Mittwoch, 24. April 2019

Mustafa Nazif Kadırğalı . . . . . . . . . . . .. . . . ..

Muṣṭafā Naẓīf Kadırğalı مصطفى نظيف الشهير بقدروغلى hat weder 106 1/2 maṣāḥif geschrieben, wie sein Zeit­genosse Hafez Osman, der Jüngere ‒ der Ältere lebte 200 Jahre früher ‒, noch hat man zehn seiner "Korane" nach­gedruckt, aber mit drei "Koranen" ist er stil­bildend wie kaum einer.
1262/1846 in Russe/Русе/Rusçuk/Rust­schuk im osma­nischen Bul­ga­rien ge­boren, wohin die krim­tartarische Familie ge­flohen war, 29.3.1331/ 8.3.1913 in Istan­bul ge­stor­ben, in Beşik­taş be­graben.
‒ in Ägypten, im Libanon und in Persien haben ver­schie­dene Ver­lage seinen 522-Seitigen (wohl 1891 in der Istan­buler Matbaa-i Osmaniye erschie­nen) 15-Zeili­gen   pur, mit Wort­er­klärungen und mit Kom­men­tar verlegt.
‒ Sein 604-Seitiger 15-Zeiliger wurde in Istan­bul in mit schwarzer und roter Schrift plus Goldrahmen auf kräftigem Papier gedruckt,

ebenfalls in Istanbul hat man diesen muṣḥaf in Atlas-Größe gedruckt,

in Iran 1965
in Deutschland gab es eine wohlfeile schwarz+rote Ausgabe
und in Indo­nesien hat man ihn ständig ein­farbig nach­gedruckt (er­weitert um das Lang-ḍamma-Zeichen).
Von 1944 bis 1975 hat Šamarli den 522sei­tigen MNQ (ab den 50ern mit den Q52-Zeichen) verlegt.
Hier zwei halbe Seiten aus dem 522er,
links nach den afro-arabischen Regeln Q52,
rechts im Original, nach Osm.
Und hier mit Worterklärungen, in Bairût verlegt ‒ Orthographie Q24


Hier ist der Koran nach Osm,
erschien zu MNQs Lebzeiten in Kairo
(bei Muṣṭafā al-Bābī al-Ḥalābī)
hier ist ein Blatt los, man erkennt trotzdem den Anfang von Baqara
Bis heute erlebt der von al-Ḥaddād zeilen­identisch nach­ge­schrie­bene ägyp­tische 522-Seiten-muṣḥaf Neu­drucke ‒ in allen Größen, in Plastik- und Karton-Einband, mit Reiß­verschluss und ganz bunt. Er ist unter dem Ver­leger als Šamarlī berühmt und bei Ägyptens Armen bis heute beliebt.
Über zehn verschiedene Verleger haben in Kairo seine 522 Seiten nach­ge­druckt, in den 1930ger u.a. ʻAbd al-Ḥamīd Aḥmad Ḥanafī und das Innen­ministe­rium.
Hier sieht man, dass MNQ ‒ vielleicht mit Aus­nahme der ersten und letz­ten Seiten ‒ nur ein paar Mal alles ge­schrie­ben hat, die Ver­leger dar­aus viele unter­schied­liche Fas­sungen zau­ber­ten.

Manchmal schöner
manchmal handlich und preis­wert ‒ von ʿAlī Yūsuf Sulaimān 1956 in Kairo


1966 könnte er zum letzten Mal in Kairo nachgedruckt worden sein
Wie volkstümlich die Ausgabe auf 521 Seiten (plus Titel­blatt) in Ägypten immer noch ist, erkennt man daran, dass KFC ʿUṯmān Ṭaha erst bat die Lesung ad-Dūrī und dann auch Ḥafṣ auf 522 15-zeilige Seiten zu schreiben.
Hier die letzte Seite neben­ein­ander:

und hier die erste nach den beiden Schmuck­seiten neben der ent­spre­chen­den Seite aus dem Kai­riner Druck von 1911:


Aus einer Ausgabe mit schwarzen und roten Madd-Zeichen

Eine Ausgabe mit 17 Zeilen je Seite, 485 Seiten ‒ die letzte Sure steht auf S. 486, weil das Titel­blatt mit­gezählt wird ‒ wurde in Damaskus auf Glanz­papier "edel" und in Deutz in wat­tier­tem Plastik­umschlag preis­wert ver­öffent­licht, nur die deutschen Türken geben den Kalli­gra­phen an.



