus dem indischen Sub­kontinent stammen, so tun kann, als sei die Schreib­art des qurʾān Standard, die (seit etwa 1983) im arabi­schen Osten maß­gebend ist, DIE Schreib­art sei.
Wie kann man über­sehen, dass sich die Amiriyya-Ausgabe erst in dem Gewand der ʿUṯmān-Ṭaha-Ausgaben durch­setzte, und weder in Indien, der Türkei noch in Indo­nesien benutzt wird? Auch in West­afrika, Iran und Zentral­asien ist sie nicht maßgebend. Ein Fünftel der Muslime sind nicht DIE Muslime!
Schauen wir uns moderne Drucke (plus einer Handschrift) an.
Erst eine indische aus Johannes­burg, dann eine indische aus Djakarta:






Die zwei Stellen von der türkischen Behörde:




Und als Dreingabe aus der Handschrift von Mehmet Şevki Efendi:



Vier aus Iran ‒ so viele, weil es hier keinen Landes-Standard gibt:


Kabul 1353/1934

und aus Libyen:




In all diesen modernen Druckausgaben ‒ was doppeltgemoppelt ist: Drucke gibt es erst in der Moderne ‒ hat das Wort drei Zähne: tāʾ, bāʾ, yāʾ; dass Türken yāʾ-Punkte darunter setzen, die anderen diese weglassen, ist sekundär.
Doch nun aus dem muṣḥaf zum 25. Thron­jubiläum von Ḥasan II von Marokko:



Algerien


Aus der KFA:


Sowie der "moderne Druck" von Tom Milo, den es nur online gibt ‒ komi­sche Vor­stellung hat der verrückte Linguist von "print":


Es gibt also einen "asiatischen" Standard mit yāʾ für das /ā/ und einen "afrikanischen" ohne yāʾ an zwei der drei Stellen.
Übrigens gibt es in Arabien immer noch tafsīr-Ausgaben, bei denen der Kom­men­tar um einen nach os­mani­schen Regeln geschriebenen muṣḥaf steht (hier also immer mit drittem Zahn). Bis in die 50ger Jahre in Ägypten, den 70gern in Syrien und noch nach 1980 im ʿIrāq, in Qaṭar und Saʿūdīa gab es osmanische Drucke, die nicht dem "Stan­dard" des spinner­ten genialen Gelehrten folgen.
Und das KFKom­binat in Medina druckt für Asiaten eine Ausgabe, die diesen recht erscheint, sowohl rein arabisch wie mit Über­setzungen in den süd­asiati­sche Sprachen (inkl. Perisch):


Zig ProfessorInnen, die Druck­ausgaben für so unwichtig (und leicht zu ver­stehen) halten, dass sie sie nie studiert haben ‒ das scheinen außer mir nur A.A. Brockett und G-R Puin getan zu haben ‒, schreiben trotz­dem darüber ‒ fast nur Unsinn.

Doch der Amster­damer Professor hat zwei Gebiete ‒ Gewinn bringend ‒ studiert:
die Aus­sprache des hiǧāzi­schen Arabisch im 7. Jahrhundert und
die Schrei­bung in den frühen (!) Koran­handschriften.


Und siehe da: Die Hand­schriften-Daten­bank von Corpus Coranicum bringt es an den Tag:
die Schreibung mit drei Zähnen (also yāʾ für /ā/) war normal.
Später taucht mit Schreibung mit alif auf:

(ich habe das hāʾ /hū/ aus der nächsten Zeile nach oben kopiert, Worte können in den frühen Mss. ohne Trennstrich auf zwei Zeilen verteilt sein.)



Der Linguist vermutet, dass der afrikanischer Standard auf einer Aus­legung (!!!) des Buches von Abu Daʾūd Sulaimān Ibn Naǧāḥ beruht, der eben nicht die frühen (!!) Hand­schriften ausgewertet habe.
In der Tat hat der Herr etwas entdeckt,
entdeckt, dass die nord­afrika­nische Schreibung nicht der ʿuṭmāni­schen ent­spricht,
nur dass er damit nicht DEN Standard entkräftigt, sondern nur einen.

Zum Schluß noch eine Kritik an Milos Muṣḥaf Muscat, aus dem der Linguist 2:102 zeigt:
Milo macht es ganz anders als KFA und UT2.
Während die Modernen die Vokal­zeichen genau über/unter "ihrem" Kon­sonan­ten setzen,
die Buch­staben immer von rechts nach links zu lesen sind,
steht bei Milo der zweite Buch­stabe mīm an erster Stelle, "sein" fatḥa aber weiter links ‒ über einem Streck­strich (wie häss­lich!);
der /ā/-Dolch steht vor dem yāʾ, das durch ihn zu Alif ge­wandelt wird ‒ und nicht hinter dem fatḥa, das durch es gelängt wird.
Übrigens steht der Wandel-Dolch auch in der KFA und bei UT falsch: Er ist ja kein Vokal, der nach einen Kon­sonanten steht, sondern wan­delt das yāʾ in ein alif, müsste also über dem yāʾ stehen.
Der ästhetische Reaktionär hat zwar die Schrift­regeln des Hof-Osma­ni­schen ver­standen, aber nicht die klaren, deutliche Schreib­regeln der KFA.

Ein madda-Zeichen längt keinen Konsonanten (hier nūn) – das besorgt ein šadda -> es muss über dem Vokal­buch­staben (ḥarf al-madd) stehen. Vor 150 Jahren, als nur 1% der Gesamt­bevöl­kerung las, war das okay; heute ist es schlicht falsch.

Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Grup­pen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 198...