1311/1898 soll Dāʾirat al-Maʿārif in Hyder­abad al-Qurʾān al-Karīm von ihm her­aus­gebracht haben.

Sonntag, 31. März 2019

Adrian Alan Brockett 1984

Vor 35 Jahren legte A. A. Brockett an der Uni­versity of St.Andrews seine Doktor­arbeit Studies in Two Trans­missions of the Qurʾān vor. Sie machte ihn zum Doktor der Philo­sophie und brot­los ‒ das verdiente er dann als land­wirt­schaft­licher Berater in arabischen Ländern.
Meine Grundthese ‒ auf Erden gibt es den Standard­koran nicht ‒ belegte er schon damals:
the "official" text of 1342/1924 is not official.
Ferner zeigte er:
Der qurʾān wurde immer mündlich und schrift­lich über­liefert.
Mündliche und schriftliche Über­liefe­rung stützten ein­ander, kon­trol­lierten sich gegen­seitig.
und: Die Abweichungen zwischen den Über­liefe­rungen und zwischen den Druck­ausgaben sind gering:
Es gibt verschiedene Klang- und Schrift­gestalten des qurʾān,
es gibt aber nur einen qurʾān.

Das war vor dem Internet, vor Unicode, vor ʿUṭmān Ṭāha, vor den Qālūn-Aus­gaben in Damas­kus, Dubai, Tripoli und Tunis, sogar vor den CDs mit Aus­schnit­ten aus den Sieben (und den Drei danach).
Er hatte viele Ausgaben von Ḥafṣ und Warš aus Ägypten, aus Tehran und Tunis, sowie ein paar Hand­schriften.
Von Zamaḫšarīs Kaššāf und Sība­waihīs Kitāb gab es keine kriti­schen Ausgaben, so dass er, wenn dort Stellen aus dem qurʾān anders erschienen, über­legen musste, ob es sich um Setz­fehler handelt oder wirk­lich um eine abwei­chende Schreibung.
Englisch-Arabisch gemischte Texte waren an Schreib­maschine/Computer prak­tisch nicht zu erstellen:
deshalb hielt er die kora­nischen Ortho­gra­phien in einer "trans­litera­tion" fest, die der (spä­te­ren) Puins unter­legen ist.
Er wusste nicht, was eine Trans­lite­ration ist, ver­mengte sie mit Trans­kription.
Erstere gibt die Aus­gangsschrift wieder, muss eindeutig umkehrbar sein,
am einfachsten: ein Zeichen <> ein Zeichen;
aussprechbar muss sie nicht sein.
Letztere gibt die Aus­gangssprache wieder, ist aus­sprechbar, lesbar,
muss aber nicht (auch von einen der Sprache Unkundigen) umkehrbar sein.
Das ist aber Brocketts "transliteration" keineswegs.
Mir sagt sie so gut wie nichts, ohne die Stellen­angabe (1:3) hinter seinen Zeichen, stünde ich im Dunkeln.
Die Schlangenlinie (Tilde) steht bei ihm sowohl für "nicht im rasm" und für "über­dehnt".
Er verwendet saublöde Begriffe.
Immerhin definiert er sie eingangs:
"graphic" steht für "im rasm notiert",
"vocal" geht für "nicht im rasm notiert" ‒
seine eigene Definition "The term 'vocal form', with respect to the Qur'ãn, is used throughout to signify the con­sonantal skeleton fully fleshed out with dia­cri­tical marks, vowels, and so on."
ist komplett falsch:
1. meint er gar nicht die Schrift mit allem Drum­und­dran, sondern nur das Drum­und­dran.
2. gibt es im Qurʾān kein Konson­naten­gerüst, sondern ein Buchstabengesrüst
3. ist das Buchstaben­gerüst nicht stumm (avocal) und das Drum­und­dran nur laut­lich,
beide werden geschrieben UND gesprochen, sind graphisch und lautlich bedeutend.
Was er meint, ist:
es gibt Zeichen, die von Anfang an geschrieben wurden,
und Zeichen, die erst später dazu­kamen: diakri­tische Punkte, Vokalzeichen, Ver­dop­plungs­zeichen, Hamza­zeichen, Waṣla­zeichen, Zeichen für Imala, Išmām, Assimi­la­tion, Vokal­losig­keit, Ignorieren bei der Aus­sprache (absolut oder nur im Kontext), Nachdruck, Ab­schwä­chung, Über­dehnung.
Es gibt also auch Zeichen, die geschrie­ben wurden, aber nicht gesprochen; außerdem Aus­sprache­phäno­mene, die nur in guten Aus­gaben ge­schrieben werden (wie Nasa­lierung, Assimi­lation, Deut­lich­keit, Nach­druck) <beim Letzt­genann­ten ist zu unter­scheiden: Buch­staben, die immer nach­drücklich sind, welche, die in der Umgebung nach­drück­lich sind und solchen, die aus­nahms­weise nach­drücklich sind ‒ nur das Dritte muss notiert werden>
3.) Obwohl er "definiert": The term 'graphic form' refers to the bare consonantal skeleton, meint er auch dies nicht; er meint rasm+dia­krit.Punkte ‒ und "vocal" für den Rest.

Da seine Arbeit immer noch das Beste ist, was auf Englisch dazu vorliegt
und ich sie auch aus­schlach­ten will,
erst die Kritik ‒ das haben wir dann hinter uns.
Die eklatanten Fehler liegen daran, dass es eine Doktor­arbeit ist, keine Pub­likation.
Der Autor war jung und une­fahren und er durfte sie niemandem zur Korrektur, Aus­bessern, Aus­diskutieren vorlegen. Es sollte ja keine fertige Arbeit sein, sondern nur ein Nach­weis dafür, dass er wissen­schaft­lich arbeiten könnte,
und das zeigte er nicht nur bei der Manu­skript­datierung anhand der Wasser­zeichen und den kriti­schen Fuß­noten zur ver­wende­ten Literatur, sondern auch mit dem Aufstellen und Belegen von Thesen.

Kurios ist, dass er den 1924er Druck für die Wieder­gabe einer Hand­schrift hielt.
dass er den 1982er qatarischen Reprint für den Reprint dieses Druckes hielt,
obwohl es sich um einen Reprint des (an über 900 Stellen abweichenden) 1952er Druckes handelt,
dass er ein Kolophon zitiert, in dem Ḥasan Riḍā als Schreiber genannt wird, er aber "Āyat Barkenār" für den ‒ ihm unbe­kannten ‒ Kalli­graphen hält.
Dass er glaubt, dass man 1978 aus Pakistan Druck­platten nach Johannes­burg trans­portierte, um einen Tāj-Ausgabe nachzu­drucken, zeigt, dass er von Druck­technik null Ahnung hatte, weshalb ich die vielen Anmerkungen zu diesem Aspekt völlig ignoriere (wenn ich die von ihm kon­sultierten Ausgaben zur Hand hätte oder von ihm erfahren könnte, worauf er seine Bemerkungen stüzt, wäre es anders.)
Zum Glück habe ich fast alle von ihm erwähnte Ausgaben ‒ sei es gebunden, sei es als pdf. Für die Aus­gaben aus Delhi, Bombay und Calcutta habe ich immer­hin äqui­valente. Ich kann deshalb die meisten seiner Angaben nachvoll­ziehen. Und für Anderes habe ich zusätzliche Belege.
Nirgends komme ich zu anderen Schluss­folgerungen.




Freitag, 15. März 2019

yāʾ-hamza ئ

Nach dem Motto "Zehn Bilder sagen mehr als tausend Worte" habe ich den Seiten 99, 101 in Kein Standard alles zusammengestellt, um zu sehen, was ist.
Für die, die es lieber ausgeschrieben haben: In MSA (Modernem Standard-Arabisch), in türkischen Kuranen, in Indien und Arabien haben ā-yāʾ (alif maqṣūra) und yāʾ-hamza keine Punkte.
In Mag behalten sie sie ‒ außer in Endposition, ganz wie ٯ ڡ ں (im Gegensatz zu ب ت ث ).
In MSA und nOsm sitzt das Hamza immer über dem Zahn/Stachel.
In IPak, Mag und Q52 zieht kasra das Hamza vom Stachel zu sich nach unten,
in IPak und Mag auch das über der Grundlinie schwebende,
in Q52 bleibt es oben ‒ ein Versehen?.


Es sei hier noch darauf verwiesen, dass in (n)Osm yāʾ und wau gleich­zeitig Vokal und Hamza­träger sein können, was auf dem PC nicht ohne Weiteres hinzu­bekommen ist ‒ es sei denn Unicode berück­sichtigt es und die Soft­ware­entwick­ler folgen.

Sonntag, 10. März 2019

1924 nicht der Standard, aber einer?

Die Professoren schreiben von einander ab: der 1924er sei der Standard.
Außenseiter, wie A.A. Brocket, A.I. Mohr und meine Wenig­keit halten dagegen: Nicht Standard.
Versöhnler könnten sagen: Okay, Türken, Inder, Indo­nesier und Afri­kaner (80% der Muslime) haben nichts damit am Hut, aber er ist doch immerhin ein Standard.
Puste­kuchen.
‒ Der 1952er unterscheidet sich an über 900 Stellen vom 1924er.
‒ Die Saʿudis haben das Pausenzeichen لا abgeschafft,
    haben im Nachwort ein meistens/ġāliban eingefügt.
    haben das hamzaʾ in 2:72 aufgebockt (was ich sonst nur bei tunesichen Qālūn-Ausgaben gesehen habe).
    haben in 73:20 ein (stummes) nūn (wieder) hinzugefügt.
    haben in 2:264 in riʾāʾa das erste hamzaʾ statt auf den Zahn hinter den Zahn gesetzt (wohl eine berechtigte Korrektur)
‒ Die Qaṭarīs haben in 56:2 ein Alif rausgeworfen.
‒ erst nachdem ʿUṭmān Tāhā die osmanische Aufteilung auf 604 Seiten mit
    dem marokkanischen rasm,
    der Grundlinienorientierung und
    den Zusatzzeichen von 1952 kombinierte,
setzte sich diese Kombination durch.
Man kann nicht sagen,
1924 sei der Standardkoran auf uns herabgekommen,
weil heute die meisten Araber diesem
irgendwie folgten.
Bis in die 1960er wurde in Syrien Hafis Osman nachgedruckt,
der iraqische Staatskoran von 1951, der weit­gehend osmanisch ist
‒ kein Nacheinander-tanwīn hat, Assimi­lation nicht durch Verdop­plungs­zeichen beim zweiten Buchstaben, nicht die ägypti­schen Pausen (weder die von 1924, noch die heutigen),
keinen Stummkreis, sondern die osmanischen Anweisungen ‒
wurde 1978, 1970, 1980 für Saʿudia, Qaṭar, Jordanien und ʿIrāq nachgedruckt.
Selbst heute gibt der Staat ‒ ad-dīwān al-auqāf as-sunnī ‒ neben einem UT-artigen einen Reprint eines nicht-604-berkenar-seitigen muṣḥaf des 1920 ver­storbenen osmanischen Kalli­graphen Ḥasan Riḍā heraus. Wenn 1924 den ara­bi­schen Stan­dard hervor­gebracht hätte, wäre das unmöglich.
Auch der jemeniti­sche Staats­koran spricht dagegen. Dass alle Maghreb-Staaten dage­gen­hal­ten, ver­steht sich. Dort laufen nur Salafisten und Schiʿi­ten mit einem UT herum.

Sonntag, 10. Februar 2019

noch mehr Quatsch

Auch ich schreibe Quatsch.
In Kein Standard schreibe ich, dass Marokkaner und Inder einen defektiven rasm    beibehalten hätten.
Woher weiß ich das?
Ich weiß nur, dass sie heute (teil)defektiv schreiben.
Ob sie das wirklich immer taten, den rasm also beibehalten haben, weiß ich nicht.
Vielleicht haben sie ja vor 300 Jahren das gemacht, was die Ägypter vor hundert Jahren gemacht haben:
von "plene"-Schreibung (imlāʾī) auf defektive Schreibung umgestellt.
Bleibt zu hoffen, dass demnächst Menschen Lust und Kraft haben, andalusische Handschriften aus dem neunten und/oder indische aus dem 14. Jahrhundert zu studieren.
Aufgrund meiner Studien vermute ich, dass es vor der Dominanz der Drucke nirgends einheitliche Schreibungen gab;
erst der gleichzeitige Besitz mehrerer maṣāḥif "zwang" zur Vereinheitlichung.
Und erste Studien von andalusischen und indischen Handschriften lassen mein "beibehalten" als Quatsch erscheinen.
Vielleicht stellen Forscher fest, dass ich kompletten Unsinn geschrieben habe.
und hoffentlich korrigieren sie meinen Quatsch.

Wer gar nichts veröffentlicht, veröffentlicht auch keinen Quatsch.
Wer Quatsch schreibt, ist nicht automatisch ein Quatscher.
Wer seinen Quatsch nicht eingesteht und korrigiert, wird in der Hölle dafür büßen.

Samstag, 9. Februar 2019

Quatsch gebiert Quatsch

Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Angelika Neuwirth ist sich der Verantwortung als Grande Dame nicht bewusst.
Sie schreibt kompletten Unsinn:
der verschriftlichte[] Koran­kodex, muṣḥaf, [wurde] durch … Überlieferung durch die Jahrhunderte weiter­tradiert …, um schließlich im letzten Jahr­hundert, im Jahre 1925, in die Form eines gedruckten Textes einzugehen.
Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike, Berlin: Suhrkamp 2010. p. 190
Das führt dazu, dass im Netz 3x ‒ in der NZZ, bei qantara.de und bei www.ite-dasmagazin.ch steht:
Bereits zwanzig Jahre nach Mohammeds Tod beendet der dritte Kalif Othman den Streit um die Schrift. Er ent­scheidet, welche Verse aus dem Mund des Gesandten stammen und damit gültig sind. … In dieser bis heute im grössten Teil der arabischen Welt als allein ver­bind­lich gelten­den Text­gestalt wird der Koran erstmals 1924 von der Azhar-Universität in Kairo gedruckt.
Zu diesem Zeitpunkt gab es ‒ selbst wenn man vom venezianischen Druck und denen für europäische Gelehrte absieht ‒ schon weit über hundert Jahre gedruckte Korane (St.Petersbur, Kazan, Persien und vor allem in Indien ‒ Gizeh 1924 war auch nicht der erste "inner­islamische" (Spät­antike, S.30, Late antiquity, p.8); Text, Kommentar und Type der St. Peters­burger aus dem späten 18. Jahr­hunderts waren von Muslimen)
und schon fünfzig Jahre lang in Hülle und Fülle.
Aber Neuwirth hat keine Zeit, ihre Angaben zu überprüfen, keine Lust, nachzudenken oder Korrektur­lesen zu lassen.
Wenn man den Kinder­quatsch ganz genau nimmt, ist er gar nicht so falsch wie das, was Neuwirth schreibt.
Neuwirth bezieht sich immer auf die islamische Welt und da gab es schon hunderte Ausgaben vor 1924.
Der Kinderquatsch spricht vom "größten Teil der arabischen Welt", wo sich 1977 und 2002 ver­öffent­lichte Abschriften der 1952er Fassung ‒ die an über 800 Stellen von der 1924er Fassung abweicht ‒ durch­gesetzt hat. Man könnte also sagen: Das stimmt also irgendwie.
Ich bin aber der Ansicht, dass das fast alle Leser missverstehen, weil sie gar nicht wissen, dass 4/5 der Muslime keine Araber sind -- und Inder, Indonesier, Türken, Nord- und Westafrikaner haben mit dem 1924er, dem 1952 und auch seinen Abschriften nichts zu schaffen. (Mit "Indien" meine ich den Kulturraum: Pakistan, Bharat, BangaDesch, Ceylon, Nepal, Surinam, Mauritius, Natal, Batley, Birmingham, London bzw. Teile davon.)

Montag, 4. Februar 2019

Quatsch von den Experten

Weil Bergsträßer, Neuwirth, Bobzin Qurʾān-Experten sind, müssen wir bei Ihnen beson­ders auf der Hut sein.
((Desgleichen bei Fran­ҫois Deroche)) Auch sie wissen nicht Alles ‒ und über ein Rand­gebiet, für das sie sich gar nicht inter­es­sie­ren, erst recht nicht.
Ich behaupte, Bergsträßer hat sich wohl gerade mal éine per­sische Litho­gra­phie ange­schaut und KEINEN maghre­bi­nischen Druck STUDIERT (und auch keinen indi­schen); sonst hätte er den Quatsch, den er ge­schrie­ben hat, nicht ge­schrieben.
Neuwirth und Bobzin könnten den 1924er nicht an­geschaut haben, bevor sie schrie­ben, was sie ge­schrie­ben haben.
Wie sonst machte die eine in den Fuß­noten falsche Angaben zum Titel?
Wie sonst, nennte der andere ihn „Azhar-Koran“, obwohl in dem langen Nach­wort zwar der König erwähnt wird und al-Ḥusainī al-Ḥaddād, der Oberste Leser Ägyptens, der ihn ge­schrie­ben hat? (im 1925er Nach­wort korri­giert: den Ursprung, die Vor­lage zum Setzen ge­schrie­ben hat)
Was berechtigt Bobzin, etwas was Berg­strä­ßer wieder und wieder „den amt­lichen (ägyp­ti­schen) Koran“ nennt, der sich selbst (in der Widmung) „al-muṣ­ḥaf al-karīm“ und (in den Erläute­rungen/at-taʿrīf) „al-muṣḥaf aš-šarīf“ nennt und im Text „Azhar“ nicht benutzt, „Azhar-Koran“ zu nennen?
Nix!
Bergsträßer, der ja wenige Jahre nach dem Druck mit dem Haupt-Her­aus­geber geredet hat, macht klar, dass ein Šaiḫ der Azhar-Univer­sität die Rich­tig­keit des ohne ihn ge­mach­ten Werkes nur be­stätigt hat.
Ich gehe so weit zu sagen, dass ein Azhar-Koran 1924 ein Ana­chro­nismus wäre.
Berg­sträßers Exemplar trägt den Präge­stempel ṭabʿat al-ḥukūma al-Miṣrīya sanat 1343 hiǧriyya
Der Druck wurde am 7.12. (ḏu l-ḥiǧǧa) 1342/10.7.1924 abge­schlos­sen.
Doch aufgepasst!
Die Behauptung, dass der Druck abge­schlossen worden sei, steht in dem Buch,
muss aber nach „Abschluss des Druckes“ ge­setzt und ge­druckt worden sein!
Wenn es keine Mystifi­ka­tion ist, dann muss man die Aussage so deuten:
Der Druck des qurʾāni­schen Textes selbst sei am 7.12.1342 abge­schlossen worden,
das ganze Werk inkl. der Wid­mung an den König, der ‒ hier wie auch sonst in der Zeit in Ägypten ‒ als „Fuʾād der Erste“ bezeichnet wird, obwohl es noch gar keinen „Zweiten“ gab und des­halb kor­rekter­weise schlicht „Fuʾād“ heißen muss, ganz so wie der ak­tuelle Papst „Franzis­kus“ heißt und das „I“ erst bekommt, sobald es einen „II“ gibt,
kann erst danach abge­schlossen worden sein.
Von der Bindung des Werkes ‒ Qurʾān, Widmung, taʿrif, ḫātima, Index und Druck­ver­merk, jedoch ohne Titelblatt, aber mit Präge­stempel ‒ abge­sehen!
Für die Ver­öffent­lichung gilt also nicht das im Druck­vermerk an­gegebene 1342, sondern das vom Präge­stempel: 1343, welches Anfang August 1924 begann, aber wohl erst 1925 geschah, denn das Binden brauchte damals Zeit; erst dann konnte das Werk erscheinen.
Der Text, der danach bloß noch tech­nisch umge­SETZT wurde, lag aber schon am 13.1.1919 fertig vor.
Dies bestätigte außer dem Schreiber selbst, besag­tem Ober-Rezitator, auch Ḥifnī Bey Nāṣif, ehe­maliger Leiter der Arabisch­abteilung im Erzie­hungs­minste­rium und zwei Pro­fessoren an der Pädago­gi­schen Hoch­schule an-Nāṣi­rīya ‒ direkt neben beim Ministe­rium: zwischen Garden City und as-Saiyida Zainab gelegen ‒, der Korek­tur­leser der Staats­drucke­rei und ein Azhar-Šaiḫ
‒ angeb­lich 1919, in Wirklich­keit aber erst 1924 (= nach dem Druck, vor dem Binden), eine Bestäti­gung der Rich­tig­keit der Vorlage für den Setzer reicht ja nicht, um den Käufern und Lesern die Rich­tig­keit des Druckes zu bestätigen.
Warum das fungierte Datum 10.4.1337 /13.1.1919?
Weil Ḥifnī Bey kurz danach gestorben war ‒ und aus dem Grab konnte er schlecht unter­schreiben.
ʿAbd an-Nāṣir hat die Azhar aber erst Jahr­zehnte später ver­staat­licht, sie ein biss­chen zu einer ägyptischen Diyanet İşleri Başkan­lığı gemacht. Erst dann konnte die Staats­drucke­rei den Staats­mufti und Chef der staat­lichen isla­mi­schen Univer­sität dazu bewegen, ihnen zu er­lauben, einen völli­gen Neu­druck des amtlichen Korans als „muṣḥaf al-Azhar aš-šarīf“ zu ver­markten.
Bobzins Behauptung, dass es nach 1924 eine Welle an Koran­drucken ge­geben habe, ist bloße Behauptung.
Doch wenn es sie ge­geben hat, hat sie sicher mehr mit Technik ‒ Offset ‒ zu tun, als damit, dass zum ersten Mal ein fester Text vor­ge­legen habe ‒ seine dritte falsche Behaup­tung in éinem Satz.
Es gab vor 1924 drei feste Texte:
den marokkanischen,
den indischen,
den osmanischen und
‒ weniger fest, d.h. mit einer kleinen Schwankungs­breite: ‒ den persischen.
(Und heute gibt es die drei festen, mehrere iranische und indonesische ‒ plus Kazan.)
Was 1924 geschah: Ägypten schrieb den marok­ka­ni­schen rasm statt den osmanischen,
über­nahm auch die marokka­ni­schen Zusatz­zeichen (plus Ver­besserung beim sukūn), die marok­ka­nische Dif­feren­zierung beim tanwīn, die marok­ka­nische Teilung eines ǧuz in zwei aḥzāb (statt in vier wie im osmani­schen Reich);
ver­zichtet ‒ wie Marokko ‒ auf nūn qutnī und Zeichen für bas­rische Zählung, sowie ihmal-Zeichen;
vergrößerte Wort- und Zeilen­abstand, benutzte weniger Ligaturen;
erhöhte ‒ wie einzig Reinhard Schulze feststellte ‒ die Les­bar­keit für die gemeinen Araber*in
und machte bei den Pausen­zeichen einen Kom­promiss zwischen Indien und Marokko.



Auch ich habe dem Experten blind geglaubt.
Bergsträßer schreibt:
„Quelle für diesen Konsonaten­text sind natürlich nicht Koran­hand­schrif­ten, sondern die Literatur über ihn; er ist also eine Rekon­struk­tion, das Ergebnis einer Um­schrei­bung des üb­lichen Kon­sonanten­textes in die alte Ortho­gra­phie nach den Angaben der Literatur.“
Das hat ihm der Chefherausgeber so weis­gemacht, und ich habe es geglaubt und schreibe das auch so in „Kein Standard“.
Stutzig wurde ich, als ich fest­stellte, dass 60 Jahre später in Medina und Tunis im Nachwort „meistens“ ein­gefügt wurde: Man hält sich meistens an Ibn Naǧāḥ, sonst an ad-Dānī.
Nirgends wird erklärt, nach welchen Kriterien, mal so, mal so.
Geht man der Sache auf den Grund, liegt Folgendes nahe:
Der Herausgeber haben den Text gar nicht ab ovo rekon­struiert, sondern hat den Text ‒ soweit Warš nicht von Ḥafṣ abweicht und die Stellen kennt der Ober-Rezitator aus­wendig ‒ aus Marokko (oder einer Kairiner Warš-Ausgabe) über­nommen ‒ sein rasm ist weder ad-Dānī (wie vorher bei Muḫallalātī und später in Lybien), weder 100% Ibn Naǧāḥ (wie behauptet), noch 100% al-Ḫarrāz (dessen Auswahl aus den beiden), auch nicht 100% der gemeine marok­ka­nische rasm, aber sehr nah dran: Es gibt nur gut hun­dert Stellen, an denen al-Ḥusainī al-Ḥaddād ein (normales) alif hat, wo in Marokko keines steht oder um­ge­kehrt.
Selbstverständlich anders sind die Stellen, an denen anders gelesen wird.

Merkwürdig ist, dass Brockett Berg­sträßers LOB, dass der Text nach ad-Dānī rekon­struiert sei, statt ihn einfach von jüngsten guten Vorgänger abzu­schreiben, als "criticism" bezeichnet (Brockett: Study p. 87). Es will mir nicht in den Schädel, dass Brockett, der viel von Berg­sträßer gelesen hat, ihn so miss­ver­stehen kann. Berg­sträßer und sein Schüler Pretzl hatten gerade ad-Dānī entdeckt und waren begeistert, dass auch muslimi­sche Gelehrte diesen hoch­hielten, behaup­teten, der ihnen bestens vertrauten Laut­gestalt dank Dānīs Muster­bögen wieder das alte Schrift­kleid gegeben zu haben ‒ auch wenn sie dieses ‒ wie ich vermute ‒, weitgehend maghre­binischen maṣāḥif ent­nommen hatten.

Freitag, 1. Februar 2019

Fehler

Einer der Fehler im 1924er Koran, an den sich Inder, Indonesier, Perser und Türken stoßen, ist dass "Gott" mit kurzem a geschrieben wird: ʾallah statt ʾaḷḷāh.
In "Kein Standard" nenne ich das einen eindeutigen Fehler.
Aber was ist schon eindeutig?
Die arabischen Verfechter der 1924er Reform könnten sagen:
Schon Ibn al-Bawwāb hat so geschieben.

Da sage ich:
ja, aber raḥmān ist auch mit kurzem a und ḏālika auch.

Wenn es in dem gesamten Codex kein Lang-ā-Zeichen gibt,
dann braucht man auch keines in ʾaḷḷāh.
Aber im Gizeh-Koran gibt es überall, wo nötig, Lang-ā!

Es gilt, wie in "Kein Standard" erklärt
was Bergsträßer und Genossen übersehen haben:
Es handelt sich um eine Übernahme aus Marokko bzw. von Warš-Drucken:

Und so wie diese ʾaḷḷāh nicht richtig schreiben
sondern falsch, so die 1924er.

Mittwoch, 30. Januar 2019

Vokalkürzung II

Wenn ist sage, dass der Gizeh-Koran voller Fehler ist ‒ mehr als die 104, die das König-Fahd-Kombinat beklagt ‒, dann sagt man mir: Du spinnst, das können keine Fehler sein!
Doch da fehlt etwas, was in Indien, Indo­nesien, der Türkei da ist: der Unter­schied zwischen lang-geschrie­ben = lang-gesprochen und lang-geschrie­ben, aber kurz-gespro­chen.
Es ist aber nicht nur so, dass in Gizeh/Kairo etwas fehlt, was andere haben,
sondern mich stört auch,
dass das Gegenteil (kurz-geschrieben, aber lang-gespro­chen) notiert wird
und noch schlimmer:


bei ā <> a wird es notiert,
bei ī <> i nicht.
Auf diesen zwei Seiten habe ich alle End-yas umfärbt:
zwei Rottöne für ā und a
zwei Grüntöne für ī und i.
In dem "Standard­koran" ist der ā<>a-Unter­schied markiert, der zwischen ī<>i nicht.

Man kann einwenden:
Dass der Vokal kurz ist, sieht man an dem wasl-Zeichen, das folgt.
Gewiss, aber das folgt bei gekürztem /a/ auch,
trotzdem hat dort der Vokalbuche selbst Vokalzeichen, die die Quanität angeben.

Anhang:
rabbi (2:260) in sechs Lesarten (links) plus drei Schreibweisen Ḥafṣ (rechts)

Donnerstag, 17. Januar 2019

Marokko Muṣḥaf al-Muḥammadī 4 verschiedene

Während es unter Muhammad V keinen Staats­koran gab,
unter Hassan II immer nur einen (einen frühen und einen späten)

gibt es unter Muhammad VI schon deren viere:
‒ einen handgeschrie­benen im gleichen Stil wie der seines Vaters,

‒ einen computergesetzten "andalusi­schen", d.h. mit grünen Punkten für Hamzae,





‒ einen computergesetzten "marokkanischen" und





‒ einen mit Schreibtafeln aus Koran­schulen ‒ 2007 in Graz gedruckt.












Donnerstag, 10. Januar 2019

Jenseits ausgetretener Pfade

Man kann sich für die Chronologie des Suren interes­sieren.
Was wurde zuerst verkündet, was später und was zuletzt?.
Oder für die Lesarten.
Oder für Verseinteilung und Pausen.
Oder für den Schreibstil.
Oder für die Schreibung der Grundbuchstaben, den Strich, das Skelett, den rasm.
Oder für die Notierung von Kurzvokalen, langen, Dehnungen, Assimi­lierung, Feinheiten der Aus­sprache.
Auf jeden Fall wird man nicht éine Schrei­bung, einen Standard fest­stellen, sondern mehrere.
Und man wird Ausgaben entdecken, die das Vor­handene neu mischen ‒ ganz Neues eher selten.
Auch die ägyptische Ausgabe von 1924 brachte nichts wirklich Neues.



Afrika vs. Asien (Maġrib oder IPak)

Es gibt viele verschiedene Arten, den Koran zu schreiben. Man kann sie in zwei Gruppen einteilen: Afrika, Andalusien, (seit 1924 bzw. 1980...